Die neue Rolle Deutschlands in der internationalen
Staatengemeinschaft nach dem 11. September
2001
Die Serie
barbarischer Terrorangriffe in den Vereinigten Staaten vom 11.
September wird als ein Wendepunkt im Zusammenleben der Völker
in die Geschichte eingehen.
Früher
hatten wir es vor allem mit Kriegen zwischen Staaten oder
bewaffneten Konflikten innerhalb eines Landes zu tun. Jetzt kommen
nichtstaatliche internationale Akteure mit unabsehbarem
Zerstörungspotential hinzu. Unsere hochtechnisierten, sehr
mobilen und digital vernetzten Gesellschaften erweisen sich als
äußerst verwundbar.
Diese neue
Lage wird weitreichende Konsequenzen nicht nur für die
internationale, sondern besonders auch für die deutsche
Außen- und Sicherheitspolitik haben. Was sich in New York und
Washington ereignet hat, kann sich morgen in einem anderen Land in
anderen Formen wiederholen.
Wir haben es
erstmals mit einem global organisierten und global agierenden
Terrorismus zu tun. Die Täter vom 11. September haben
jahrelang unter uns gelebt und die Strukturen operieren weiterhin
von unseren Ländern aus. Die Verteidigungslinien verlaufen
inmitten unserer Gesellschaften.
Wir
Europäer müssen uns gemeinsam mit den Amerikanern gegen
diese terroristische Bedrohung wehren. Wir müssen die
Sicherheit unserer Zivilbevölkerung, die Offenheit unserer
Gesellschaften, die Freiheit unserer Menschen und Frieden und
Stabilität auch für unsere Kinder verteidigen. Es geht
also nicht nur um Solidarität mit den Amerikanern, sondern um
die Wahrung deutscher existentieller
Sicherheitsinteressen.
Der deutsche
und europäische Beitrag im Kampf gegen den Terrorismus wird
eine ganze Bandbreite an Maßnahmen und Schritten
umfassen.
- Wir
müssen unseren militärischen Beitrag im Kampf gegen den
internationalen Terrorismus leisten
Ohne
militärischen Einsatz lässt sich die Auseinandersetzung
mit dem internationalen Terrorismus nicht gewinnen. Dem brutalen,
menschenverachtenden Irrsinn der Terroristen ist mit
diplomatisch-politischen Mitteln allein nicht beizukommen. Es
handelt sich nicht um Staaten, mit denen am Verhandlungstisch
verbindliche Vereinbarungen getroffen werden
können.
Obwohl Amerika
überragende militärische Fähigkeiten hat, braucht es
den Beistand der Europäer und nicht zuletzt auch der Deutschen
- sowohl politisch als auch, je länger und härter der
Kampf gegen den internationalen Terrorismus wird,
militärisch.
Die von
Deutschland bereitgestellten Kräfte zeigen, dass die
Amerikaner die europäische Unterstützung nicht nur
für Operationen in und um Afghanistan, sondern auch zum Schutz
ihrer Einheiten vor ABC-Angriffen sowie zur Sicherung von
Seefahrtswegen und Häfen weitab vom afghanischen
Kriegsschauplatz in Anspruch nehmen wollen.
Die
Europäische Union muss sich in ihren sicherheitspolitischen
Planungen auf die neue Bedrohung einstellen. Dies gilt weniger
für die im Aufbau befindliche europäische Eingreiftruppe
von 60.000 Mann, die sich auch in Zukunft an den herkömmlichen
Einsatzszenarien für Friedensmissionen im Rahmen der sog.
Petersberg-Aufgaben (humanitäre Einsätze,
Friedenssicherung, Kampfeinsätze) im europäischen Umfeld
orientieren wird.
Doch speziell
für die Bekämpfung des internationalen Terrorismus kommt
den von einigen Ländern unterhaltenen Spezialtruppen eine
wichtige Bedeutung zu. In Europa verfügen unter anderem
Deutschland, Frankreich und Großbritannien über solche
Einheiten. Diese werden auch auf absehbare Zeit national
geführt sein. Doch sollten angesichts der neuen Bedrohungslage
diese Einheiten nicht nur verstärkt, sondern auch auf
mögliche gemeinsame Einsätze vorbereitet werden. Hierzu
ist intensives und dauerhaftes gemeinsames Training nötig, so
dass im Bedarfsfalle auf EU-Spezialkräfte in einer
Größenordnung von 5000 Mann zurückgegriffen werden
kann.
