Deutscher Bundestag
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08/2001
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Hintergrund

Wie arbeitet eigentlich ...

Wie arbeitet eigentlich ...
... das Plenum?

Plenum. Das kommt aus dem Lateinischen und heißt "vollzählig". Das Plenum ist also die Vollversammlung des Parlaments.
Es ist der Ort, an dem alle wichtigen Entscheidungen fallen. Nur das Plenum kann Gesetze beschließen. Nur das Plenum führt die wichtigen nationalen Debatten. Nur das Plenum bestimmt darüber, wer Deutschland regieren soll.

Plenarsitzung.
Plenarsitzung.

Schon aus der äußeren Architektur des Plenums lässt sich die Arbeitsweise des deutschen parlamentarischen Systems erahnen. Die Abgeordneten sitzen zwar im großen (Halb-)Rund, aber doch durch Gänge getrennt in unterschiedlichen Blöcken. Abgeordnete derselben Partei schließen sich im Bundestag zu einer Fraktion zusammen. Deshalb gibt es fünf Blöcke im Plenarsaal: den der FDP ganz rechts vom Präsidenten aus gesehen, gefolgt von dem der CDU und der CSU, die sich zu einer Fraktionsgemeinschaft zusammengefunden haben, den von Bündnis 90/Die Grünen, den der SPD und schließlich den der PDS ganz links. Ganz gleich, wie viele Abgeordnete eine Fraktion hat, jede hat auch mindestens einen Platz in der ersten Reihe. Alle Fraktionen haben grundsätzlich die gleichen Rechte, am parlamentarischen Prozess mitzuwirken. Kleine können auch die Themen durchsetzen, die den Großen unangenehm sind.

Den Abgeordneten gegenüber sitzt der Sitzungsvorstand. Der amtierende Präsident oder die amtierende Präsidentin leitet die Sitzung, erteilt das Wort und achtet darauf, dass die einzelnen Abgeordneten ihre Redezeiten und in ihren Äußerungen die parlamentarischen Regeln einhalten. Wer dagegen verstößt, kann zur Ordnung gerufen oder auch für eine bestimmte Zeit von den Sitzungen ausgeschlossen werden. Direkt neben dem Sitzungspräsidenten nehmen die beiden Schriftführer Platz. Diese Abgeordneten kümmern sich ebenfalls um den reibungslosen Ablauf, nehmen Wortmeldungen entgegen und stellen gemeinsam fest, wer bei Abstimmungen die Mehrheit hat.

Die Parlamentsstenografen bei der Arbeit.
Die Parlamentsstenografen bei der Arbeit.

Zur Rechten des Sitzungsvorstands sitzen der Bundeskanzler, die Bundesminister, deren Vertreter und bei Bedarf auch weitere Mitarbeiter der Bundesregierung. Zur Linken nehmen der Wehrbeauftragte und auf den Stühlen für den Bundesrat die Ministerpräsidenten der Bundesländer und weitere Mitglieder oder Beauftragte des Bundesrates Platz.

In der ersten Sitzung nach einer Bundestagswahl geht es zunächst darum, den Bundestagspräsidenten zu wählen. Ihn stellt in der Regel die Fraktion, die nach dem Votum der Wähler die meisten Abgeordneten in den Bundestag entsendet. Der Bundestagspräsident ist der zweithöchste Repräsentant des Staates. Nur der Bundespräsident steht als Staatsoberhaupt in der Rangfolge noch darüber. Auf Vorschlag des Bundespräsidenten wählt der Bundestag den Bundeskanzler. Dabei wird natürlich derjenige vorgeschlagen, der wahrscheinlich die Mehrheit des Bundestages hinter sich vereinen kann, entweder, weil dessen Partei allein die Mehrheit errungen hat oder aber, weil sich zwei oder mehr Parteien zu einer Koalition zusammengeschlossen haben, um im Bundestag die Mehrheit zu stellen und damit auch die Regierung. Sollte auch nach mehreren Abstimmungen im Bundestag kein Kandidat die Mehrheit gefunden haben, so kann der Bundespräsident den Bundestag auflösen und Neuwahlen verfügen. Das ist zwar noch nie passiert, aber es zeigt, wie eng Bundestag bzw. Bundestagsmehrheit und Bundesregierung zusammen wirken und wie sehr sie voneinander abhängen.

