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09/2001
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Titelthema

Ein Motor der Republik

Nur einen Steinwurf entfernt vom Reichstagsgebäude mit seiner Glaskuppel, dem Symbol parlamentarischer Transparenz, erstreckt sich im Berliner Parlaments- und Regierungsviertel ein neuer Bundestagsbau – das Paul-Löbe-Haus.

Benannt nach dem letzten demokratischen Reichstagspräsidenten Paul Löbe gehört das lichte lang gestreckte Gebäude im Spreebogen zum "Band des Bundes", das die beiden früher durch den Eisernen Vorhang getrennten Teile der Hauptstadt über die Spree hinweg verbindet. Es besteht aus dem neuen Kanzleramt, dem Paul-Löbe-Haus auf der Westseite des Flusses und dem noch im Bau befindlichen Marie-Elisabeth-Lüders-Haus auf der Ostseite. Die Gebäude werden verbunden durch eine doppelstöckige Brücke.

Der Haupteingang auf der Westseite.
Der Haupteingang auf der Westseite.

Anders als beim Reichstagsgebäude, das ein modernes Parlament im historischen Mantel beherbergt, konnten mit dem Paul-Löbe-Haus losgelöst von den Vorgaben der Geschichte eigene Akzente gesetzt werden. Das ist dem Architekten, dem Münchner Stephan Braunfels, nach dem einhelligen Urteil von Laien und Fachleuten gelungen: Der achtgeschossige Neubau mit seinen jeweils fünf markanten Seitenkämmen und den acht charakteristischen gläsernen Zylindern wirkt wie ein kraftvoller und doch schnittiger "Motor der Republik".

Ein Haus für die gläserne Demokratie

Die Funktionen

Bestimmt ist das rund 200 Meter lange und 102 Meter breite Paul-Löbe-Haus vor allem für drei Arbeitsbereiche des Deutschen Bundestages: die Ausschüsse, die Öffentlichkeitsarbeit und die zentrale Besucherbetreuung. Diese Funktionen sind für ein modernes Parlament lebenswichtig. Denn der größte Teil der Arbeit des Bundestages wird nicht im Plenum, sondern in den 23 ständigen Fachausschüssen geleistet, von denen die meisten dem Arbeitsbereich eines Bundesministeriums zugeordnet sind. Nach der Geschäftsordnung sind die Ausschüsse "vorbereitende Beschlussorgane" des Bundestages. Faktisch fallen die Entscheidungen oft schon hier, da sich die meisten Abgeordneten bei ihrem abschließenden Votum über Gesetze im Plenum auf die detaillierte Vorarbeit der Ausschüsse und deren Beschlussempfehlungen verlassen.

Blick auf die Westseite mit der beleuchteten Halle.
Blick auf die Westseite mit der beleuchteten Halle.

Das ist in der Realität der hochspezialisierten Arbeitsteilung moderner Demokratien gar nicht anders möglich: Kein Abgeordneter kann Experte für alle die vielen komplexen und häufig äußerst fachspezifischen Bereiche sein; er muss sich auf den Rat der Fachleute stützen. Seine politische Gesamtverantwortung bleibt allerdings trotz der vorbereitenden Ausschussarbeit bestehen.

Eine der acht Rotunden, die die Ausschusssäle beherbergen.
Eine der acht Rotunden, die die Ausschusssäle beherbergen.

Ebenso wenig wie auf Ausschüsse kann der Bundestag auf eine möglichst große Öffentlichkeit verzichten. Demokratie und Transparenz bedingen sich, sind zwei Seiten einer Medaille. Daher ist der Bundestag darum bemüht, dass sich nicht nur die Medien, sondern auch immer mehr Menschen direkt für seine Arbeit interessieren. Mehr als vier Millionen Gäste haben seit 1999 das Parlament in Berlin besucht. Viele wollen dabei nicht nur einen Blick auf und aus der Reichstagskuppel, sondern auch hinter die Kulissen des Bundestages werfen. Um dies reibungslos zu ermöglichen, hat der Bundestag einen eigenen Besucherdienst eingerichtet. Im Paul-Löbe-Haus haben die 44 Mitarbeiter in 20 Räumen ihr neues Quartier gefunden. Hier werden auch interessierte Besuchergruppen in Seminar- und Ausstellungsräumen "live" das politische System in Deutschland erschnuppern können. Die gläserne Demokratie – im Paul-Löbe-Haus soll sie erlebte Realität werden.

