AUSWÄRTIGER AUSSCHUSS Gegenüber den USA auf Ratifikation des Atomteststoppvertrages dringen(aw) Als einen "schweren Schlag gegen das nukleare Nichtverbreitungsregime" hat der Auswärtige Ausschuss am 11. Oktober die Tatsache bezeichnet, dass der US-Senat es im vergangenen Herbst abgelehnt hat, den Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen zu ratifizieren. Mit diesem negativen Votum würden sowohl Bemühungen, die Nichtverbreitung von Nuklearwaffen sicherzustellen, als auch der weitere atomare Abrüstungsprozess gefährdet, betonte das Gremium auf Antrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und F.D.P. (14/2041). Die PDS stimmte der Initiative ebenfalls zu. Die CDU/CSU enthielt sich. Der Bundestag soll nach dem Willen der Ausschussmehrheit die Weigerung des Senats "zutiefst bedauern" und gleichzeitig die Ankündigung der Regierung in Washington begrüßen, sich weiterhin für die Ratifizierung des Vertrages einzusetzen. Es liege im Interesse Deutschlands, die Weiterverbreitung von Kernwaffen und einen Rüstungswettlauf um qualitativ neue Waffen dieser Art zu verhindern, so die Ausschussmehrheit weiter. Deswegen habe der Bundestag den Atomteststoppvertrag ratifiziert. Zu appellieren sei deshalb an alle betroffenen Parlamente, eine solche Ratifizierung ebenfalls zügig vorzunehmen, um ein deutliches Zeichen für die Nichtverbreitung von Nuklearwaffen zu setzen und um das Regime für die Nichtweiterverbreitung zu stärken. Das deutsche Parlament müsse in bilateralen Kontakten zum Kongress der USA zudem darauf hinwirken, die amerikanischen Bedenken gegen den Atomteststoppvertrag auszuräumen und die Senatoren von der Notwendigkeit der Ratifizierung zu überzeugen. Risiko nuklearer "Lecks"Das Parlament sei zudem aufgefordert, eine von Bundeskanzler Gerhard Schröder, dem französischen Präsidenten Jacques Chirac und dem britischen Premierminister Tony Blair in einem gemeinsamen Artikel für die "New York Times" vom 8. Oktober 1999 vertretene Auffassung zu unterstützen. Die drei Staatsmänner hatten darin unter anderem betont, die USA und ihre Alliierten hätten sich seit der Regierungszeit des US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower (1953-1961) Seite an Seite für ein umfassendes Testverbot von Nuklearwaffen eingesetzt. Dieses Ziel sei nunmehr in Reichweite, weshalb die USA aufgefordert seien, den Vertrag zu ratifizieren. Als nach wie vor wichtigste Herausforderung für das Regime der nuklearen Nichtweiterverbreitung haben unterdessen Experten die Gefahr nuklearer "Lecks" in Russland bezeichnet. Anlässlich einer öffentlichen Anhörung des Auswärtigen Ausschusses zum Thema "Nukleare Proliferation – Aktuelle Gefahren und Handlungsoptionen" am 27. September erklärte Steven E. Miller von der Harvard Universität (USA) seiner schriftlichen Stellungnahme zufolge, Russland besitze laut Schätzungen nach wie vor 650 Tonnen waffenfähiges spaltbares Material, das an etwa 50 Standorten gelagert werde. Verstärkte AnstrengungenTrotz großer Anstrengungen, vor allem der USA, in den 90er-Jahren gebe der Sicherheitsstandard dort noch immer zu großer Sorge Anlass. Die westlichen Industriestaaten seien deshalb aufgerufen, verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, um die Lage zu verbessern. Notwendig sei auch, Moskau überschüssiges spaltbares Material abzukaufen und dies entweder vom russischen Staatsgebiet zu entfernen oder es dort in einer Weise zu lagern, dass internationale Sicherheitsstandards erfüllt werden. Einen ähnlichen Standpunkt vertrat Karl-Heinz Kamp von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Sankt Augustin bei Bonn. Auch er bezeichnete unter anderem die "latente Instabilität des nuklearen Sektors in der ehemaligen Sowjetunion" als Herausforderung für den nuklearen Nichtweiterverbreitungsprozess. Dem Sachverständigen zufolge haben bislang allein die USA einen wirklichen signifikanten Beitrag zur Eindämmung dieser Gefahren geleistet, obgleich Europa aufgrund seiner geografischen Nähe von den Risiken des Nuklearschmuggels oder durch "Lecks" im russischen Kernwaffensektor direkt betroffen werden könne. Auch die deutsche Regierungspolitik widme dem Problem der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen bei weitem nicht die nötige Aufmerksamkeit und politische Energie, so Kamp. Eine ähnliche Position vertrat während des Hearings auch Camille Grand, Dozent am Institut d'études politiques in Paris. Er sah dabei vor allem die Europäische Union gefordert. Grand erklärte außerdem, der sicherste Weg bei der Nuklearabrüstung sei es, den zerlegten Waffensprengkopf zu zerstören und das spaltbare Material so zu bearbeiten, dass es einem zivilen Nutzen zugeführt werden könne. Annette Schaper von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung sprach sich in diesem Zusammenhang dafür aus, die Bundesregierung solle den Export einer Hanauer Fabrik genehmigen, die in Russland aus abgerüstetem Waffenplutonium Mischoxid-Brennstäbe herstellen könne. In der Erwartung, dass es gelinge, dieser Anlage Sicherungsmaßnahmen der Internationalen Atomenergieorganisation zu unterstellen, könne dies ein wesentlicher Beitrag sein, das Problem in Russland in den Griff zu bekommen. Auf Kurswechsel hinwirkenRobert D. Green von der Organisation "Middle Power Initiative" aus Neuseeland vertrat bei der Anhörung seinem Statement zufolge die Auffassung, die Bekenntnisse der Nuklearwaffenstaaten USA, Großbritannien und Frankreich bei der jüngsten Konferenz zum Regime der nuklearen Nichtweiterverbreitung in New York seien nicht in Übereinstimmung zu bringen mit dem neuen Strategischen Konzept der NATO. Namentlich Deutschland sei deshalb aufgefordert, gemeinsam mit anderen Nichtatommächten wie Kanada auf einen substanziellen Kurswechsel des Atlantischen Bündnisses mit Blick auf dessen nukleare Option hinzuwirken. |