Der Sitzungsvorstand wird durch moderne Technik unterstützt.
Der Sitzungsvorstand wird durch moderne Technik unterstützt.

Deshalb ist es auch nicht falsch, trotz der grundsätzlichen Unterscheidung zwischen Regierung und Parlament eine weitere Trennungslinie mitten durchs Parlament zu ziehen: auf der einen Seite die Regierung mit den sie tragenden Fraktionen, die durch gemeinsame erfolgreiche Arbeit auch nach den nächsten Wahlen die Regierung stellen wollen. Auf der anderen Seite die übrigen Fraktionen in der Opposition, die durch Kritik an der Regierungsarbeit und durch das Entwickeln von Alternativen bei den nächsten Wahlen mehr Stimmen erhalten und die Regierung ablösen wollen.

Damit das Stärkeverhältnis zwischen den Fraktionen auch in der Redezeit berücksichtigt werden kann und trotzdem ausreichend Raum für die Darstellung der eigenen Position auch für kleine Fraktionen bleibt, hat die Debattenstunde im Plenum 68 Minuten. Das hatte sich schon vor dem Umzug so ergeben, und deshalb nennt man diese 68 Minuten traditionell die "Bonner Stunde": Von einer Stunde Redezeit stehen den beiden Koalitionsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen 35 Minuten, der CDU/CSU 21, der FDP 7 und der PDS 5 Minuten zu. Im Schlagabtausch der Argumente werden im Übrigen bei der Verteilung der Redezeiten alle Angehörigen von Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat gleich behandelt. Das heißt zum Beispiel, dass auf die der SPD zustehende Redezeit im Plenum alle Wortmeldungen sowohl von SPD-Abgeordneten als auch von SPD-Ministern oder SPD-Ministerpräsidenten angerechnet werden.

Mehrere Geschäftsordnungsreformen haben die Abläufe im Plenum immer interessanter gemacht. Statt lange vorher die Tagesordnung nur nach den Erfordernissen der Gesetzgebungsaufgabe festzulegen, werden viele Themen kurzfristig hineingenommen. Was die Menschen im Augenblick im Land bewegt, kann sich in Aktuellen Stunden auch im Plenum niederschlagen. Mit spontanen Zwischenfragen und Kurzinterventionen ist die Debattenkultur wesentlich lebendiger geworden. Zwar werden immer noch viele Reden vom Manuskript abgelesen, doch die belebenden Unterbrechungen, direkten Dialoge und spannenden rhetorischen Auseinandersetzungen haben doch spürbar zugenommen.
may

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Wie arbeitet eigentlich ...
... ein Abgeordnetenbüro?

"Den" Abgeordneten gibt es nicht. Jeder Parlamentarier ist anders.
Und deshalb gibt es auch nicht "das" Abgeordnetenbüro. Doch allen Mitarbeitern ist eines gemeinsam: Sie wollen dem gewählten Volksvertreter nach Kräften helfen, unter der Lawine von Drucksachen, Eingaben und Anregungen nicht verschüttet zu werden und zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort mit den passenden Argumenten präsent zu sein.

Makroaufnahmen eines Schnellhefters.
Makroaufnahmen eines Schnellhefters.

Die praktische Herangehensweise kann unterschiedlicher nicht sein. Manch einer frisst sich am liebsten selbst durch die Aktenberge, telefoniert mit Fachleuten und lässt seine Helfer im Hintergrund nur gezielt einzelnen Fragen nachgehen und die Büro-Organisation abwickeln. Das kann man zumeist aber nur dann durchhalten, wenn die Palette der Verpflichtungen überschaubar ist. Wenn Abgeordnete in bestimmten Fachbereichen Sprecher ihrer Fraktion sind, verschiedene Gremien innerhalb und außerhalb des Parlamentes leiten, daneben auch noch wichtige Parteiämter in Berlin oder im Wahlkreis wahrnehmen, eilen sie häufig von Sitzung zu Sitzung und sind auf die punktgenaue Zulieferung ihres Büros angewiesen.