Ein Haus der Transparenz und der Offenheit

Das Gebäude

Blick über die Spree auf das Paul-Löbe-Haus, im Hintergrund links das Kanzleramt.
Blick über die Spree auf das Paul-Löbe-Haus, im Hintergrund links das Kanzleramt.

Transparenz beginnt bereits an der Westseite, an der auch der Haupteingang liegt. Die riesige Fläche ist voll verglast und lässt das gegenüberliegende Kanzleramt in den Scheiben widerspiegeln. Schon von weitem soll dem Besucher signalisiert werden, dass er im Paul-Löbe-Haus, der Arbeitsstube des Parlaments, willkommen ist. Am Abend, wenn die gewaltige Glasfläche von innen beleuchtet ist und die rechts und links symmetrisch aufsteigenden Innentreppen ihre bewusst installierte Skulpturenwirkung entfalten (schon ist von "Himmelstreppen" die Rede), ist der einladende Effekt noch größer.

Blick von der Kita des Bundestages auf das beleuchtete Paul-Löbe-Haus.
Blick von der Kita des Bundestages auf das beleuchtete Paul-Löbe-Haus.

Einladende Offenheit auch an den 200 Meter langen und 23 Meter hohen Seitenfassaden, die durch jeweils fünf Seitenflügel mit dazwischenliegenden begrünten Lichthöfen strukturiert werden. Mit ihren verglasten Seitenwänden kontrastieren sie zu dem grauen Sichtbeton der Außenmauern. Da sowohl die Büros der Abgeordneten als auch die Sekretariate und die Sitzungssäle der Ausschüsse auf die Lichthöfe führen, haben nicht nur die Parlamentarier eine gute Aussicht, sondern auch die Bürger von außen eine gute Einsicht auf die Arbeit der Volksvertreter. Einladend auch der Spreeplatz mit seinen Uferplätzen, dort wo das Paul-Löbe-Haus den architektonischen Sprung über die Spree wagt, hinüber zum neu errichteten Marie-Elisabeth-Lüders-Haus mit der ästhetisch beeindruckenden Freitreppe, die ein Flair von Venedig nach Berlin bringen soll.

Treppenaufgang im Paul-Löbe-Haus.
Treppenaufgang im Paul-Löbe-Haus.

Auch im Innern des Paul-Löbe-Hauses mit seinen 510 Räumen für 170 Abgeordnete, rund 450 Büros für die Ausschusssekretariate und Verwaltungsreferate sowie den 23 Sitzungssälen für Parlamentsausschüsse herrschen Transparenz und weitgehende Offenheit. Das ist vor allem der riesigen achtgeschossigen Halle mit ihrem glasgedeckten Rasterdach zu verdanken, die den Gebäudekomplex von West nach Ost durchzieht. Eine Flaniermeile, von der die Blicke durch den gesamten Komplex schweifen können, hinauf zu den offenen Stockwerken mit ihren seitlichen Laufgängen und den relingartigen Geländern, zu den Zuschauergalerien, den die Halle überquerenden Brücken und den 16 gläsernen Fahrstühlen. Im Westen und Osten öffnen sich jeweils große Glasfassaden, die eine faszinierende Aussicht bieten, zum einen auf das Kanzleramt, zum anderen – jenseits der Spree – auf die gläserne Bibliothek des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses. Wenn plötzlich ein Spreedampfer mitten durch die Halle zu schwimmen scheint, verstärkt sich für den Besucher der Eindruck, auf der Brücke eines riesigen Parlamentsschiffes zu stehen.

