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121/2004
Stand: 05.05.2004
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Nachträgliche Sicherungsverwahrung unter Experten umstritten

Rechtsausschuss (Anhörung)

Berlin: (hib/HAU) Unterschiedlicher Ansicht sind Experten hinsichtlich der Frage einer nachträglichen Sicherungsverwahrung von gefährlichen Straftätern. Dies wurde während einer öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss am Mittwochnachmittag deutlich. Diskutiert wurden Gesetzentwürfe der Bundesregierung (15/2887), der CDU/CSU-Fraktion (15/2576) sowie des Bundesrates, welche die Möglichkeit der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung bei Straftätern vorsehen, bei denen sich erst nach der Verurteilung oder gar erst gegen Ende des Vollzuges der Freiheitsstrafe eine anhaltende Gefährdung für die Allgemeinheit ergibt.

Aus Sicht von Professor Rolf-Peter Caliess sind die Entwürfe zur Neuregelung der Sicherheitsverwahrung "weder geeignet, noch erforderlich". Es gebe derzeit lediglich zehn Strafgefangene, für die diese Regelungen gelten könnten. Im Übrigen sprächen auch verfassungsrechtliche Gründe dagegen. Oberstaatsanwalt Christoph Frank vom Deutschen Richterbund erachtete hingegen gesetzliches Handeln in dieser Frage für nötig, auch wenn es nur um einen sehr kleinen Täterkreis ginge. Der Staat habe die Pflicht, die Bürger vor gefährlichen Straftätern zu schützen. Die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung sei dafür durchaus geeignet. Keine Einwände aus verfassungsrechtlicher Sicht erhob Professor Peter M. Huber von der Ludwig-Maximilians-Universität München gegen die Entwürfe. Die Gesetzgebungskompetenz liege eindeutig beim Bund. Widersprüche zu den Anordnungen der Europäischen Menschenrechtskonvention sehe er nicht, sagte Huber. Allerdings müsse bei der nachträglichen Sicherheitsverwahrung die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben, sie bleibe daher immer nur die "ultima ratio".

Die stellvertretende Leiterin der Justizvollzugsanstalt Bayreuth, Maria-Anna Kerscher, sprach sich für die Möglichkeit der nachträglichen Sicherheitsverwahrung aus. Die Praxis habe gezeigt, dass eigentlich therapieunwillige Gefangene unter dem Druck dieser Maßnahme sich doch zu Behandlungen bereit erklärt hätten. Die Entscheidung über die Anordnung der Sicherungsverwahrung solle ihrer Ansicht nach der Strafvollstreckungskammer zugewiesen werden. Dieser sei die Entwicklung der Gefangenen bekannt und sie könne daher sachgerecht entscheiden. Professor Norbert Leygraf vom Institut für Forensische Psychiatrie Essen befürchtet hingegen eine Blockierung von Therapieplätzen von Straftätern, die nicht an einer Behandlung interessiert seien, sondern lediglich die nachträgliche Sicherungverwahrung vermeiden wollten. Die vorhandenen Regelungen reichten seiner Meinung nach aus, da in der Praxis schon vorher erkennbar sei, wer rückfallgefährdet ist. Jörg Kinzig vom Max-Planck-Institut Freiburg sieht "gravierende verfassungsrechtliche Bedenken" bei der Einführung einer isolierten nachträglichen Sicherungsverwahrung, da sie einer Doppelbestrafung gleich käme. Außerdem sei sie ein Verstoß gegen die Europäischen Menschenrechtskonvention und dem westeuropäischen Rechtsdenken fremd. Der Vorsitzende Richter a.D. am Bundesgerichthof Stuttgart, Gerhard Schäfer, bezweifelte die Zuverlässigkeit der Prognosen, welche die Grundlage einer nachträglichen Sicherungsverwahrung bilden. Er habe in seiner Tätigkeit zu viele "haarsträubende" Sachverständigenprognosen gehört. Angesichts der Unsicherheit prognostischer Begutachtung halte er es daher für notwendig, bei der nachträglich anzuordnenden Sicherungsverwahrung formelle Anordnungsvorraussetzungen vorzusehen, um Fehler möglichst zu vermeiden.

Quelle: http://www.bundestag.de/bic/hib/2004/2004_121/04
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