Deutscher Bundestag
English    | Français   
 |  Sitemap  |  Kontakt  |  Fragen/FAQ
Druckversion  |       
Startseite > Blickpunkt Bundestag > Blickpunkt Bundestag - Jahresübersicht 1998 > Blickpunkt Bundestag - Dezember 1998, Nr. 6/98, Inhalt >
Dezember 06/1998
[ zurück ]   [ Übersicht ]   [ weiter ]

"Menschenrechte sind lebendige Materie"

W. Thierse
"Wir müssen die Vision erneuern", sagte UN-Hochkommissarin Mary Robinson in Paris anläßlich des  50. Jahrestages der Menschenrechtserklärung. Es sei dringend nötig, dieses Dokument wieder ins Bewußtsein zu rücken. Das will auch der Deutsche Bundestag.  Erstmals in seiner Geschichte  hat er  einen eigenen Ausschuß für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe eingerichtet. Und so betonte Bundestagspräsident Wolfgang Thierse bei einem Gespräch mit Preisträgern des Amnesty-International-Menschenrechtspreises, daß Fragen der Menschenrechte in der zukünftigen parlamentarischen Arbeit "kein geringerer, sondern ein höherer Stellenwert eingeräumt"werde. Mit dem neu eingerichteten Ausschuß habe der Bundestag hierfür bereits Akzente gesetzt. Für die Arbeit der Gefangenenhilfsorganisation fand Thierse lobende Worte: "Amnesty International ist nicht nur eine Hilfe für die Wahrung der Menschenrechte im Ausland, sondern auch wichtig für unser Bewußtsein im eigenen Land."
Bundesaußenminister Joschka Fischers Lob an Amnesty International geht sogar noch weiter: "Nur die Stärkung der Menschenrechte schafft die Voraussetzung für dauerhaften Frieden, soziale und umweltverträgliche Entwicklung. Wir stellen deshalb die Menschenrechtspolitik in das Zentrum unserer Außenpolitik."Wie ernst es ihm damit ist, zeigte nicht nur seine Rede bei der ersten Sitzung des neu gegründeten Ausschusses, sondern auch sein Treffen mit dem chinesischen Bürgerrechtler Wei Jingsheng, das von Seiten der Volksrepublik China kritisiert wurde. Zudem wollen er und sein britischer Amtskollege Robin Cook erreichen, daß die Europäische Union (EU) einen jährlichen Bericht über die Menschenrechtslage in Nicht-EU-Staaten veröffentlicht. Ein von beiden unterzeichnetes entsprechendes Schreiben ist der österreichischen EU-Präsidentschaft übergeben worden.
Kein anderes internationales Dokument ist so oft zitiert, aber auch so oft mißachtet worden wie die am 10. Dezember 1948 in Paris von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Vormals kommunistische Ostblock-Staaten wie die Sowjetunion, aber auch Saudi-Arabien und der Apartheidsstaat Südafrika hatten sich seinerzeit bei der Abstimmung enthalten.
Die Menschenrechtserklärung als Antwort der internationalen Völkergemeinschaft auf die Verbrechen des Nationalsozialismus sollte künftige Konflikte verhindern und internationale Beziehungen wieder im Geiste des Friedens, der Gerechtigkeit und des Fortschritts ermöglichen. Obwohl die Bestimmungen unverbindlich sind, markiert die Erklärung die erstmalige Festschreibung von Menschenrechten auf internationaler Ebene. Bis heute hat die Erklärung nichts von ihrer Aktualität und ihrem richtungsweisenden Charakter eingebüßt: Im Juni 1993 bekräftigten 171 Staaten auf der Wiener Menschenrechtskonferenz ihre Verpflichtung gegenüber den 30 Artikeln des Dokuments. Diese  umfassen nicht nur grundlegende politische und Bürgerrechte, sondern auch wirtschaftliche und soziale, wie das Recht auf Eigentum (Artikel 17) und Arbeit (Artikel 23). Die Präambel der Erklärung fordert von den Unterzeichnerstaaten "die Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Familie innewohnenden Würde und ihrer gleichen und unveräußerlichen Rechte".
Die Mütter und Väter der Erklärung ? unter ihnen auch die Ehefrau des ehemaligen US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt ? sahen in dieser Verpflichtung "die Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt".
"Feierstunden sind gefährlich für die Menschenrechte", erklärte Bundestagsabgeordnete Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) am 10. Dezember in der Debatte zum 50. Jahrestag der Erklärung, "weil sie dem Irrglauben Nahrung geben können, Menschenrechtspolitik sei ein feierlicher Luxus, den man sich nur an besonderen Tagen leisten kann". Gefeiert wurde ohnehin weder im Bonner Regierungsviertel noch in der Seine-Metropole, dem offiziellen Ort des Gedenktages. So sprach Bundestagspräsident Thierse in seiner Rede zum Jahrestag der Erklärung davon, daß auch heute noch, ein halbes Jahrhundert nach ihrer Verabschiedung durch die UN-Versammlung, "Willkür und Unterdrückung, Folter, Terror und Massenvergewaltigungen in den verschiedensten Ländern der Welt an der Tagesordnung" sind. Und der französische Präsident Jacques Chirac erinnerte vor Friedensnobelpreisträgern, demokratischen Politikern und Vertretern von Menschenrechtsgruppen aus der ganzen Welt daran, daß in der Hälfte der Staaten der Welt immer noch Menschen gefoltert würden. An den einwöchigen Gedenkveranstaltungen in Paris nahmen unter anderem UN-Generalsekretär Kofi Annan, das geistliche Oberhaupt der Tibeter, der Dalai Lama, der chinesische Dissident Wei Jingsheng und US-Außenministerin Madeleine Albright teil. Popstars wie Alanis Morissette, Peter Gabriel, Bruce Springsteen und Tracy Chapman traten bei einem von Amnesty International veranstalteten Konzert auf.
Die deutsche Sektion von Amnesty International hielt vom 4. bis 6. Dezember einen Menschenrechtskongreß in der Frankfurter Paulskirche ab. Er war Höhepunkt und Abschluß der ai-Kampagne "Zeit zu handeln", die zum Jubiläum der Menschenrechtserklärung gestartet wurde. In ihrem neuesten Bericht dokumentiert die Menschenrechtsorganisation in 141 Staaten Verletzungen der Menschenrechte. Danach wurde 1997 in 117 Ländern gefoltert und mißhandelt.
Dennoch sind sich die Menschenrechtsaktivisten, die sich in vielen Organisationen einsetzen, weitgehend einig, da
Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9806/9806055
Seitenanfang [TOP]
Druckversion Druckversion