Ein Haus für die Ausschussarbeit

Die Ausschüsse

Das Paul-Löbe-Haus ist nicht nur ein schönes Gebäude, sondern auch ein wertvolles Instrument der parlamentarischen Demokratie. Das wird besonders deutlich an seiner zentralen Aufgabe, der Ausschussarbeit. Die Räume aller 23 Ausschüsse sind in den runden Zylinder-Türmen zweigeschossig angelegt. In den unteren Geschossen beraten die Abgeordneten, in den oberen können die Besucher auf Galerien das Geschehen beobachten, wenn ein Ausschuss öffentlich tagt. Das Haus der Abgeordneten öffnet sich für den Souverän, das Volk. Allerdings: Ein wenig ist die Architektur der Realität vorausgeeilt. Denn noch sind die Ausschusssitzungen in der Regel nicht öffentlich. Das soll sich aber ändern.

Sitzungssäle der Ausschüsse.
Sitzungssäle der Ausschüsse.

Beispiel: Haushaltsausschuss. Mit 42 Mitgliedern ist er einer der größten Ausschüsse des Bundestages. Die Zahl der Ausschussmitglieder variiert: 15 Mitglieder haben die kleinen wie der Ausschuss für Kultur und Medien oder der Ausschuss für Tourismus, 38 bis 42 Abgeordnete gehören den großen Ausschüssen an, dem Auswärtigen Ausschuss, dem Innen- und dem Wirtschaftsausschuss, dem für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen, oder eben dem Haushaltsausschuss. Da Geld auch im Parlament eine entscheidende Größe ist und alle finanzrelevanten Vorgänge vom Haushaltsausschuss beraten werden müssen, zählt er zu den bedeutendsten Ausschüssen des Bundestages. Wegen der Kontrollfunktion seiner Arbeit steht der Vorsitz im Ausschuss traditionell der Opposition zu.

Sitzungssaal.
Sitzungssaal.

"A 2.400 – Haushaltsausschuss" heißt es weiß auf blauem Grund im zweiten Stock des Paul-Löbe-Hauses. Hinter der Tür ein runder zweistöckiger Raum, der trotz seiner über 100 Sitzplätze fast intim wirkt: gedämpfter Teppichboden, schwarz im Innenrund, blau im äußeren Segment. Warmer Holzton des großen runden Tisches, über dessen offener Mitte die absenkbare Präsentationstechnik hängt: drei gleich große Bildschirme, die für jegliche Form der Präsentation ausgerichtet sind. An den Wänden Holzpaneele, an den Fenstern elektrisch gesteuerter Sonnenschutz. Während oben auf der Galerie Platz für etwa 50 Besucher ist, finden unten im eigentlichen Ausschusssaal rund 80 Personen Platz, die 54 Mitglieder des Ausschusses haben feste Plätze im Konferenzrund. In der Reihe dahinter stehen noch einmal 30 Stühle – für die Vertreter des Finanzministeriums, des Rechnungshofes und der Länder. Hier müssen sie alle antreten, wenn es ums Geld geht: Minister, Staatssekretäre, Abteilungsleiter. Einige von ihnen sollen dabei schon kräftig ins Schwitzen gekommen sein.

Sitzungssaal des Europa-Ausschusses mit Arbeiten des Künstlers Federle.
Sitzungssaal des Europa-Ausschusses mit Arbeiten des Künstlers Federle.

Anders als im Bonner "Langen Eugen", dem Abgeordnetenhochhaus der alten Bundeshauptstadt, müssen in Berlin Minister aber nicht mehr auf harten Stühlen im öffentlichen Vorraum wie beim Zahnarzt auf ihren Auftritt im Haushaltsausschuss warten. Im Paul-Löbe-Haus können sie im großzügigen Lobbybereich auf den Galerieebenen in bequemen Sesseln Platz nehmen. In diesem Bereich finden alle informellen Kontakte statt.

