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Stand: 19.10.2001
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Christel Riemann-Hanewinckel zu Expertenanhörung

Die Vorsitzende des Auschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Christel Riemann-Hanewinckel, MdB, erklärt zu der Anhörung von Expertinnen und Experten zum Thema "PID und PND aus frauenspezifischer Sicht", die am 17.Oktober 2001 vor dem Ausschuss stattfand:

Früher bezeichnete man eine schwangere Frau als in "guter Hoffnung". Ein Kind zu erwarten, war damit in jedem Fall positiv belegt, und nicht etwa vergleichbar mit einer Krankheit. Die Anhörung hat - nicht nur bei mir - den Eindruck bestätigt, dass die Vorteile der medizinischen Möglichkeiten der vorgeburtlichen Kontrolle sich immer mehr ins Gegenteil verkehren - sozusagen vom Segen zum Fluch werden. Die Sachverständigen haben bestätigt, dass die pränatale Diagnostik ursprünglich für sogenannte "Risikoschwangere" gedacht war und sich zum Normalfall entwickelt hat. Den Schwangeren wird dieses "Standardpaket" geradezu aufgedrängt. Der Diagnose, der keinerlei Therapiemöglichkeiten folgen kann, sondern nur eine Entscheidung zur Selektion befördert, setzt werdende Mütter damit auch unter den Zwang, ein Kind nur dann auszutragen, wenn die Gesundheit des werdenden Kindes im Hinblick auf einige wenige Krankheiten medizinisch positiv besiegelt ist. Sie erleben deshalb bis zu diesem Punkt ihre Schwangerschaft zunehmend mit Ängsten. Gleichzeitig werden falsche Sicherheiten suggeriert - die Mutter, die sich vor einem behinderten Kind "sicher fühlt", weil sie alle Untersuchungen absolviert hat, weiß vielleicht nicht, dass die meisten Behinderungen während oder nach der Geburt entstehen. Deshalb gibt es keine Garantien für ein gesundes Kind. Auf der anderen Seite gibt es genügend Belege dafür, dass gerade bei dem TripleX Test Embryos zu Unrecht als wahrscheinlich behindert eingestuft werden. Aber eine solche Diagnose führt in 98% aller Fälle zum Abbruch. Nicht abzusehen sind bis jetzt auch die innerfamiliären Folgen, z. B. unter Geschwisterkindern, wenn das nach PID geborene, nicht behinderte Kind, das behinderte Geschwisterkind als Wesen erlebt, um dessen Vermeidung willen die Methode gewählt wurde. Zusätzlich erhöht sich der Druck auf Eltern und Kind, nun "perfekt" zu sein und all das zu leisten, was einem beeinträchtigten bezw. behinderten Kind nicht möglich ist. Damit verändert die präntatale Diagnostik letztlich das Bild vom Menschen: aus dem Geschöpf wird ein Produkt, weil durch die technisch mögliche Selektion Normen aufgestellt werden, denen es zu entsprechen gilt.

Kritisiert wurde in der Anhörung zu Recht auch die Konkurrenzsituation zwischen den Ärzten, den Hebammen und den Beratungsstellen. Frauen werden über ihren Rechtsanspruch auf Beratung, den sie nach dem Schwangeren-und Familienhilfegesetz haben, nicht informiert. Nicht einmal im Mutterpass wird ein solcher Hinweis gegeben. Durch diese fehlende psychosoziale Beratung wird der Frau eine wichtige Unterstützung vorenthalten bei der Entscheidung, ob zum Beispiel eine Schwangerschaft trotz möglicher Behinderung des Kindes fortgesetzt werden soll.
In dieser Legislaturperiode wird dieses Thema voraussichtlich nicht abschließend geregelt. Bis zu den Empfehlungen der zuständigen Enquetekommission und des Nationalen Ethikrates bleibt aber zu hoffen, daß dieses Thema in der Bevölkerung breit und ausführlich diskutiert wird und Anstöße für die politische Diskussion und Entscheidung gegeben werden.

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Quelle: http://www.bundestag.de/bic/presse/2001/pz_0110193
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