- Wir
müssen unseren Beitrag dazu leisten, dass der politische
Neubeginn in Afghanistan gelingt
Der Bundestag
hat der Entsendung deutscher Streitkräfte zur Beteiligung an
der internationalen Friedenstruppe in Afghanistan zugestimmt. Das
ist zu begrüßen, denn der politische Neuanfang in
Afghanistan ist nur durch eine internationale militärische
Flankierung möglich.
Ein Scheitern
des politischen Neubeginns würde den Rückfall
Afghanistans in Chaos und Krieg bedeuten. Der erneute Zerfall des
Landes in Zonen der Ordnungslosigkeit würde es den Terroristen
ermöglichen, ihre logistischen Basen und Ausbildungslager dort
wieder zu errichten. Insofern liegt es in unserem eigenen
Interesse, einen Beitrag zur militärischen Absicherung zur
leisten.
Geordnete
politische Verhältnisse in Afghanistan sind auch Voraussetzung
für einen wirtschaftlichen Gesundungsprozess sowie für
eine deutliche Verbesserung der katastrophalen humanitären
Lage.
Politisch
hätte viel dafür gesprochen, dass Deutschland die
Führung dieser Operation übernimmt. Deutschland hat
traditionell gute, kolonial nicht vorbelastete Beziehungen zu
Afghanistan. Die Deutschen werden in Afghanistan geschätzt.
Und nachdem wir uns an den Kampfeshandlungen in Afghanistan nicht
beteiligt haben, gab es den expliziten Wunsch der Vereinten
Nationen, der USA sowie auf Seiten der Afghanen, dass Deutschland
die Führung übernimmt.
Doch zu einer
solchen Führungsrolle wären wir kaum in der Lage - weder
politisch, denn dies wäre erneut eine schwere Belastungsprobe
für Rot-Grün, noch militärisch, denn die Bundeswehr
macht nach drei Jahren Rot-Grün eine materielle, personelle
und ideelle Auszehrung durch. So sank der deutsche
Verteidigungshaushalt von über 24 Mrd. Euro im Jahre 1999 auf
23,4 Mrd. Euro im Jahre 2001. Ohne die 750 Mio. Euro aus dem nach
den Anschlägen auf die USA bereit gestellten
Anti-Terrorismus-Sicherheitspaket wäre der
Verteidigungshaushalt dieses Jahr gar auf knapp über 23 Mrd.
Euro abgesunken. Ähnlich sieht es beim Entwicklungshaushalt
aus. Während dieser 1998 noch rund 4 Milliarden Euro enthielt,
beläuft er sich in diesem Jahr nur noch auf 3,6 Milliarden
Euro. Hieraus wird deutlich sichtbar, dass rot-grüne
Bekundungen, die Bundesregierung werde Deutschlands gestiegener
internationaler Verantwortung gerecht werden, nicht einer inneren
Überzeugung der gegenwärtigen Bundesregierung entstammen,
sondern nur durch internationalen Druck zustande gekommen
sind.
- Die
Europäer müssen die Amerikaner unter anderem auf dem
Balkan entlasten
Mit dem 11.
September wurde Amerika von einem Tag auf den anderen in neue
Herausforderungen gerissen und wird entsprechend neue
Prioritäten setzen. Washington wird große Anstrengungen
darauf verwenden, die äußerst heterogene internationale
Koalition, die es über die NATO hinaus mit Russland, China,
Pakistan, Indien und den gemäßigten arabischen Staaten
geschaffen hat, zu festigen und den weltweiten Kampf gegen den
Terrorismus auf politischer, militärischer,
nachrichtendienstlicher und wirtschaftlicher Ebene zu koordinieren
und zu führen. Amerika muss damit rechnen, auf Jahre mit
Streitkräften in Zentral- und Südasien gebunden zu
sein.
Die Folgen der
neuen amerikanischen Prioritätensetzung machen sich schon
jetzt auf dem Balkan bemerkbar. Die USA arbeiten an einer
merklichen Reduzierung ihrer dortigen Militärpräsenz und
haben ihren europäischen Verbündeten deutlich
signalisiert, dass dies von europäischer Seite ausgeglichen
werden müsse. Dabei darf nicht übersehen werden ,dass wir
Europäer auch in Zukunft ein großes Interesse an der
militärischen Präsenz Amerikas in Europa und insbesondere
auf dem Balkan haben. Doch wir müssen unsere Erwartungen an
Amerika an die neuen Realitäten anpassen. Europa ist für
Washington nicht mehr Teil des Problems, sondern Teil der
Lösung angesichts wachsender internationaler
Bedrohungen.