Als "Arbeitsparlamente im Kleinen" benötigen die Ausschüsse eine eigene Infrastruktur. Dazu gehört an erster Stelle ein Sekretariat, in dem sich die gesamte Organisation, Terminplanung und Sacharbeit zentriert und das dem Vorsitzenden und den Mitgliedern des Ausschusses zuarbeitet. Deshalb liegen die Büros des Sekretariats und des Ausschussvorsitzenden dicht beieinander: Kurze Wege erleichtern die notwendige reibungslose Kommunikation. Dem Haushaltsauschuss sind 14 Räume zugeordnet: Das Sekretariat verteilt sich auf sieben Büros. Daneben gibt es Besprechungsräume, Büros für Assistenten und wissenschaftliche Mitarbeiter sowie Registratur- und Kopierräume. Zusammen umfasst der Raumbedarf des Haushaltsaussschusses eine ganze Etage eines Kammflügels.

Blick auf das Westportal des Reichstagsgebäudes.
Blick auf das Westportal des Reichstagsgebäudes.

Lage und Ausstattung der anderen Ausschüsse sind ähnlich. Nur die Zahl der Nebenräume variiert je nach Größe des Ausschusses. Aber überall gilt das Prinzip: Funktionalität gepaart mit Offenheit. Deshalb die von der Arbeitsebene getrennten und um einen Stock erhöhten Besuchergalerien. Der Staatsbürger soll seinen Abgeordneten bei der Gesetzesarbeit zuschauen können, ohne ihn bei der Arbeit zu stören.

Eine Sonderstellung nimmt der Europa-Ausschuss ein. Mit 36 Bundestagsabgeordneten und 14 deutschen Mitgliedern des Europäischen Parlaments ist er nicht nur der größte Ausschuss, sondern er besitzt auch Sonderrechte: Als einziger Bundestagsausschuss kann er Beschlüsse an Stelle des Plenums fassen. Seine herausgehobene Stellung hat dem Europa-Ausschuss eine besondere Lage beschert: Als einziger Ausschuss hat er seinen Sitzungssaal nicht in einem der acht Zylinder-Türme, sondern im zweiten und dritten Geschoss der großen Ostrotunde des Paul-Löbe-Hauses mit einem grandiosen Blick auf die sich durch das "Band des Bundes" schlängelnde Spree. Der "Europasaal" ist mit 261 Quadratmetern erheblich größer als die anderen Ausschusssäle und bietet sowohl den Abgeordneten wie auch den Besuchern deutlich mehr Platz. Zudem ist er mit seinen Dolmetscherkabinen und Technikräumen kongresstechnisch perfekt ausgestattet; das erste große öffentliche Hearing hat hier bereits stattgefunden. In Zukunft werden in diesem Saal auch internationale Konferenzen veranstaltet.

Ein Haus für die Öffentlichkeit

Besucherdienst und Öffentlichkeitsarbeit

Zu einem demokratischen Parlament gehört Öffentlichkeit wie die Luft zum Atmen. Deshalb werden Öffentlichkeitsarbeit und die Betreuung der Besucher im Deutschen Bundestag groß geschrieben. Im Paul-Löbe-Haus sind jene beiden Referate der Verwaltung untergebracht, die sich konzeptionell wie organisatorisch speziell um diese Aufgabe kümmern. Gut 50 Räume sind für diese Aufgabenbereiche bestimmt – Büros, Seminarräume und ein eigenes Foto- Filmstudio.

Besucherrestaurant.
Besucherrestaurant.

Da ist zunächst der Besucherdienst. Er steuert und betreut die Besuchergruppen, die in Berlin Parlament und Politik kennen lernen wollen. 22 Mitarbeiter und 22 Honorarkräfte kümmern sich um Einladungen, Fahrtkostenerstattung, Betreuung, Verköstigung und Unterkunft. Im Mittelpunkt aber steht die Aufgabe, den vielfältigen Besuchergruppen die Arbeit des Bundestages und das politische System Deutschlands nahe zu bringen. Dazu dienen acht Seminarräume im Erdgeschoss des Paul-Löbe-Hauses. In ihnen können fachkundig Seminare zur politischen Bildung oder Diskussionen zwischen Abgeordneten und Besuchern aus dem Wahlkreis stattfinden. Indirekt gehört dazu auch das Besucherrestaurant in der zweiten Etage der gläsernen Ostrotunde, in dem sich Besuchergruppen von der harten Kost der politischen Information erholen und einen herrlichen Blick auf die Spree werfen können. Eine Etage unter ihnen liegt das für Abgeordnete und Mitarbeiter reservierte Restaurant mit 150 Sitzplätzen. Aber auch hier gilt: Begegnungen sind erwünscht.

