Der Wehrbeauftragte als Petitionsinstanz für Soldaten
Jeder Soldat hat das Recht, sich einzeln und ohne Einhaltung des Dienstweges an den Wehrbeauftragten zu wenden. Bei der Wahrnehmung seines Petitionsrechtes kann der Soldat dem Wehrbeauftragten - ohne an Fristen gebunden zu sein - alles das vortragen, was er nach seiner subjektiven Bewertung als unrichtig und ungerecht empfindet. Anders als bei der Beschwerde nach der Wehrbeschwerdeordnung braucht eine sogenannte Beschwer nicht vorzuliegen. Die Eingaben können daher die ganze Breite dienstlicher, persönlicher und sozialer Probleme des militärischen Alltages betreffen. Dazu gehören Fragen aus dem weiten Gebiet der Menschenführung (z. B. Rechte und Pflichten der Soldaten, Führungsstil und Führungsverhalten, militärische Ausbildung, Anwendung des Disziplinarrechtes, Beschwerderechtes sowie Beteiligungsrechtes, Dienstzeitregelung), die Personalführung der Berufs- und Zeitsoldaten (z.B. Laufbahnfragen, Versetzungen und Kommandierungen, Beurteilungen), die personellen Fragen der Wehrpflichtigen (z.B. Einberufungen, Ort und Art der Verwendung, Entlassungen), Fragen der Heilfürsorge, der Unterbringung, Bekleidung und Betreuung, aber auch solche des Besoldungsrechtes sowie der Dienstzeitversorgung. Es ist nicht erforderlich, dass der Soldat sein Anliegen persönlich dem Wehrbeauftragten vorträgt. Mit einer Eingabe können sich auch Kameraden, Vertrauenspersonen oder Familienangehörige zugunsten der Belange eines Soldaten an ihn wenden. Viele Ehefrauen von Soldaten tragen ihm, die sich aus dem Dienstverhältnis ihres Ehemannes ergebenden familiären Schwierigkeiten, vor. Vor einer Überprüfung des vorgetragenen Sachverhaltes wird das Einverständnis des Soldaten eingeholt.
Über die Aufgaben und Befugnisse des Wehrbeauftragten werden alle Soldaten zu Beginn der Grundausbildung und erneut nach Versetzung in die Stammeinheit unterrichtet (Erlass "Truppe und Wehrbeauftragter", Ziff. 10). Der Soldat darf wegen der Anrufung des Wehrbeauftragten nicht dienstlich gemaßregelt oder benachteiligt werden. Er genießt den Schutz des Petitionsrechtes. Dieses Petitionsrecht gilt selbstverständlich nicht für Behauptungen, die bewusst wahrheitswidrigen, beleidigenden oder verleumderischen Charakter haben. In diesen Fällen trägt der Petent die volle disziplinare und strafrechtliche Verantwortung. Allerdings werden bei der Inanspruchnahme des Petitionsrechtes die Grenzen der zulässigen Meinungsäußerung weit gezogen. Der Petent soll durch seine Eingaben sein Herz ausschütten dürfen und hierfür nicht benachteiligt werden. Bei Übertreibungen und voreiligen Schlussfolgerungen soll er ebenso geschützt sein wie bei Eingaben, die mit Emotionen geschrieben wurden.
Zivile Mitarbeiter der Bundeswehr können sich nicht mit einer Petition an den Wehrbeauftragten wenden. Allerdings können durch sie bekannt gewordene Sachverhalte Anlass für den Wehrbeauftragten sein, tätig zu werden. Das gleiche gilt für Hinweise von Personen außerhalb der Bundeswehr.
Das Eingabeverfahren läuft im Regelfall wie folgt ab:
Der Wehrbeauftragte überprüft, ob der in einer Eingabe
vorgetragene Sachverhalt auf eine Verletzung von Grundrechten der
Soldaten oder Grundsätzen der Inneren Führung
schließen lässt. Ist dies der Fall, wendet sich der
Wehrbeauftragte mit der Bitte um Stellungnahme an die Dienststellen
im Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung, die
nach dem Vortrag des Petenten für eine unbefangene,
sachgerechte und zügige Bearbeitung am ehesten geeignet
erscheinen und die gegebenenfalls Abhilfe schaffen können. Bei
Eingaben, die das Vorgesetzten/Untergebenenverhältnis in der
Truppe berühren, ist dies in der Mehrzahl der Fälle die
Batallionsebene. Bei rechtlich schwierigen oder schwerwiegenden
Fällen wird im allgemeinen von vornherein die Divisionsebene
eingeschaltet.
Liegen die angeforderten Stellungnahmen und Ermittlungsunterlagen vor, wird geprüft, ob sachgerecht ermittelt, Beweise richtig gewürdigt, das Vorbringen sachgerecht bewertet und Fehlverhalten angemessen geahndet wurde. Ist dies der Fall, wird dem Petenten das Ergebnis der Überprüfung mitgeteilt. Die Truppe erhält einen Nebenabdruck des Abschlussschreibens.
In der überwiegenden Zahl der Fälle entsprechen die Ermittlungen und Stellungnahmen den an sie aus der Sicht des Wehrbeauftragten zu stellenden Anforderungen. Dennoch gibt es eine Vielzahl von Fällen, in denen eine weitere vorgesetzte Dienststelle zur nochmaligen Überprüfung eingeschaltet wird. Es ist kein Einzelfall, dass hierbei auch der Bundesminister der Verteidigung selbst um seine Stellungnahme gebeten wird. In einer nicht unerheblichen Zahl von Fällen, in denen es um Fragen von grundsätzlicher oder besonderer politischer Bedeutung geht, ist er verständlicherweise in erster Linie Ansprechpartner für den Wehrbeauftragten.
Ist neben einer Eingabe ein sachgleiches Wehrbeschwerde-, Disziplinar-, Straf- oder Verwaltungsstreitverfahren anhängig, so entspricht es ständiger Praxis des Wehrbeauftragten, unter Beachtung des Grundsatzes der Gewaltenteilung in dieses Verfahren generell nicht mit Wertungen einzugreifen. Er setzt die eigenen Untersuchungen aus, bis eine unanfechtbare Entscheidung vorliegt. Eine Ausnahme ist denkbar, wenn der konkrete Vorfall Anlass zu Erwägungen und Schlussfolgerungen gibt, die über den vorgegebenen Sachverhalt hinausgehen.
Die Wahrnehmung der beiden Funktionen - Kontrollorgan über die Streitkräfte sowie Petitionsinstanz für die Soldaten - ist verständlicherweise nicht immer konfliktfrei. Als Kontrollorgan obliegt es dem Wehrbeauftragten, darüber zu wachen, das Recht und Gesetz eingehalten werden. Hierbei kann sich ergeben, dass die Beachtung der Vorschriften, die die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte gewährleisten sollen, mit den Individualinteressen des einzelnen Petenten im Widerstreit stehen können.