Anstatt
entsprechende Schritte der Amerikaner passiv zu erleiden, sollten
wir Europäer von uns aus den Amerikanern anbieten, die
Friedensmissionen nicht nur in Mazedonien, wo wir es im
übrigen weiterhin mit einer NATO-Operation zu tun haben,
sondern auch in Bosnien und mittelfristig im Kosovo in
europäischer Hauptverantwortung durchzuführen und uns
bereits heute darauf einstellen.
Ebenso wenig
ist auszuschließen, dass Amerika bei der Überwachung der
Flugverbotszonen im Norden und Süden des Irak, die es
zunächst gemeinsam mit England und Frankreich, zuletzt nur
noch mit England leistete, einen stärkeren europäischen
Beitrag fordern wird.
Doch um sich
an diesen zusätzlichen Aufgaben beteiligen zu können,
muss Deutschland deutlich mehr für den Wehretat aufbringen.
Struktur und Aufgaben der Streitkräfte und ihre Finanzierung
müssen dringend wieder in Übereinstimmung gebracht
werden. Drei Jahre lang haben die Bundesregierung und die sie
tragenden Fraktionen den Verteidigungsetat drastisch
zusammengestrichen. Die im Rahmen des Anti-Terror-Pakets der
Bundesregierung ab dem nächsten Haushaltsjahr jährlich
bis 2005 vorgesehenen zusätzlichen 1,5 Mrd. DM sind ein
Schritt in die richtige Richtung. Sie helfen der Bundeswehr jedoch
nur aus der allergrößten Not.
Denn allein in
diesem Jahr fehlen der Bundeswehr nach den Berechnungen des
Generalinspekteurs rund 3 Mrd. DM. Und im nächsten Jahr sind
bereits 300 Mio. DM von den zusätzlichen 1,5 Mrd. für die
laufenden Kosten der deutschen Beteiligung an der Operation
ENDURING FREEDOM vorgesehen.
Damit Struktur
und Aufgaben der Streitkräfte und ihre Finanzierung wieder in
Übereinstimmung gebracht werden, brauchen wir umgehend eine
Rückkehr zu dem noch unter der CDU/CSU-Regierung beschlossenen
Finanzplan. Das würde eine Steigerung des
Verteidigungshaushalts auf rund 50 Mrd. DM bedeuten. Schon im
nächsten Jahr muss der Verteidigungsetat um 3 Mrd. DM und
nicht nur um 1,5 Mrd. DM aufgestockt werden.
Die von uns
geforderten zusätzlichen 3 Mrd. DM müssen zum einen in
ein Investitionsprogramm fließen, um die dramatischen
Defizite beim Material abzubauen. Modernstes Gerät für
Kommunikation, Führung und Schutz muss beschafft,
Aufklärung und Bewaffnung müssen grundlegend verbessert
werden.
Für die
Gewinnung von qualifiziertem Personal ist weiterhin ein
überzeugendes Attraktivitätsprogramm notwendig. Für
den schwierigen Dienst im In- und Ausland müssen die
ausreichenden finanziellen und materiellen Voraussetzungen
geschaffen werden, und es muss die soziale Lage der Soldaten
verbessert werden.
- Der
internationale Terrorismus wird sich dauerhaft nur über eine
aktive und umfassende Weltordnungspolitik bekämpfen
lassen.
Präsident
George Bush senior hatte nach dem Golfkrieg von 1990/91 die
Schaffung einer neuen Weltordnung angekündigt. Das
jahrzehntelange amerikanisch-sowjetische Patt im Weltsicherheitsrat
war überwunden und die Erwartungen an eine auf verbindliche
internationale Regelwerke fundierte Weltordnung groß. Auch
Präsident Clinton verfolgte in den ersten Monaten nach seinem
Regierungsantritt 1993 den Anspruch, die amerikanische
Außenpolitik in eine multilateral getragene Weltordnung
einzubinden.
Doch die
neunziger Jahre wurden zum „Jahrzehnt der neuen
Unübersichtlichkeit“. Die amerikanische
Außenpolitik bekam es mit einer wachsenden Anzahl von
„Schurkenstaaten“ zu tun, Wissenschaft und
Politikberatung setzten sich zunehmend mit „failing
states“ auseinander - Afghanistan ist einer von
ihnen.
Ein wirksamer
Kampf gegen den internationalen Terrorismus setzt voraus, dass die
Weltgemeinschaft derartige „schwarze Löcher“ der
Ordnungslosigkeit nicht länger toleriert. Denn die Terroristen
nutzen die Schwäche dieser Länder skrupellos für die
Verfolgung ihrer menschenverachtenden Ziele. Sie haben Afghanistan
gleichsam „gekauft“, um dort ihre Logistik und ihre
Ausbildungslager zu errichten und um weite Teile der
Bevölkerung zu fanatisieren.
