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Juni 01/1998
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Castor: Heftige Debatte im Plenum

(um) Die Energieversorgungsunternehmen haben, so die Sozialdemokraten bei der Bundestags-Debatte über die Sicherheit von Castor-Transporten am 27. Mai, mehr als zehn Jahre geschwiegen, und das zum Teil über gravierende Verstöße. Es habe bei Castor-Transporten Verstrahlungen gegeben, so Michael Müller (SPD), die teilweise mehr als das Dreitausendfache des Grenzwertes erreicht hätten. Wenn dies keine massiven Verstöße gegen Vorsorge und Sicherheit seien, so Müller, dann stelle sich die Frage, was sonst unter massiven Verstöße zu verstehen ist. Dadurch würde das Vertrauen in die Technik und in die Rechtmäßigkeit der Politik zerstört.
Nach Müller besteht eine eindeutige politische Verantwortung des Umweltministeriums, auch wenn die Ministerin selbst von den Vorgängen keine Kenntnis hatte. Denn wenn trotz der wissenschaftlichen Debatte über die Sicherheit der Transporte, trotz der Veröffentlichung in zahlreichen Publikationen und trotz der Diskussionen auf Fachkongressen erklärt werde, das Ministerium habe von etwaigen Sicherheitsrisiken nichts gewußt, stelle sich die Frage, wie dieses Ministerium organisiert sei. Eine solche Aussage über Unwissenheit bei Radioaktivität sei nicht hinzunehmen.
Joseph Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) warf der Ministerin vor, sie versuche sich gegenwärtig "aus der politischen Verantwortung zu stehlen", in dem sie den Bundesländern die Schuld zuweise. Sie sei offensichtlich der Meinung, sie könnte die Verantwortung bei den Länder ablegen.
Dabei sei die Ministerin doch diejenige gewesen, die gegenüber den Ländern in einem solchen Maße mit Weisungen gearbeitet habe, daß ihr Vorgänger, Klaus Töpfer, jetzt als Waisenknabe erscheine. Jedesmal, wenn ein Land "aus dem betreiberfreundlichen Gesetzesvollzug ausscheren " wollte, sei eine Weisung aus Bonn gekommen. Und nun stehe die Ministerin "wie ein begossener Atompudel" dar und verkünde, "meine Name ist Hase, ich weiß von nichts und trage auch keine Verantwortung dafür".
Rolf Köhne (PDS) wies darauf hin, nach Aussagen der Ministerin sei aus Gesprächen mit den Energieversorgungsunternehmen nicht hervorgegangen, daß Landesbehörden von den Kontaminationen gewußt hätten.
Andernfalls müsse jetzt, so Köhne, von seiten der Ministerin erklärt werden, welche Länderministerien dieses gewesen seien. Vor allem aber sei dann zu erklären, warum es nicht die Pflicht dieser Behörden gewesen sei, das Bundesumweltministerium unverzüglich zu informieren. Diese Frage ist nach Ansicht von Köhne von ganz eminentem öffentlichem Interesse.
Birgit Homburger (F.D.P:) betonte demgegenüber, das Hin- und Herschieben von Verantwortung, wie es hier stattfinde, seien die Menschen leid.
Die Bürger erwarteten vielmehr eine lückenlose Aufklärung der Vorgänge. Grenzwertüberschreitungen müßten zudem technisch ausgeschlossen werden, bevor weitere Castor-Transporte genehmigt werden könnten. Ferner müßten, so Homburger, die betroffenen Kernkraftwerksbetreiber und die Transportfirmen nicht nur organisatorische, sondern auch personelle Konsequenzen ziehen. Transparenz und Vertrauenswürdigkeit müßten künftig zur Unternehmensphilosophie werden. Wer diesen Leitlinien nicht gerecht werde, der sei für verantwortliche Posten in der Risikobranche Atomenergie nicht qualifiziert.
Kurt-Dieter Grill (CDU/CSU) warf Mitgliedern der SPD vor, sie habe überhaupt keine Veranlassung, der Bundesregierung vorzuwerfen, sie ginge mit dem Thema unsensibel und konzeptionslos um. Sie habe vielmehr gemeinsam mit der CDU/CSU 1990 die Beschlüsse zu den Castor-Transporten gefaßt.
Es sei erschütternd, daß die Sozialdemokraten in anderen politischen Fragen Rationalität und Vernunft einforderten und den Unionspolitikern vorwürfen, schürten sie die Ängste der Menschen, nun aber selbst die Bürger wider besserer Erkenntnis ihrer eigenen Landesbehörden verunsicherten. Dies sei, so Grill, schriftlich dokumentiert. Joseph Fischer bezeichnete der Grill in seinen Ausführungen als Verleumder. Er habe vor dem Parlament Behauptungen aufgestellt, für die es keinerlei Beweise gebe.
Das Parlament hat am 27. Mai außerdem zwei Initiativen der Opposition zurückgewiesen. Die SPD hatte in einem Entschließungsantrag (13/10820) in einem Punkt gefordert, die Bundesregierung sollte allen konkreten Hinweisen nachgehen, wonach das Umweltministerium und die Bundesbehörden bereits seit geraumer Zeit über die Verstrahlung informiert gewesen seien. In ihrem Entschließungsantrag (13/10813) hatten Bündnis 90/Die Grünen unter anderem gefordert, die Umweltministerin solle die politischen Konsequenzen aus den Vorfällen um die Castor-Transporte ziehen und zurücktreten.
Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9801/9801019a
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