Grundsätzlich kann jeder Abgeordnete selbst entscheiden, wie viele Mitarbeiter ihm helfen sollen – Hauptsache, am Ende stimmt der Etat. Dafür kann er eine einzige herausragende Spitzenkraft beschäftigen oder den Betrag durch zwei oder mehr teilen und neben einer Sekretariatskraft auch weitere persönliche oder fachliche Referenten einstellen. Je mehr Funktionen ein Abgeordneter für seine Fraktion oder das Parlament übernimmt, desto mehr personelle Unterstützung steht ihm zur Seite. Denn man kann schlechterdings nicht erwarten, dass ein Mitarbeiter, der mit der Büro-Organisation schon von früh bis spät beschäftigt ist, alles Weitere auch noch übernimmt, wenn sein Abgeordneter zusätzlich auch noch Ausschussvorsitzender wird.

Abgeordnetenbüro.
Abgeordnetenbüro.

Die Büro-Routine hängt nicht zuletzt vom Tätigkeitsfeld des Abgeordneten ab. Ein Parlamentarier, der für seine Fraktion Vordenker in komplizierten Fachfragen ist, setzt sich mehrfach in der Woche mit den Fachreferenten seiner Fraktion zusammen, um sich mit ihnen gemeinsam durch die Materie zu arbeiten. Die wichtigste Fähigkeit dieser Mitarbeiter kann darin bestehen, kaum bekannte Experten ausfindig zu machen, die mit ihren Erfahrungen wichtige Anstöße zu geben vermögen. Völlig andere Anforderungen können auf die Mitarbeiter eines anderen Parlamentariers zukommen, wenn dieser auf einem Gebiet mit einer Fülle von Interessengruppen tätig ist. Da kann der Tag damit beginnen, die über Nacht eingegangene Flut von E-Mails zu sichten, den "Reihenabwürfen" entsprechende Standard-Antworten zu geben, individuellen Anregungen aber auch persönlichere Reaktionen zukommen zu lassen. Post aus ihren eigenen Wahlkreisen widmen sich alle Abgeordneten besonders gründlich, viele entwerfen die Antworten selbst, aber bei komplexen Problemen sind die Parlamentarier froh, einen Mitarbeiter mit der Recherche beauftragen zu können.

Mitarbeiter mit Aktenordnern.
Mitarbeiter mit Aktenordnern.

Trotz aller Unterschiede zieht sich eine Vierteilung durch alle Abgeordnetenbüros. Sie wird manchmal von einem einzigen Mitarbeiter, manchmal von einem halben Dutzend Teilzeitbeschäftigten wahrgenommen. Da ist zum ersten die Abwicklung von Sekretariatsaufgaben: Entgegennehmen von Telefonaten, Durchsehen der Post, Information des Abgeordneten über die wichtigen Vorgänge auch während sitzungsfreier Wochen. Fließend sind die Übergänge zum persönlichen Mitarbeiter, der den Terminkalender des Abgeordneten im Auge behält, Interviewanfragen der Medien genauso vorsortiert wie die Sitzungsabfolge bei Bundestag, Fraktion und Partei. Auch Sitzungsunterlagen, Informationsmaterial, Transportmittel und Unterkünfte für Mandatsreisen des Abgeordneten müssen rechtzeitig besorgt werden. Hinzu tritt der Fachreferent der Fraktion, der entweder dem Abgeordneten wegen seiner herausragenden Verpflichtungen persönlich zugeordnet ist oder gewissermaßen in einem "Pool" allen Parlamentariern zuarbeitet, die in einem bestimmten Fachgebiet tätig sind. Schließlich, aber nicht zuletzt, kümmert sich ein Mitarbeiter um die Belange des Wahlkreises, aus dem der Abgeordnete nach Berlin entsandt worden ist.

