Konstituierung des Bundestages und Rolle des Alterspräsidenten
Der neu gewählte Bundestag wird zu seiner ersten Sitzung
vom bisherigen Bundestagspräsidenten oder ggf. einem seiner
Stellvertreter einberufen. Er bespricht zuvor mit den Beauftragten
der Fraktionen - i. d. R. Parlamentarischen
Geschäftsführern - und dem voraussichtlichen
Alterspräsidenten den Termin und versucht, eine Einigung
über die Wahl des neuen Bundestagspräsidenten und der
Vizepräsidenten zu erzielen und zu klären, ob die
Geschäftsordnung der abgelaufenen Wahlperiode unverändert
übernommen werden soll. Regelmäßig vereinbart wird
auch die Bestellung von vorläufigen Schriftführern.
Den Vorsitz in der ersten Sitzung des Bundestages führt nach
allgemein beachtetem Parlamentsbrauch das an Jahren älteste
Mitglied des Bundestages (§ 1 Abs. 2 GOBT). Der Zufall wollte
es, dass im ersten Bundestag 1949 Paul Löbe, der
langjährige und hochangesehene Reichstagspräsident der
Weimarer Republik, und nach ihm unter anderem drei ehemalige
Bundeskanzler die Aufgabe des Alterspräsidenten wahrnahmen
(Konrad Adenauer 1965, Ludwig Erhard 1972, 1976 und Willy Brandt
1983, 1987 und 1990), während mit dem Schriftsteller Stefan
Heym 1994 erstmals ein Abgeordneter aus den neuen
Bundesländern als Alterspräsident amtierte. Der
Alterspräsident eröffnet die Sitzung mit einer Ansprache,
die dazu beitragen soll, die "Wunden" des Wahlkampfes zu heilen,
indem er an die gemeinsamen Verfassungsgrundsätze und
demokratischen Spielregeln und, wie Willy Brandt, an die notwendige
"Pflege der demokratischen politischen Kultur" erinnert, "die nicht
institutionell zu sichern ist, sondern die täglich erfahrbar
gemacht werden muss". Eine Aussprache zur Rede des
Alterspräsidenten ist unüblich. Alle bisherigen
Alterspräsidenten haben den Vorsitz an den neuen
Bundestagspräsidenten unmittelbar nach dessen Wahl abgegeben.
Danach übt der Alterspräsident keine Funktionen mehr aus,
da angesichts mehrerer Vizepräsidenten eine Leitung von
Plenarsitzungen - wie sie bei Verhinderung des Präsidiums nach
§ 8 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundestages (GOBT)
möglich wäre - faktisch nicht erfolgt.