Die
Geldquellen, ohne die der internationale Terrorismus seine
zerstörerische Kraft nicht entfalten kann, lassen sich nur
trockenlegen, wenn sich die finanzielle Logistik in all ihren
Verästelungen verfolgen lässt und die entsprechenden
Finanztransfers unterbunden werden können. Der wirksame Kampf
gegen illegalen Drogenanbau und -handel, gegen Geldwäsche und
jede Form von internationaler Kriminalität setzt geordnete
innerstaatliche Verhältnisse in den betroffenen Ländern
voraus. Das gleiche gilt für die Aufdeckung von
Rückzugsräumen und die dauerhafte Auflösung von
Ausbildungslagern für Terroristen.
Gerade hier
sind Deutschland und Europa mindestens ebenso gefordert wie
Amerika. Denn die Europäische Union hat sowohl die
finanziellen Möglichkeiten als auch die jahrelange Erfahrung
beim Aufbau funktionierender öffentlicher Strukturen in den
Transformationsstaaten Mittel- und Osteuropas sowie auf dem Balkan.
Tatsächlich ist die Heranführung der Länder
Ostmitteleuropas an die Europäische Union und ihre Integration
der wichtigste Beitrag, den Europa zur Stabilisierung der Welt
leistet. Gerade die Anpassung der Rechtsräume und die
grenzüberschreitende Zusammenarbeit der
Strafverfolgungsbehörden sind ein wesentlicher Beitrag im
Kampf gegen den internationalen Terrorismus.
Der
internationale Terrorismus, mit dem wir es heute zu tun haben, ist
keine Folge des globalen Wohlstandsgefälles. Die Terroristen
des 11. September kommen weder aus den Slums orientalischer
Großstädte noch aus den palästinensischen
Flüchtlingslagern, noch kämpfen sie für die Rechte
der sozial Unterdrückten. Sie bedienen sich allerdings der
entsprechenden Rhetorik, um ihr mörderisches,
menschenverachtendes Handeln im nachhinein zu legitimieren, und
werben damit erfolgreich für Anhänger. Insofern muss der
Kampf gegen Armut, Überbevölkerung, mangelnde Bildung,
innerstaatliche soziale Missstände und
Modernisierungsblockaden sowie Perspektivlosigkeit auch als ein
Beitrag konzipiert sein, den Nährboden der Sympathisanten des
Terrorismus auszutrocknen.
Die rasante
Globalisierung der Weltwirtschaft, die nicht nur viele Gewinner vor
allem in Industrieländern, sondern auch Verlierer vor allem in
Entwicklungsländern produziert hat, macht diese Aufgabe
wahrlich nicht einfacher. Seit Jahren schon mühen sich
Heerscharen von Experten, ein internationales Ordnungsmodell zu
entwerfen, dass den Bedürfnissen aller an der Globalisierung
partizipierenden Staaten und Menschen gerechter wird.
Ich bin der
Auffassung, dass Deutschlands Erfahrungen aus dem erfolgreichen
Wiederaufbau des kriegszerstörten Westdeutschland, die
Integration von vielen Millionen Vertriebenen und Flüchtlingen
sowie der Aufstieg Deutschlands zu einem wichtigen wirtschaftlichen
und politischen Akteur auf europäischer und internationaler
Ebene hierfür als wertvolle Erfahrung dienen können. Denn
all dies ist der konsequenten Verwirklichung des Konzepts der
Sozialen Marktwirtschaft auf nationaler deutscher Ebene zu
verdanken. Dessen Elemente wie z.B. die Förderung des privaten
Eigentums, ein fairer und freier Leistungswettbewerb, marktgerechte
Preise sowie ein leistungsgerechtes, die Lebensrisiken und
materiellen Notlagen absicherndes Sozialsystem müssen immer
wieder in einem dynamischen Prozeß in eine
wachstumsfördernde und sozial ausgeglichene Balance gebracht
werden. Angepasst an die jeweiligen nationalen Besonderheiten
stellen sie heute die Grundlage für den wirtschaftlichen
Erfolg und Wohlstand auch in vielen anderen Industriestaaten
dar.
Für mich
ist eine logische Konsequenz hieraus, dass sich die Soziale
Marktwirtschaft als geeignetes Grundmodell auf nationaler Ebene
auch in den sich der Globalisierung stellenden
Entwicklungsländern anbietet.