Die meisten Abgeordneten unterhalten in ihrem Wahlkreis ein eigenes Büro als zusätzliche Klammer zwischen Heimat und Berlin. Dort nimmt ein Mitarbeiter Termine, Anfragen und Anregungen aus der Region entgegen, bereitet den Terminplan für die Wochenenden und die sitzungsfreien Wochen vor und organisiert zusammen mit den Kollegen in Berlin die Fahrten von Besuchergruppen, die das Wirken "ihres" Abgeordneten aus nächster Nähe erleben und einmal die Arbeit des Bundestages selbst verfolgen wollen. Die Wahlkreisbüros sind mit den Bundestagsbüros elektronisch verbunden. So hat der Abgeordnete auch in sitzungsfreier Zeit direkten Zugriff auf seine Unterlagen, soweit sie in seinem Computer gespeichert sind. Über das bundestagseigene Intranet kann er zudem an der Vorbereitung von Berliner Sitzungen auch aus der Ferne teilhaben.

Schubkästen.
Schubkästen.

Wichtige Voraussetzung für die Arbeit in Abgeordnetenbüros sind ein großes Interesse an der Politik, schnelle Auffassungsgabe und Organisationstalent. Dass es in Sitzungswochen durchaus auch schon einmal kurze Nächte geben kann, sollte die Mitarbeiter nicht überraschen, und grundsätzlich erleichtert es auch die Zusammenarbeit, wenn die parteipolitische Färbung übereinstimmt. So verschieden die Persönlichkeit der Abgeordneten ist, so unterschiedlich ist auch ihr Umgang mit ihren Mitarbeitern. Ohne diese, das ist allen klar, wäre aber Politik professionell nicht mehr zu machen. Und mancher ist sich auch der Zufälle im Verlauf politischer Karrieren bewusst: "Ich bin doch nur Abgeordnete, weil auch mein Mitarbeiter einen erfolgreichen Wahlkampf gemacht hat. Im Grunde könnte es andersherum sein – er der Abgeordnete und ich seine Mitarbeiterin." Deshalb ist in den Büros allen Unterschieden zum Trotz ein gemeinsamer Nenner auszumachen: "Wir ziehen als Team an einem Strang."
may

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Wie arbeitet eigentlich ...
... der Ältestenrat?

Wo Menschen zusammenkommen, gibt es oft auch Auseinandersetzungen. Wenn im politischen Streiten erfahrene Volksvertreter, die obendrein auch noch völlig unterschiedliche Ziele verfolgen, aufeinander treffen, ist der Konflikt programmiert.

Wer darf bei welchen Fragen mitsprechen? Wann wird über welche Angelegenheit abgestimmt? Wie lange darf wer zu welchem Thema reden? Das alles lässt sich von der Geschäftsordnung des Bundestages nur in Grundzügen regeln. Damit der Bundestag in einem fairen Verfahren seine Aufgaben im Alltag erfüllen kann und sich nicht im Taktieren verschiedener Gruppen selbst blockiert, sind Streitschlichtung und Konfliktlösung institutionalisiert: Vor allem Ältestenrat und Parlamentarische Geschäftsführer sind die Wegbereiter und Ausputzer im Hintergrund.

Im Ältestenrat sitzen nicht die ältesten Parlamentarier zusammen, sondern diejenigen, die für den Bundestag und seine Arbeitsabläufe insgesamt Verantwortung tragen: der Bundestagspräsident und seine fünf Stellvertreter sowie 23 andere erfahrene Abgeordnete, die genau wissen, wie die Parlamentsgeschäfte im Allgemeinen und wie die Themenbehandlung speziell in ihren eigenen Fraktionen ablaufen. Zur Erleichterung der Koordination mit der Bundesregierung ist bei den Sitzungen des Ältestenrates ferner ein Vertreter der Bundesregierung anwesend.

