Das Präsidium
Erheblich aufgewertet wurde seit Beginn der 6. Wahlperiode im
Jahre 1969 das Präsidium, dem der Präsident und die
Vizepräsidenten angehören. Nach wie vor besitzt das
Präsidium rechtlich nur wenige Befugnisse. Neben der oben
dargestellten Mitwirkung bei Personalentscheidungen und beim
Abschluss von Verträgen ist es seit 1972 daran beteiligt,
über die Einhaltung der Verhaltensregeln durch die
Abgeordneten zu wachen (Anlage 1 GOBT). Zudem wurden dem
Präsidium mit der Neuregelung der Parteienfinanzierung 1984/89
durch Gesetz neue Aufgaben zugewiesen (§ 23a Parteiengesetz).
Demnach ist es Aufgabe des Präsidiums, gesetzeswidrig
eingenommene Spenden an Einrichtungen zu verteilen, die
mildtätigen, kirchlichen, religiösen oder
wissenschaftlichen Zwecken dienen.
In der Parlamentspraxis befasst sich das Präsidium mit allen
wichtigen Aufgaben und Fragen, die dem Präsidenten selbst oder
dem amtierenden Präsidenten übertragen sind und
entscheidet zwar nicht rechtlich, aber faktisch. Zu seinen Aufgaben
gehören die Genehmigung von Delegationsreisen von Abgeordneten
ins Ausland, die Konstituierung von Parlamentariergruppen, die
Öffentlichkeitsarbeit und Außendarstellung des
Bundestages, der Empfang ausländischer Delegationen, die
Angemessenheit der Abgeordnetenentschädigung und nicht zuletzt
Geschäftsordnungsfragen und Ordnungsmaßnahmen.
Die Aufwertung des Präsidiums als kollegiales Beratungsorgan,
das in Sitzungswochen regelmäßig und etwa ebenso oft
tagt wie der Ältestenrat, ergibt sich konsequent aus der
abwechselnden Leitung der Plenarsitzungen, die eine
gleichgewichtige kollegiale Beratung aller damit
zusammenhängender Fragen nach sich zieht. Behandelt werden
aber auch alle einigermaßen wichtigen Fragen, die in die
Entscheidungskompetenz des Präsidenten selbst fallen.
Allerdings werden viele der im Präsidium angesprochenen Fragen
noch einmal im Ältestenrat besprochen.
Faktisch handelt der Präsident im Präsidium seit 1969
zunehmend als primus inter pares. Vor allem aufgrund ihrer
gemeinsamen Verantwortung für die Plenarsitzungen ist den
Präsidiumsmitgliedern an einvernehmlichen Regelungen und
Absprachen gelegen. Aber auch bei Entscheidungen, die in den
Zuständigkeitsbereich des Bundestagspräsidenten selbst
fallen, sind diese meist an einvernehmlichen Voten des
Präsidiums interessiert. Trifft der Präsident eine
Entscheidung in einer wichtigen Angelegenheit alleine, muss er ggf.
mit entschiedener Kritik in der nächsten Sitzung des
Ältestenrates und möglicherweise mit
Unmutsäußerungen aus den Fraktionen rechnen. Dies ist
zumal dann der Fall, wenn seine Entscheidungsbefugnis nicht
unumstritten ist.
Die regelmäßigen Präsidiumssitzungen haben den
Sinn, die Sitzungen des Ältestenrates zu entlasten. Bei
entsprechender Vorberatung im Präsidium können manche
Erörterungen im Ältestenrat abgekürzt und
gelegentlich auch kontroverse Punkte vorab geklärt werden.
Bemerkenswert ist, dass sich eben auch "kollektive" Interessen der
Präsidiumsmitglieder bilden, die gelegentlich im
Ältestenrat und gegenüber den Parlamentarischen
Geschäftsführern gemeinsam vertreten werden.