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Dezember 7/2003
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Katrin Schröders auf dem Sofa

Katrin Schröders Arbeit besteht hauptsächlich im Koordinieren. Sie muss den Überblick behalten und Ruhe bewahren, wenn die Zeiten aufgeregt sind. Ein schöner Job sei das, findet sie.

Brief auf dem Schreibtisch

Es hat ihr von Beginn an Spaß gemacht. Sagt sie. Die Arbeitsplatzbeschreibung macht das nicht sofort nachvollziehbar. Wissenschaftliche Koordinatorin des Arbeitskreises Wirtschaft, Arbeit, Soziales, Finanzen und Haushalt der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen klingt mindestens spröde. Bilder hat man da nicht sofort im Kopf. Die Frau beeindruckt auf den ersten Blick. Das liegt auch an den sehr langen glatten blonden Haaren, mehr aber an dem ersten Gefühl, es hier mit einer offenen und zugleich sehr zurückhaltenden Person zu tun zu haben. Eine interessante Kombination: Körperhaltung: selbstbewusst, locker, natürlich, Blickkontakt: immer, Reden: leise, überlegend, uneitel. Katrin Schröder, 44 Jahre, zwei Kinder, Doktorin der Volkswirtschaft, seit 1997 Mitarbeiterin im Deutschen Bundestag, ist eine sympathische Frau.

Katrin Schröders

Fraktionsintern wird der Arbeitskreis 1 „AK Schwarze Zahlen“ genannt. Das verrät in diesen schwierigen Zeiten eine Menge Optimismus. Insgesamt gibt es bei der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vier Arbeitskreise, jeder von ihnen mit einem ähnlich umfangreichen Titel und Programm – wie das bei kleinen Fraktionen halt so ist. Die Koordination der Arbeitskreise obliegt zwei Frauen und zwei Männern, jede und jeder für einen AK zuständig. „Die fantastischen Vier“ nennt man sie hin und wieder, weil Abgeordnete gern bereit sind zuzugeben, dass die Koordination eines Arbeitskreises in etwa so einfach ist, wie einen Sack Flöhe zu hüten. Stellenbeschreibungen für diesen Job sind mehrseitig.

Dem AK 1 gehören zwölf Abgeordnete an. An jedem Dienstagvormittag einer Sitzungswoche tagt das Gremium. Dann sitzen die Abgeordneten und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Arbeitskreises, alles in allem rund fünfzig Personen, in einem großen Raum an einem großen Tisch und befassen sich mit Gesetzesvorhaben, Anträgen, Konzepten, Vorlagen, beraten die aktuelle politische Situation, bereiten die laufende Sitzungswoche vor und arbeiten an längerfristigen Projekten.

In einem Arbeitskreis haben alle Rederecht, und die Ergebnisse die hier erzielt werden, die Empfehlungen und Vorschläge, die ein Arbeitskreis entwickelt, und die Voten, die er abgibt, haben hohen Stellenwert. Hier wird die fachliche Arbeit geleistet und der Fraktion das nötige Input gegeben, damit sie im Parlament fundiert agieren kann. Arbeitskreise sind vor allem dazu da, die Arbeit der Abgeordneten in den Ausschüssen vor- und nachzubereiten. Ausschussarbeit legt die Basis für die Debatten und Beschlüsse im Parlament. Wenn es irgendwo hakt, zieht das in der Regel weite Kreise.

Die „Haushälter“ haben eine besondere Stellung im Arbeitskreis 1, denn sie haben ein unglaublich breit gefächertes Aufgabenspektrum. Vor allem aber ist das Thema „Haushalt“ immer eine Querschnittsaufgabe, verlangt also weitaus mehr Koordination und Absprachen als ein Thema, das sich nur einem Ausschuss zuordnen lässt. Arbeit und Soziales ist erst seit der vergangenen Wahlperiode dem AK 1 zugeordnet. „Was ist sozial gerecht?“ und „Was ist finanzierbar?“. Diese beiden Fragen werden im Arbeitskreis diskutiert.