Die Aufgaben beginnen am Anfang einer Wahlperiode damit, dass die Fraktionen im Ältestenrat verabreden, wer in welchem Ausschuss den Vorsitz und den stellvertretenden Vorsitz übernimmt. Ein spezielles mathematisches Verfahren sorgt dafür, dass alle entsprechend ihrer Fraktionsstärke zum Zuge kommen. Absprachen sind trotzdem nötig. Auf längere Sicht bespricht der Ältestenrat zudem, in welchen Wochen des Jahres getagt werden soll und wann sitzungsfreie Zeiten sein sollen. Das muss lange vorher feststehen, damit zum Beispiel die Parteien ihre interne Meinungsbildung, etwa auf Parteitagen, nicht ausgerechnet während wichtiger Bundestagsentscheidungen terminieren. Eine wichtige fortlaufende Aufgabe des Ältestenrates ist die Verständigung auf die Tagesordnung der folgenden Sitzungswoche des Bundestages.

Außerdem ist der Ältestenrat der Ort, an dem plötzlich aufgetretene Streitigkeiten besprochen und einvernehmlich geschlichtet werden. Wenn die Wellen im Plenum hoch geschlagen sind, die Sitzung in Tumult auszubrechen droht, wirken eine kurze Unterbrechung und eine Sondersitzung des Ältestenrates mitunter Wunder.

Sitzung des Ältestenrats.
Sitzung des Ältestenrats.

Über viele Angelegenheiten des Bundestages entscheidet der Bundestagspräsident. Er ist zum Beispiel oberster Dienstherr der Bundestagsverwaltung, legt deren Arbeitsschwerpunkte und Aufgaben fest und übt das Hausrecht aus. Doch er lässt sich in vielen Fragen vom Ältestenrat beraten. Das schafft mehr Übersicht, Kontinuität und Akzeptanz. Andere wichtige Fragen sehen ausdrücklich die Beteiligung des Ältestenrates vor – etwa bei der Aufstellung des Haushaltsplanes für den Bundestag. Wegen der Aufgabenfülle hat der Ältestenrat eine Reihe von Kommissionen eingesetzt, die sich eingehender mit Fachfragen (etwa im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Mitarbeitern, mit dem Einsatz neuer Techniken, mit dem Neubau der Bürogebäude) befassen und ihrerseits dem Ältestenrat Empfehlungen unterbreiten.

Mancher Konfliktstoff wird auch schon im Vorfeld im direkten Kontakt der Parlamentarischen Geschäftsführer, der "Fraktionsmanager", aus dem Weg geräumt. Die Bedeutung dieser "PGF" für den reibungslosen Betrieb des Bundestages ist nicht zu unterschätzen. Mindestens zweimal in der Woche treffen sie sich, um die Details der Sitzungswoche zu besprechen. Dabei geht es nicht darum, aus den Debatten eine Harmonieveranstaltung zu machen. Jedem "PGF" ist klar, das der andere eigene Interessen hat: Die Fraktionsspitzen der Koalition wollen die Regierungsseite im günstigen Licht erscheinen lassen und fehlende Antworten der Opposition reklamieren, die Opposition will als ideenreiche Alternative der Regierung erscheinen. Doch die Debattenzeit kann nur einmal vergeben werden, und so liegt der Kompromiss darin, sich abwechselnd Themen zuzugestehen. Kommt eine Einigung einmal nicht zu Stande, so kann man über Geschäftsordnungsdebatten "sein" Anliegen zur Sprache bringen.

In den PGF-Runden und Ältestenratssitzungen wird oft klar, wie wichtig der einen oder anderen Fraktion das eine oder andere Thema ist und wo Kompromisse nur auf anderen Feldern liegen können. Das kürzt manchmal die Verfahren ab und erübrigt eine endlose Kette von immer neuen Sitzungen im großen Kreis. Viele plötzlich entstehenden Unstimmigkeiten lassen sich auch auf die Schnelle durch ein paar Telefonate oder eine kleine spontane Besprechung am Rande des Plenums klären.

