ANHÖRUNG DES WIRTSCHAFTSAUSSCHUSSES
Das geplante Tariftreuegesetz stößt auf ein recht widersprüchliches Echo
(wi) Das geplante Gesetz zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen und zur Einrichtung eines Registers über unzuverlässige Unternehmen ist bei Sachverständigen auf ein recht widersprüchliches Echo gestoßen. Wie aus den Stellungnahmen der zur öffentlichen Anhörung des Wirtschaftsausschusses am 25. Februar geladenen Experten hervorgeht, finden die vorliegenden wortgleichen Gesetzentwürfe von SPD und Bündnis 90/Die Grünen (14/7796) und der Bundesregierung (14/8285) nicht die ungeteilte Zustimmung. Die Entwürfe sehen vor, Unternehmen, die öffentliche Aufträge ausführen, die Zahlung des Tariflohns am Ort der Leistungserbringung vorzuschreiben, um Wettbewerbsverzerrungen entgegenzuwirken.
Nach Ansicht des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) können mit einer bundesweiten Tariftreueverpflichtung bei öffentlichen Bauaufträgen Wettbewerbsverzerrungen nicht effektiv bekämpft werden. Der Anteil öffentlicher Bauaufträge an der Gesamtsumme aller Bauaufträge betrage lediglich etwa 20 Prozent. Für den öffentlichen Nahverkehr bestehe kein Bedarf für eine Tariftreueverpflichtung, da es anders als im Bausektor derzeit keine Wettbewerbsverzerrungen durch den Einsatz von Niedriglohnkräften gebe. Die Verpflichtung zur Tariftreue würde die Beschaffung öffentlicher Auftraggeber verteuern und stünde einer wirtschaftlichen Auftragsvergabe diametral entgegen.
"Ostdeutsche benachteiligt"
Der BDI hält den Entwurf sowohl für verfassungswidrig als auch für unvereinbar mit dem Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit des EG-Vertrages. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht in einem "Tarifdiktat" eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten ostdeutscher Unternehmen. Diese wären nicht in der Lage, die auf westdeutschen Baustellen einzuhaltenden Löhne zu zahlen.
Im Gegensatz dazu betrachtet der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) in der Tariftreueverpflichtung bei öffentlichen Aufträgen ein Instrument zur Konsolidierung der Wettbewerbsverhältnisse in der Bauwirtschaft. Voraussetzung müsse eine Befristung sowie eine strikte Kontrolle durch den öffentlichen Auftraggeber sein. Zwar würde der Tariftreuezwang Beschaffungen der öffentlichen Hand verteuern, doch könnten den Verteuerungen auch Vorteile wie höhere Einnahmen in der Sozialversicherung gegenüberstehen.
Nach Meinung des ZDH kann das Gesetz nur dann wirken, wenn der Großteil der Aufträge erfasst wird. Für kleinere Handwerksbetriebe gehörten Aufträge im Wert von 50.000 € zu den größeren. Es sollte daher daran gedacht werden, diesen Schwellenwert für die Anwendung der Tariftreueregelung zu senken.
Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt fordert eine deutliche Absenkung dieses Wertes auf 10.000 E. Im Übrigen könne das Gesetz nicht nur Wettbewerbsverzerrungen durch Lohndumping und illegale Beschäftigung unterbinden, sondern auch die Ausbildungsquote erhöhen und die Innovationsfähigkeit, Produktivität und Qualität in der Bauwirtschaft verbessern.
Kommunen skeptisch
Skeptisch äußert sich dagegen der Deutsche Städte- und Gemeindebund. Er sieht die Gefahr einer einseitigen Benachteiligung von Bauunternehmern aus den neuen Ländern. Ein Unternehmer aus Erfurt, der sich um einen Auftrag in Frankfurt bewerbe, wäre gezwungen, seine Arbeiter zu denen in Frankfurt geltenden höheren Tarifen zu entlohnen. Dies hätte zur Folge, dass den ostdeutschen Unternehmern der gesamte Auftragsmarkt der alten Länder verschlossen bliebe. Daher sollte Ostfirmen ermöglicht werden, in Fällen, in denen ein westdeutscher Tarifvertrag gültig ist, nur 90 Prozent dieses Tariflohns an einen öffentlichen Auftraggeber zu bezahlen.
Im Übrigen würde das Gesetz öffentliche Bauaufträge um bis zu fünf Prozent verteuern, heißt es. Die Folge wäre, dass die etwa 13.000 Städte und Gemeinden sowie Stadtwerke bei einem jährlichen Bauvolumen etwa 50 Milliarden € mit einem Mehraufwand von etwa 2,5 Milliarden € rechnen müssten. Dies sei angesichts der "dramatischen Haushaltslage der Kommunen" nicht zu machen.
Die Bundesregierung hatte eine Befristung ihres Gesetzentwurfs abgelehnt, wie aus ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates zu ihrem Entwurf hervorgeht, den der Bundestag am 21. Februar an den Wirtschaftsausschuss überwiesen hatte. Eine zeitliche Befristung würde mit dem Ziel des Gesetzes in Konflikt geraten, Wettbewerbsverzerrungen durch den Einsatz von Niedriglohnkräften zu verhindern.
Länder wollen Befristung
Der Bundesrat hatte eine Befristung bis Ende März 2005 vorgeschlagen, um die Tariftreueerklärung in einer dreijährigen Probephase auf ihre Wirksamkeit überprüfen zu können. Die Regierung sagt eine Prüfung zu, inwieweit die Wettbewerbsbedingungen für Bauunternehmen aus den neuen Ländern verbessert werden können. Sie will auch prüfen, inwieweit bei der jährlichen Festsetzung der Kontingente für Werkvertragsarbeitnehmer aus Mittel- und Osteuropa Wettbewerbsverzerrungen entgegengewirkt werden kann.