GROSSE MEHRHEIT FÜR REGIERUNGSENTWURF
Mit dem Gleichstellungsgesetz wird die Barrierefreiheit rechtlich verankert
(as) Die Barrierefreiheit und Gleichstellung behinderter Menschen wird im öffentlichen Recht verankert. Dies steht im Gleichstellungsgesetz, das der Bundestag am 28. Februar mit großer Mehrheit bei Enthaltung der PDS in geänderter Fassung verabschiedet hat (14/7420,14/8331). In der Initiative heißt es, viele Lebensbereiche seien nicht so gestaltet, dass behinderte Menschen ohne besondere Erschwernisse gleiche Chancen im Alltag erhielten.
Mit dem Gleichstellungsgesetz soll sichergestellt werden, dass sie sich möglichst vollständig diskriminierungsfrei im Alltag bewegen können. Besondere Aufmerksamkeit gilt den Angaben zufolge den Belangen behinderter Frauen. Außerdem soll für hör- oder sprachbehinderte Menschen zur Wahrnehmung eigener Rechte in Verwaltungsverfahren der Anspruch auf die Verwendung von lautsprachbegleitenden Gebärden normiert werden. Gleichzeitig lehnte das Plenum gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen einen Antrag der FDP (14/5985) ab, wonach die Regierung ihr Informationsangebot barrierefrei gestalten sollte. Die Fraktion bezog sich damit insbesondere auf das Internetangebot und auch auf Formen von Printmedien sowie Audio- und Videoträger.
Verbandsklagerecht klargestellt
Der Fachausschuss änderte die Vorschrift zu behinderten Frauen dahin gehend, dass auch bestehende Benachteiligungen ausdrücklich beseitigt werden müssen. Außerdem wurde die Selbstverpflichtung zum barrierefreien Bauen des Bundes auch auf den Bereich "kleinerer" ziviler Neubauten erstreckt. Schließlich einigten sich die Parlamentarier, die Regelung zum Verbandsklagerecht einzuengen und zu straffen. Die Regelungen zum Wahlrecht sollen nach dem Willen des Bundestages so gestaltet werden, dass die Stimmzettelschablonen für blinde und sehbehinderte Menschen von den Blindenvereinen hergestellt und verteilt werden.
Einstimmig verabschiedet wurde ein Entschließungsantrag. Danach soll das Arbeits- und Sozialministerium unter Beteiligung der Verbände behinderter Menschen eine Arbeitsgruppe bilden, die sich ausgehend von einer Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO mit dem Behindertenbegriff befasst und die Ergebnisse im Rahmen eines Berichts vorstellt. Außerdem erwartet der Bundestag demnach, dass im Rahmen der Umsetzung der verkehrsrechtlichen Regelungen des Gleichstellungsgesetzes künftig bei der Neuanschaffung von Verkehrsmitteln sowie beim Neubau von Verkehrsanlagen diese barrierefrei sind bzw. ausgestaltet werden.
Zur Begründung heißt es, in der öffentlichen Anhörung zu der Initiative sei vorgeschlagen worden, einen konkreten Zeitpunkt zu nennen, bis zu dem neu in Betrieb genommene Beförderungsmittel oder neue Verkehrsinfrastruktur barrierefrei sein müssen.
Koalitionsfraktionen betonen selbstbestimmtes Leben
Die Koalitionsfraktionen äußerten zu dem Gesetzentwurf die Überzeugung, dass es sich um eine ausgewogene Ini-tiative handele, die in der Substanz umfassend mit den Verbänden abgestimmt worden sei. Die gleichberechtigte Teilhabe von behinderten Menschen am Leben der Gesellschaft sowie eine möglichst selbstbestimmte Lebensführung sollten sichergestellt werden. Außerdem gehe es darum, das Benachteiligungsverbot des Grundgesetzes im Bereich der Bundesverwaltung umzusetzen. Der Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung habe richtigerweise dafür gesorgt, dass nicht nur "große" öffentliche zivile Neubauten barrierefrei gestaltet werden müssen, sondern alle öffentlichen Gebäude.
Union begrüßt die eingebauten Änderungen
Die Union begrüßte, dass die Änderungsanträge weitgehend den Wünschen des Bundesrates entsprechen. Mit dem geänderten Verbandsklagerecht sei ein Weg gefunden worden, der eine Ausuferung des Klagerechts verhindere. Es müsse klar sein, dass Kleinbetriebe nur von tatsächlich bundesweit agierenden und beim Arbeitsministerium registrierten Verbänden zum Abschluss von Zielvereinbarungen kontaktiert werden dürfen.
Die FDP-Fraktion bezeichnete es als sinnvoll, dass Möglichkeiten für die Länder geschaffen werden, das Vorliegen eines Falles der Unzumutbarkeit barrierefreier Ausgestaltung von Gaststätten näher zu konkretisieren. Auch die Klarstellung des Verbandsklagerechts sei eine Forderung der Fraktion gewesen.
Die PDS bedauerte es, dass die Forderungen von Behindertenorganisationen, den Behindertenbegriff zu novellieren, ignoriert worden seien. Der im Gesetz angewandte Behindertenbegriff könne nicht zufrieden stellen und müsse im Sinne der internationalen Definition überarbeitet werden. Daher könnten die Parlamentarier der Vorlage nicht zustimmen. Ohne Mehrheit blieb die Fraktion mit einem Entschließungsantrag (14/8380), wonach die Abgeordneten "klare und einheitliche" zivilrechtlichen Antidiskriminierungsregeln verlangen. Zwei Änderungsanträge zur Definition des Behindertenbegriffs (14/8382) und Beweislastumkehr im Interesse der vermeintlich diskriminierten Seite (14/8381) wurden ebenfalls abgelehnt.