Dabei ist
selbstverständlich, dass diese Staaten dieses Grundmodell
nicht einfach kopieren können, sondern es im Lichte
unterschiedlicher Ausgangsbedingungen, verschiedener
Mentalitäten sowie andersartiger soziokultureller Traditionen
und Strukturen individuell anpassen müssen.
Geht man von
der nationalen Ebene der einzelnen Industrie- und
Entwicklungsländer einen Schritt höher und widmet sich
dem Bereich des zwischenstaatlichen bzw. internationalen
Miteinanders dieser Staaten, stellt sich sofort die Frage nach der
Beschaffenheit einer dieses Miteinander regelnden globalen
Struktur- und Ordnungspolitik.
Auch hier kann
das Modell der Sozialen Marktwirtschaft in Form einer
Internationalen Sozialen Marktwirtschaft das Grundgerüst
für ein System internationaler Kooperation zur Nutzung von
Globalisierungschancen und Bewältigung von
Globalisierungsproblemen liefern. Dabei kann mit Recht darauf
verwiesen werden, dass mit der Schaffung der Europäischen
Union bereits erfolgreich das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft
über die nationalstaatliche Ebene hinaus ausgedehnt
wurde.
Die Fixierung
dieses Prinzips auf der zwischenstaatlichen Ebene impliziert die
Schaffung eines internationalen Rahmens von Regeln und Prinzipien,
der es auch den schwächeren Mitgliedern der internationalen
Staatenfamilie, also in erster Linie den Entwicklungsländern,
ermöglicht, an der Globalisierung mit den gleichen Chancen und
Rechten wie die wirtschaftlich potenteren Länder partizipieren
zu können. Ein Teil dieser Regelwerke kann zusätzlich auf
internationaler Ebene dazu beitragen, die Verwirklichung
wesentlicher Bestandteile der Sozialen Marktwirtschaft auf
nationaler Ebene in den an der Globalisierung partizipierenden
Ländern zu verankern.
Deutschlands
KnowHow und Erfahrungsschatz bei der Realisierung der Sozialen
Marktwirtschaft ist äußerst wertvoll. Wir sollten dies
insbesondere vor dem Hintergrund der Konsequenzen aus dem 11.
September 2001 als besondere Verantwortung Deutschlands begreifen.
Wir sollten in enger Kooperation mit unseren europäischen und
internationalen Partnern noch viel stärker als früher
alle relevanten Felder unserer Politik wie z.B. die Außen-,
Wirtschafts-, Sicherheits-, Finanz-, Forschungs-, Arbeits-,
Sozial-, Rechts- und natürlich Entwicklungspolitik
kohärent und komplementär auf die Verankerung des Modells
der Internationalen Sozialen Marktwirtschaft als Grundmodell
für eine Weltordnungspolitik ausrichten, um so die sich aus
der Globalisierung ergebenden Chancen und Risiken der
Weltwirtschaft gerecht auf Industrie- und Entwicklungsländer
zu verteilen. Wie dringend dieses Anliegen ist, zeigt uns
gegenwärtig die chaotische Situation in Argentinien. In den
vergangenen 20 Jahren hat dieses Land schrittweise die Forderungen
des Internationalen Währungsfonds umgesetzt und galt als
dessen Musterknabe. Auf Druck des Fonds drosselte das Land
über sinkende Reallöhne und steigende Zinsen die
Inlandsnachfrage, erhöhte die Steuern und schränkte seine
Ausgaben insbesondere für Soziales ein. Vor allem die
Sozialsysteme wurden privatisiert. Die Folgen dieses extrem
wirtschaftsliberalen Kurses sehen wir jetzt: Die Regierung ist
quasi handlungsunfähig und die verarmte Bevölkerung zieht
gewalttätig und plündernd durch die Straßen. Und
noch schlimmer: In Argentinien gewinnen politische Kräfte an
Boden, die nach dem abrupten Ausstieg des Internationalen
Währungsfonds aus einer weiteren Unterstützung und der
Absage Argentiniens an einen weiteren Schuldendienst nun gleich
jegliches marktwirtschaftliches Denken über Bord kippen
wollen. Ich bin der festen Überzeugung, dass eine sensible
Anwendung des Modells der Internationalen Sozialen Marktwirtschaft
den Absturz Argentiniens hätte verhindern oder zumindest
abfedern können und zukünftig derartigen Krisen weitaus
besser vorbeugen könnte als die bislang vom Internationalen
Währungsfonds gefahrene und von den USA unterstützte
Strategie, ausschließlich auf die Kräfte des freien
Weltmarktes zu vertrauen und arme und benachteiligte Länder
und Bevölkerungen ihrem Schicksal zu
überlassen.
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