Zum Besucherdienst gehört auch der Besucher-Führungsdienst im Reichstagsgebäude. Der hat alle Hände voll zu tun: Seit dem Frühjahr 1999 stiegen über vier Millionen Menschen auf die Reichstagskuppel. 612.000 Besucher ließen sich im Jahr 2000 durch den Reichstag führen, unter ihnen 3.374 "Very Important Persons" (VIP) – Staatsgäste, Diplomaten, Parlamentarier aus aller Herren Länder.

Kommen die Organisation und Betreuung des Besucherdienstes direkt, konkret und vor Ort den Besuchern zugute, nimmt die Öffentlichkeitsarbeit des Bundestages den Umweg über verschiedene Medien und Präsentationsorte. Ob in gedruckten oder in audiovisuellen Medien, ob über Internet oder CD-Roms, ob auf Messen oder Ausstellungen – die 19 Öffentlichkeitsarbeiter des Parlaments nutzen alle Möglichkeiten, um über den Bundestag und seine Arbeit zu informieren. Im Paul-Löbe-Haus steht – in 22 Räumen – ihre "Werkstatt".

Ein Haus für die Abgeordneten

Die Abgeordneten

Das Paul-Löbe-Haus ist nicht nur die Heimstatt für die Ausschüsse des Bundestages, Teile seiner Verwaltung, Besucherdienst und Öffentlichkeitsarbeit. In ihm liegen auch die Büros für 170 Bundestagsabgeordnete der beiden großen Bundestagsfraktionen SPD und CDU/CSU. Wer von den zurzeit 666 Abgeordneten des Bundestages in das Paul-Löbe-Haus, wer in das östlich des Reichstagsgebäudes liegende riesige Jakob-Kaiser-Haus und wer in den Quartieren Unter den Linden arbeitet, das haben die Raumkommissionen der Fraktionen untereinander abgestimmt. Bemüht waren sie dabei, die Zugehörigkeit der Abgeordneten zu ihren jeweiligen Landesgruppen zu berücksichtigen. Eine Rangfolge der Gebäude gibt es nicht.

Büros im Paul-Löbe-Haus.
Büros im Paul-Löbe-Haus.

Das "Standard-Büro" eines Abgeordneten im Paul-Löbe-Haus sieht so aus: drei Räume, jeder von ihnen 19,2 Quadratmeter groß, raumhohe Glaswände zur Außenfront, Blend- und Sonnenschutz, Teppichboden in gedämpfter Farbe, Waschbecken und Garderobe hinter rötlichen Ahorn-wänden, Schreibtische und Regale ebenfalls im Ahornfurnier, zum Flur eine Mattglastür. Die Räume sind miteinander verbunden. Insgesamt 57 Quadratmeter für einen Abgeordneten – was auf den ersten Blick üppig erscheinen mag, ist in der Realität des Alltags alles andere als dies. Denn der Abgeordnete arbeitet ja nicht allein: Er beschäftigt wissenschaftliche Mitarbeiter, Sekretariatskräfte, häufig noch Praktikanten oder studentische Mitarbeiter.

Unter anderem für die interne Postverteilung sorgt der Etagenservicedienst, der seine Räumlichkeiten auf der jeweils obersten Ebene von vier der acht Rotunden hat. Für die Weiterleitung der vielen von außen eingehenden Briefe und Karten sorgt die Postverteilstelle im Erdgeschoss.

Der Abgeordnete Reinhold Hiller in seinem Büro.
Der Abgeordnete Reinhold Hiller in seinem Büro.

Beeindruckend ist die Helligkeit der Büros. Die großen Fenster gestatten einen freien kommunizierenden Blick zum gegenüberliegenden Seitenkamm und den in dessen Büroräumen arbeitenden Menschen sowie – seitwärts – hinüber zum nahen Reichstagsgebäude oder zum Spreebogen.