Die alltägliche Verständigung begünstigt zudem ein Umstand, der im Hinterkopf jedem Parlamentarier stets bewusst ist: Die Opposition von heute kann immer auch die Regierung von morgen sein. Und umgekehrt. Und was ich heute versucht bin, mit Mehrheit durchzusetzen, das fällt mir morgen in der Minderheit auf die eigenen Füße. Deshalb haben beide Seiten ein Interesse daran, immer wieder Spielregeln zu finden, die über den Tag hinaus Gültigkeit haben. Zwar tauchen immer wieder neue Fragen und Probleme auf, aber wenn in der Vergangenheit ähnlich gelagerte Streitigkeiten in einer bestimmten Art und Weise beigelegt wurden, versucht man sich auch im Wiederholungsfall daran zu orientieren.

Und: Mit der Zeit wächst zwischen den PGF und innerhalb des Ältestenrates auch das eine oder andere Vertrauensverhältnis über Parteigrenzen hinweg, das im Konfliktfall unnötige Eskalationen vermeiden hilft: "Wenn wir uns schon inhaltlich streiten, müssen wir nicht auch noch persönlich Krach haben."
may

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Wie arbeiten eigentlich ...
... die Ausschüsse?

Vielfach nimmt die Öffentlichkeit nur die Debatten und Abstimmungen im Plenum des Bundestages wahr. Doch sie sind, bezogen auf die gesamten parlamentarischen Tätigkeiten, nur die Spitze des Eisberges.

Statistisch kommen auf jede Plenarsitzung neun Ausschusssitzungen. Wissenschaftler sprechen deshalb davon, dass der Bundestag mehr Arbeits- als Redeparlament sei. Der größte Teil der Arbeit wird in den Arbeitskreisen innerhalb der Fraktionen und in den Ausschüssen des Parlaments geleistet. Sie decken in ihren fachlichen Zuständigkeiten das breite Spektrum der Politikfelder ab.

Deshalb steht jedem Ministerium gewissermaßen spiegelbildlich ein Bundestagsausschuss gegenüber. Der Auswärtige Ausschuss also dem Auswärtigen Amt, der Rechtsausschuss dem Justizministerium, der Gesundheitsausschuss dem Gesundheitsministerium, und so weiter. Ausnahmen bestätigen die Regel. So gibt es einen eigenständigen Sportausschuss, während die Regierung diese Angelegenheiten innerhalb des Innenministeriums wahrnimmt. Weitere Akzente setzt das Parlament etwa mit einem Menschenrechtsausschuss. Eine wichtige Rolle für die Entgegennahme von Klagen und Protesten spielt auch der Petitionsausschuss.

Ausschussmitarbeiter mit Akten.
Ausschussmitarbeiter mit Akten.

Die ureigenste Aufgabe der Ausschüsse besteht darin, Beschlüsse des Plenums vorzubereiten. Alle Vorschläge, die einmal Gesetzeskraft erlangen sollen, durchlaufen die Fachberatungen in den jeweiligen Ausschüssen – ganz gleich, ob die Entwürfe von der Regierung, vom Bundesrat oder aus der Mitte des Bundestages selbst eingebracht worden sind. Am Anfang steht im Plenum zunächst nur eine Aussprache über die Grundzüge der angestrebten Regelung. Diese so genannte erste Lesung mündet in die Überweisung des Gesetzentwurfes zur detaillierten Beratung in einen oder mehrere Fachausschüsse. Weil die Materie zumeist mehrere Fachbereiche berührt, gibt es in der Regel einen federführend tätigen Ausschuss, der die Empfehlungen anderer, ebenfalls in ihren Zuständigkeiten betroffenener Ausschüsse zur Mitberatung hinzuzieht.

In den Ausschüssen sitzen die Abgeordneten, die sich in dem jeweiligen Politikfeld besonders gut auskennen. Aber sie verlassen sich nicht nur auf ihre eigene Fachkenntnis. Bewährt hat sich das Verfahren, auch externen Sachverstand in so genannten Anhörungen hinzuzuziehen. Dazu laden die Ausschüsse Experten aus Wissenschaft und Praxis ein, die die möglichen Auswirkungen der geplanten gesetzlichen Regelung begutachten. Viele dieser Anhörungen sind öffentlich, damit auch das interessierte Publikum einen Überblick über die möglichen Chancen und Gefahren des beabsichtigten Gesetzes erhält.