Papiere auf dem Schreibtisch

Katrin Schröder obliegt im AK 1 die Koordination auf der Arbeitsebene. In dieser Funktion ist sie die Chefin von sechs Referenten und Referentinnen, die einzelne Sachthemen bearbeiten. Grundsatz ist: Alle Eckpunkte, Gesetzesentwürfe, Anträge müssen durch alle Fraktionsgremien – Vorstand, Arbeitskreis, Fraktionssitzung. Koordination heißt also erst einmal, sämtliche parlamentarische Vorlagen, die in den Arbeitskreis gehören, sammeln, den Stand der Bearbeitung abfragen, bei übergreifenden Themen Absprachen mit anderen Arbeitskreisen treffen, inhaltliche Zuarbeiten durch die Referenten und Referentinnen organisieren, alles an alle Abgeordneten rechtzeitig verteilen, den Ablauf der Sitzungen vorbereiten, während der Sitzung wenn möglich auf jede Frage eine Antwort wissen, Sitzungsergebnisse sowie Abstimmungen mit der Koalitionsfraktion und den Ministerien zu den Sachthemen mit der Parlamentarischen Geschäftsführung und den Vorstandsbüros rückkoppeln, telefonieren und mailen, laufen, Kontakt halten, auf Wiedervorlage dringen, schnelle Rückkopplung einfordern. Alles in allem ordentlicher Stress mit Spitzenwerten in Sitzungswochen. In Nichtsitzungswochen muss nicht weniger getan werden, aber es besteht die Möglichkeit, sich längerfristigen Projekten zu widmen, an Konzepten zu arbeiten. Das ist sozusagen die Kür. Dann finden auch Mitarbeiterrunden statt, werden Zuarbeiten für die Öffentlichkeitsarbeit gemacht und für die Internetseiten, wird die nächste Sitzungswoche geplant, kann, anstatt alles per Telefon zu erledigen, das eine und andere persönliche Gespräch geführt werden. Wenn es hektisch ist, sagt Katrin Schröder, sei oft nicht einmal zum Telefonieren Zeit, dann schreibe sie nur noch eine E-Mail nach der anderen, weil das schneller gehe und man nicht Gefahr laufe, das Besetztzeichen zu hören und wertvolle Zeit zu verlieren.

Sie macht diese Arbeit seit zwei Jahren und sie hat in dieser Zeit gelernt, das Tempo durchzuhalten, zum guten Teil selbst zu bestimmen und Dinge zu erledigen, auch wenn nur noch fünf Minuten Zeit sind. Vor zwei Jahren, sagt sie, habe sie noch nicht gewusst, was man alles noch in den letzten fünf Minuten, die einen Vorgang von der Deadline trennen, schaffen kann. Die Gefahr, dass etwas durchrutsche, bestehe trotz aller Routine, die sie auch erworben habe, immer. Dafür müsse man dann gerade stehen können.

Matrjoschka-Figur auf dem Schreibtisch
Aktenrücken

Katrin Schröder ist bei ihren Kolleginnen und Kollegen dafür bekannt, dass sie Ruhe bewahrt. Das mögen alle. Sie ist ebenso dafür bekannt, ziemlich genau zu sein, manchmal sogar penibel. Das strengt auch an. Andererseits müssen oft ziemlich verworren erscheinende Abläufe strukturiert werden. Auf einem Organigramm sehen die Dinge immer sehr nachvollziehbar und schön ordentlich aus. In der Praxis gibt es Überschneidungen, Rückholanträge, Nacharbeiten, Parallelitäten. Eins nach dem anderen funktioniert nur in der Theorie. Es passiert häufig, dass Katrin Schröder mit einem Arbeitsplan im Kopf ins Büro kommt und der erste eingehende Anruf macht alles zunichte. Trotzdem oder gerade deshalb hat sie immer Checklisten – kleine Notizen, die immer wieder auf „erledigt“ oder „Wiedervorlage“ geprüft werden. Ein paar Stichpunkte schreibt sie sich bei fast jedem Telefongespräch auf.Erstaunlicherweise sieht es auf ihrem Schreibtisch trotzdem übersichtlich aus. Das System scheint zu funktionieren. Ganz vorn in der Stiftablage steht eine winzige rote Matrjoschka – die letzte einer wahrscheinlich langen Reihe. Sie erinnert Katrin Schröder an die Frau, für die sie als erste im Bundestag gearbeitet hat, die Abgeordnete Kristin Heyne. Sie ist im vorigen Jahr gestorben.

Der Einstieg in den Bundestag als Mitarbeiterin einer Abgeordneten war wunderbar, findet Katrin Schröder. Heute als Fraktionsmitarbeiterin sei sie allerdings autonomer, mehr sie selbst eben.

Sie wirft die langen blonden Haare mit Schwung über die Schulter und lächelt. Da fragt man dann doch noch, ob sie schon immer solch lange Haare hatte. „Nein“, sagt sie und tauscht das Lächeln gegen ein Lachen. „Ich musste als Kind immer zum Herrenfriseur. Ganz kurze Haare hatte ich. Da hab ich mir geschworen, sie später immer lang zu tragen.“

Text: Kathrin Gerlof
Fotos: studio kohlmeier

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2003/bp0307/0307037
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