Das neue Paul-Löbe-Haus ist in das Konzept des "Parlaments der kurzen Wege" eingebettet. So besteht eine Anbindung an die Bundestagsbibliothek und den Wissenschaftlichen Dienst im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus in Form einer doppelstöckigen Spree-brücke mit einem unteren – öffentlichen – Steg für Fußgänger und Radfahrer sowie einem Übergang für Abgeordnete und Mitarbeiter auf der Höhe des fünften Stockwerks. Im Tiefgeschoss führt ein breiter Fußgängertunnel vom Haus der Ausschüsse direkt in das Reichstagsgebäude und erspart so bei schlechtem Wetter den Abgeordneten die Mitnahme eines Regenschirms.

Ein Haus mit innovativer Technik

Die Technik

Gläserne Aufzüge und Brücken verbinden die Stockwerke und Ebenen.
Gläserne Aufzüge und Brücken verbinden die Stockwerke und Ebenen.

Wie alle Parlamentsbauten ist auch das Paul-Löbe-Haus mit innovativer und umweltschonender Haustechnik ausgestattet. So nutzt das Blockheizkraftwerk ausschließlich regenerierbare Primärenergien (Biodiesel) und gewährleistet durch das System der Kraft-Wärme-Kopplung gleichzeitig eine verbesserte Wirtschaftlichkeit und geringen Schadstoffausstoß.

Treppenaufgang im Paul-Löbe-Haus.
Treppenaufgang im Paul-Löbe-Haus.

Um das vom Bundestag und der Bundesregierung vorgegebene Energiesparkonzept umzusetzen, entwickelten die Technikplaner für das Paul-Löbe-Haus eine 3.230 Quadratmeter umfassende Photovoltaikanlage, deren Solarmodule in die Architektur des großen Rasterdaches integriert sind und zugleich als Verschattungselemente die direkte Sonneneinstrahlung dämpfen. Der von den Zellen photovoltaisch erzeugte Strom kann jedoch nur einen kleinen Teilbedarf an Elektroenergie decken; die Stromgrundversorgung erfolgt weiterhin durch das Blockheizwerk und in Spitzenzeiten über das öffentliche Netz.

Schnittzeichnung des Gebäudes von der Ostseite im pdf-Format zum Downloaden.

Zur Technik gehört auch die Anbindung des Paul-Löbe-Hauses an das 500 Meter lange unterirdische Erschließungssystem des Parlamentsviertels. Es verbindet das Reichstagsgebäude mit den drei Neubauten Jakob-Kaiser-Haus, Paul-Löbe-Haus und Marie-Elisabeth-Lüders-Haus. Durch eine gemeinsame Zu- und Ausfahrt können in diesem in Deutschland einmaligen Tunnelsystem sämtliche für den Parlamentsbetrieb notwendige Materialien unterirdisch und damit entlastend für die oberirdischen Straßen transportiert werden.


Paul-Löbe-Haus in Zahlen

Erster Spatenstich: 28. April 1997

Richtfest: 3. November 1999

"Schlüsselübergabe": 15. Oktober 2001
 

Bruttogeschossfläche (= gesamte nutzbare Fläche): 81.000 m2

Hauptnutzfläche: 28.500 m2

Rauminhalt: 425.000 m3

Grundstücksfläche: 17.000 m2

Gebäudehöhe: 23 m

Gebäudelänge Nord: 157 m (ohne Vordach)

Gebäudelänge Süd: 200 m (ohne Vordach)

Gebäudebreite: 102 m

Durchmesser der Europa-Rotunde: 26,5 m

Westliches Vordach: 24 m
 

Normalgeschosse: 8 (eines unter Straßenniveau)

Tiefgeschosse: 2 (Garage und Heizwerk)

Zahl der Pkw-Stellplätze: ca. 270

Tiefe unter Grundwasserspiegel: 9 m (zuzüglich Bodenplatte)
 

Zahl der Büros: ca. 1.000

Sitzungssäle für Ausschüsse: 21
 

Gesamt Beton: 60.500 m3

Gesamt Baustahl: 11.300 t
 

Gesamtkosten: 542 Millionen Mark

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2001/bp0109/0109004a
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