Jede Fraktion setzt für einzelne Bereiche innerhalb der Ausschussarbeit so genannte Berichterstatter ein, die sich besonders tief in die Materie einarbeiten, dabei sowohl die grundsätzliche Einstellung der Fraktion und ihrer Arbeitsgruppen im Auge behalten und sich auch mit den Berichterstattern der anderen Fraktionen kurzschließen. Am Ende der Ausschussberatungen steht eine Empfehlung an das Plenum. Darin wird der Gang der internen Diskussion skizziert und schließlich die daraus gezogene Schlussfolgerung der Ausschussmehrheit begründet. Auf dieser Grundlage beschäftigt sich das Plenum in einer zweiten Lesung mit dem Sachverhalt und kommt in der zumeist unmittelbar folgenden dritten Lesung zur Abstimmung.

Sitzung des Haushaltsausschusses.
Sitzung des Haushaltsausschusses.

Die meisten Ausschüsse beschäftigen sich nicht nur am grünen Tisch mit ihrer Materie. Sie studieren auch in Delegationsreisen einzelne Auswirkungen oder Musterbeispiele vor Ort. Dabei können sie auch aus eigener Initiative bestimmte Themen auf ihre Tagesordnung setzen, die nicht unbedingt Gegenstand von Gesetzesvorhaben sein müssen. Die Ausschüsse als Gegenüber "ihres" jeweiligen Ministeriums haben sich zudem zu wirkungsvollen Kontrollorganen des Regierungshandelns entwickelt. Scheint in einem der Ministerien etwas schief zu laufen oder kommt wegen anderer Entwicklungen erhöhter Klärungsbedarf auf, lädt der Ausschuss den Minister oder seine Staatssekretäre ein, sämtliche Hintergründe umfassend zu erläutern. Bei komplexen Vorgängen, in die die deutsche Politik ständig einbezogen ist, wie etwa den Entwicklungen auf dem Balkan, werden die betroffenen Ausschüsse, hier also der Auswärtige und der Verteidigungsausschuss, kontinuierlich auf dem Laufenden gehalten.

Stellt sich heraus, dass offensichtliche Missstände, Pannen oder Fehlentwicklungen näher untersucht werden müssen, kann der Bundestag auch eigene Untersuchungsausschüsse einsetzen, die sich – ähnlich einem Gerichtsverfahren – durch die Heranziehung von Akten und das Befragen von Zeugen ein umfassendes Bild von den Vorgängen zu machen versuchen.

Spezielle Ausschüsse sind die so genannten Enquete-Kommissionen. Sie blicken über den aktuellen Handlungsbedarf hinaus und bemühen sich um langfristig nötige Strategien. Häufig wird ihre Erkenntnis aber nicht nur in Zwischen- und Abschlussberichten festgehalten, sondern schon bei der Bewertung kurzfristiger Vorhaben hinzugezogen. In ihnen ist der externe Sachverstand unmittelbar mit einbezogen. Sie setzen sich je zur Hälfte aus Abgeordneten und Wissenschaftlern zusammen.

Die Frage, wie sinnvoll eine stärkere Öffentlichkeit der Ausschusssitzungen ist, wird unterschiedlich beantwortet. Der Trend geht jedoch zu mehr Öffnung – auch weil das Plenum von Detaildebatten entlastet werden soll, die Öffentlichkeit aber einen Anspruch darauf hat, wesentliche Begründungen für gesetzliche Regelungen und ihre Entwicklung durch die parlamentarischen Gremien verfolgen zu können. Dafür sind mit den neuen Ausschusssitzungssälen in Berlin künftig auch baulich bessere Voraussetzungen geschaffen. Anhörungen und andere wichtige Fachberatungen werden dann auch im Fernsehen übertragen werden können. Dann wird auch für die breite Öffentlichkeit ab und zu nicht nur die Spitze des Eisberges parlamentarischer Arbeit zu sehen sein.
may

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2001/bp0107b/0108032
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