Deutscher Bundestag
English    | Français   
 |  Sitemap  |  Kontakt  |  Fragen/FAQ
Druckversion  |       
Startseite > Blickpunkt Bundestag > Blickpunkt Bundestag - Jahresübersicht 1998 > Blickpunkt Bundestag - Juni 1998, Nr. 1/98, Seite 2, Inhalt >
Juni 01/1998
[ zurück ]   [ Übersicht ]   [ weiter ]

Bundestagsvizepräsident Burkhard Hirsch (F.D.P.)

B. Hirsch

Was war während Ihrer Mitgliedschaft im Bundestag der spannendste und aufregendste Moment?
Der Tag, an dem die Mauer fiel und wir plötzlich begriffen, daß wir nach 40 Jahren an dem Ziel angekommen waren, das wir uns immer gewünscht haben, nämlich die deutsche Wiedervereinigung. Als zweitwichtigsten Tag möchte ich den Tag der Regierungserklärung von Willy Brandt nennen, als ich 1972 zum ersten Mal in den Bundestag gewählt worden war und eine wirklich bewegende Regierungserklärung unter dem Stichwort "Mehr Demokratie wagen" abgegeben wurde. Ich habe damals kurz danach bei der Haushaltsberatung meine erste Rede im Bundestag halten können/müssen, die ich heute noch genauso halten würde, mit einer einzigen Ausnahme. Ich habe damals die Kernenergie als besonders umweltfreundlich erwähnt. Eine Bemerkung, die ich schon kurz danach im Zusammenhang mit der Lagerproblematik als falsch erkannt habe und die die einzige parlamentarische Äußerung ist, die ich am liebsten ausradieren möchte, eine Dummheit, die ich mir nie verziehen habe.

Was kann der einzelne Abgeordnete politisch erreichen?
Das kommt darauf an, wie gut er ist und ob er sich mit seiner Fraktion im Einklang befindet oder nicht. Wenn die Kraft des gesprochenen Wortes eine politische Bedeutung bekommen soll, dann nur, wenn man nicht an 6 oder 7 Minuten Redezeit gebunden ist. Aber wenn ein Abgeordneter sich einen Namen gemacht hat, wenn er den Zugang zu den Medien gefunden hat, dann kann er erheblichen politischen Einfluß ausüben. Angesichts der zunehmenden "Hierarchisierung" des Parlaments ist das aber " wie gesagt " sehr schwer, wenn der Abgeordnete von den Positionen seiner Partei abweicht und wenn er trotzdem die Vorstellung hat, eine Karriere machen zu wollen oder zu können.

Erinnern Sie sich an eine besondere parlamentarische Anekdote?
Am meisten Vergnügen haben die Wetten gemacht, ob man bestimmte Redewendungen oder wer als erster eine bestimmte Redewendung in eine Rede einbauen könne, ohne daß das auffällt. So hatte ich nach einer Ballonfahrt mit dem schwergewichtigen Geschäftsführer unserer Fraktion, Torsten Wolfgram, darüber gewettet, wer als erster das Jules Verne-Zitat "Ballonfahren ist das Größte" unterbringen könnte, eine Wette, die ich nur deswegen verloren habe, weil er als Geschäftsführer eine Änderung der Tagesordnung des Plenums und damit durchsetzte, daß der Punkt zuerst behandelt wurde, bei dem er sprechen sollte, nämlich die Haftung für Unfälle bei Schleppliften, während ich dasselbe Zitat bei einer Rede über die Reform der Verwaltungsgerichtsordnung unterbrachte, aber eben " wie gesagt " als zweiter. Ebenso habe ich gewettet über die Formulierung "Nieder in den Staub mit den Feinden Brandenburgs" " erfolgreich " ebenso haben wir gewettet, daß jeder Teilnehmer an einer Reise nach China in seiner ersten Rede die Worte unterbringen müsse: "In einer Nacht in der Chinesischen Staatsbahn 1. Klasse" " es gelang allen in einer Haushaltsdebatte, was dem Plenum aber schließlich doch auffiel, weil hintereinander vier Redner mit dieser Formulierung aufwarteten, Frau Vollmer gleich fünfmal.

Wurden Ihnen Abgeordnete anderer Fraktionen zu wirklichen Freunden oder Freundinnen?
Ja, wobei ich hinzufügen muß, daß die Freundschaften, die ich in der sozial-liberalen Koalition gefunden hatte, die dauerhaftesten waren. Im übrigen ist der Begriff "Freund" in der Politik so schillernd, daß es schwer ist, darüber etwas zu sagen. Es ist schwer, in der Politik Freundschaften zu schließen, und zwar unabhängig davon, ob sie sich auf die eigene Fraktion beziehen oder auf andere, und es werden Freundschaften in diesem Bereich auf eine harte Probe gestellt. Ich habe in meiner Fraktion und zu Mitgliedern anderer Fraktionen Freundschaften geschlossen, von denen ich weiß, daß sie halten werden. Ich habe in meiner Fraktion und in anderen Fraktionen aber auch Menschen kennengelernt, die mich zunächst interessierten und denen inzwischen meine Verachtung gilt.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9801/9801078b
Seitenanfang [TOP]
Druckversion Druckversion