Der Buchtipp
" Du kannst selber etwas tun !"
Politische Lebenswege in DeutschlandPolitik wird von Menschen gemacht" – eine Binsenweisheit. Aber was verbirgt sich dahinter? Es sind persönliche Motive und Entscheidungen, Erfolge und Enttäuschungen, Höhepunkte und Mühen des Alltags. All dies kann man in den Biografien zu Fischer und Merkel und den Wegbeschreibungen von Schäuble nachlesen. Deutlich wird, wie sehr die Politik Menschen so in den Bann ziehen kann, dass das Politische zum Lebensschicksal wird. Allen drei gemeinsam ist der Weg in die Politik, ihre Arbeit als Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Aber ansonsten verlaufen die Lebenswege gänzlich unterschiedlich.
Für Merkel war 1989/90 die alles entscheidende Wendung in der Geschichte, die sie in die Politik führte. Stock beschreibt mit Respekt ihren Lebensweg in der DDR und nach der deutschen Einheit: das evangelische Pfarrhaus, Schule und Studium, die Entwicklung bis zur überraschenden Wende 1989. Politische Heimat wurde schließlich die CDU. Dann ging es schnell nach oben: stellvertretende Regierungssprecherin der letzten DDR-Regierung, Ministerin, CDU-Vorsitzende. Die größte Krise in der Geschichte der CDU, die Spendenaffäre, hat ihren Aufstieg beschleunigt, aber auch von ihr "Mut, Ehrlichkeit und Durchsetzungsfähigkeit" wie nie zuvor gefordert. Prägung Ost, Erfahrung West – es ist eine steile Karriere, die einen Grund hat: "geistige Unabhängigkeit" und ihr "Naturtalent für Politik".
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Wolfgang Stock: Angela Merkel. Eine politische Biographie. München 2000, Olzog Verlag, 36,- DM. |
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Sibylle Krause-Burger: Joschka Fischer. Die Biographie. Stuttgart 1999, Deutsche Verlags-Anstalt, 39,80 DM. |
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Wolfgang Schäuble: Mitten im Leben. München 2000, C. Bertelsmann Verlag, 42,- DM. |
Ein solches hat zweifellos auch Fischer, einfühlsam von Krause-Burger beschrieben. Sein Lebensweg ist "aufregend, voller Abenteuer des Lebens und des Geistes": vom "Frankfurter Sponti" zum Außenminister, vom Metzgersohn zum Vizekanzler. Fischers Lebensstationen – katholisches Elternhaus, das 68er Milieu, Umwelt- und Friedensbewegung, die Gründung der grünen Partei, schließlich Minister – lesen sich wie eine Geschichtsstunde der Bundesrepublik mit ihren Brüchen und Auseinandersetzungen. Fischer ist ein "Autodidakt", der "aus allen Ordnungen ausbrach und dabei die demokratische Ordnung schätzen lernte". Diese "Vielfalt seines Wesens" macht ihn zu einem der beliebtesten Politiker.
Eine Geschichtsstunde erhält man auch von Schäuble, der die dramatische Wegstrecke des Patienten "Volkspartei CDU" von der "Intensivstation" zur "Rekonvaleszenz" seit 1998 aus seiner Sicht beschreibt: Wahlniederlage 1998, Erneuerungsversuche der CDU, erneute Krise und Neuanfang. Wer glaubt, es handele sich um ein reines "Enthüllungsbuch", der täuscht sich. Es geht um die "programmatische Erneuerung" der CDU, um die Möglichkeit "politischer Führung" von Partei und Fraktion in schwieriger Oppositionszeit, auch um die Behauptung der Politik gegenüber medialer Vereinnahmung. Europa, Sicherheit, Migration, Föderalismus und die neue soziale Frage – das steht nach Schäuble auf der "Tagesordnung der Zukunft".
Alle drei Bücher handeln von Persönlichkeiten mit anerkannten Fähigkeiten, die Politik jetzt und auch zukünftig beeinflussen und gestalten wollen. Es sind spannende Momentaufnahmen – für Nachrufe ist es noch zu früh.
Bernward Baule