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Juli 06/1999
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REGIERUNGSERKLÄRUNG ZUR GLOBALISIERUNG

Wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und soziale Gerechtigkeit verknüpfen

(wi) Die im Zuge der Finanzkrisen auch in einigen großen Industrieländern zu verzeichnende Schwäche scheint weitgehend überwunden zu sein. Dies betonte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) bei seiner Regierungserklärung "Globalisierung gemeinsam gestalten" am 16. Juni vor dem Bundestag.

Die Bundesregierung werde durch eine Konsolidierung des Bundeshaushalts und eine Unternehmenssteuerreform dazu beitragen, Wachstum und Beschäftigung zu fördern, sagte Schröder. Künftig müsse es darum gehen, wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit und rechtsstaatliche Demokratie als gleichrangige strategische Ziele zu verfolgen. Sie bildeten das "magische Viereck der Modernisierung im nächsten Jahrhundert".

Wolfgang Schäuble (CDU/CSU) rief dazu auf, die Globalisierung nicht als Bedrohung, sondern als Herausforderung zu verstehen. Genauso wichtig sei es, die soziale Marktwirtschaft schrittweise auch "in dieser einen Welt" zu verwirklichen.

Die Globalisierung dürfe nicht dazu führen, daß die Errungenschaften der sozialen Marktwirtschaft – wirtschaftliche Effizienz, sozialer Ausgleich und soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit und Vorsorge für die Schwächeren – verlorengehen.

Kein sozialer Kahlschlag

Ernst Schwanhold (SPD) verwies darauf, daß eine offene Volkswirtschaft alle Chancen habe, vom globalen Leistungsaustausch zu profitieren. Niemand wolle die sozialen Sicherungssysteme durch einen Kahlschlag bei den sozialen Leistungen ablösen. Zu den Rahmenbedingungen im internationalen Wettbewerb zählten Flexibilität am Arbeitsmarkt und im Steuerrecht, schnelle Genehmigungsfaktoren und Lohnnebenkosten, die den Faktor Arbeit stärker entlasten.

Für Rainer Brüderle (F.D.P.) sind neoliberale Wirtschaftspolitik und soziale Marktwirtschaft identisch. Dazu gehörten Eigenverantwortung und Leistungsbereitschaft. Wer leisten könne und nicht leiste, verhalte sich unsozial.

Nach Meinung von Rezzo Schlauch (Bündnis 90/Die Grünen) kommt es darauf an, ökologische Vernunft, ökonomisches Wachstum und demokratische Grundregeln in Einklang zu bringen. Menschenrechte und Demokratie, soziale Sicherheit und ein handlungsfähiger Staat seien die Voraussetzungen für eine florierende Weltwirtschaft.

Wenn man Armut wirksam bekämpfen will, so Gregor Gysi (PDS), müsse man bereit sein, Reichtum zu begrenzen. Er forderte einen "wirklichen Politikwechsel" in Richtung auf mehr soziale Gerechtigkeit.

Theo Waigel (CDU/CSU) erinnerte daran, daß die Globalisierung als Ausdruck der weltwirtschaftlichen Verflechtungen heute wieder den Grad erreicht hat, den sie schon 1914 hatte. Vor ihr müsse man keine Angst haben.

Märkte nicht behindern

Der Bundestag überwies einen Antrag der F.D.P. "Globalisierung als Chance: Der Weg nach vorne für Europa" (14/1132) und einen Antrag der PDS "Soziale und demokratische Weltwirtschaftsordnung statt neoliberale Globalisierung" (14/954) zur Beratung an den Wirtschaftsausschuß. Die F.D.P. fordert die Regierung auf, sich dafür einzusetzen, daß die europäischen Staaten gemeinsam eine neue angebotsorientierte Agenda formulieren und umsetzen.

Die Politik müsse in einem neuen wirtschaftlichen Rahmen betrieben werden, innerhalb dessen der Staat die Wirtschaft nach Kräften fördert, sich aber nicht als Ersatz für die Wirtschaft betrachtet. Die Steuerungsfunktion der Märkte müsse durch die Politik ergänzt und verbessert, nicht aber behindert werden. Die Höhe der Staatsausgaben habe die Grenzen der Akzeptanz erreicht, heißt es weiter. Die Kürzung der staatlichen Ausgaben erfordere eine radikale Modernisierung des öffentlichen Sektors und eine Leistungssteigerung und Strukturreform der öffentlichen Verwaltung. Auch die sozialen Sicherungssysteme müßten sich den Veränderungen in der Lebenserwartung, der Familienstruktur und der Rolle der Frauen anpassen, so die F.D.P. Wenn diese neue Politik gelingen solle, müsse sie eine Aufbruchstimmung und einen neuen Unternehmergeist auf allen Gebieten der Gesellschaft fördern. Europa müsse sich den Herausforderungen der Weltwirtschaft stellen und den sozialen Zusammenhalt wahren. Der Sozialstaat müsse modernisiert, nicht abgeschafft werden. Dazu müsse ein robuster und wettbewerbsfähiger marktwirtschaftlicher Rahmen geschaffen werden. Notwendig sei auch eine auf die Förderung nachhaltigen Wachstums ausgerichtete Steuerpolitik. Zudem weist die F.D.P. darauf hin, daß Angebots­ und Nachfragepolitik zusammengehörten. Schließlich setzt sich die Fraktion für eine moderne Politik als "Anwalt des Mittelstands" sowie eine aktive Arbeitsmarktpolitik ein.

Ein Bündel von Empfehlungen für eine soziale und demokratische Weltwirtschaftsordnung statt einer "neoliberalen Globalisierung" enthält der PDS­Antrag. Neben der Einführung einer Devisentransaktionssteuer und besonderer Mindestreservepflichten für Bankkredite, die nicht für besondere Zwecke gewährt werden, wird auch die Erhebung von unverzinslichen oder niedrigverzinsten Bardepoteinlagen bei der Ausfuhr oder Einfuhr von Kapital gefordert.

Mindeststandards einhalten

Die PDS will die Eigenkapitalvorschriften der Banken verschärfen, auf alle Arten von Finanzinstituten ausdehnen und eine Versicherungspflicht für internationale Kredite einführen, damit private Risiken privat abgesichert und Verluste nicht auf den Steuerzahler abgewälzt werden. Darüber hinaus will sie ein internationales Kartellrecht aufbauen, das die Unternehmenskonzentration verhindert. Die Besteuerung transnationaler Konzerne müsse international harmonisiert werden.

Die PDS ruft die Regierung auf, der internationalen Konkurrenz um die geringsten sozialen, gewerkschaftlichen und ökologischen Standards entgegenzutreten. Unternehmen, die in ihren ausländischen Töchtern oder Beteiligungen diese Mindeststandards verletzen, sollten von öffentlichen Ausschreibungen und Fördermöglichkeiten ausgeschlossen werden.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9906/9906061
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