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Sonderthema Bundestagsgremien

Parlamentarische Abläufe

Auf dem Weg zur Plenarsitzung

Fragestunde im Bundestag

Fragestunde im Bundestag.

Bis am Morgen eines Sitzungstages im Plenarsaal des Bundestages der amtierende Präsident eine Plenardebatte eröffnen kann, müssen viele andere Sitzungen zur Vorbereitung stattgefunden haben. Um das anschaulich zu machen, wollen wir einen Parlamentarier aus der Führung einer Fraktion auf einem typischen Weg durch die Sitzungswoche begleiten.

Am Montag Nachmittag hat er sein erstes Treffen mit den Kollegen im Fraktionsvorstand, wo der Ablauf der Sitzungswoche technisch und strategisch vorbesprochen wird: Welche Themen werden in der Öffentlichkeit aktuell besonders diskutiert? Wie können wir sie in unsere Arbeit einbauen? Wie weit sind die Fachgremien mit ihren Vorbereitungen? Wo hakt es? Was sollte bei den Sitzungen der Gesamtfraktion besprochen werden? Sind dazu fachkundige Gäste einzuladen?

Weiter geht es am Dienstag Morgen mit dem Treffen der ?PGFs? genannten Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen, die sich oft schon im ersten Durchgang einig werden, welche Punkte auf die Tagesordnung der Plenarsitzungen in der folgenden Woche kommen sollten, was in dieser Woche an aktuellen Themen hinzukommen soll, wie die zeitliche Bemessung bei den Beratungen geschehen könnte. Mitunter gehen die Vorstellungen über die Themen von Aktuellen Stunden (1) auseinander. Dann bringen weitere Treffen oder Telefonkontakte Lösungen.

(1) Aktuelle Stunde
Viele Instrumente hat das Parlament geschaffen, um die Debatten lebendiger zu gestalten. Zwischenfragen und Kurzinterventionen machen die rhetorische Auseinandersetzung oft zu einer spannenden Angelegenheit. Zu den interessantesten Debatten gehören auch die Aktuellen Stunden. Sie können sich an Fragestunden anschließen, die nach Ansicht einer Fraktion ein zusätzliches Diskussionsbedürfnis gezeigt haben. Sie können aber auch schon im Vorfeld verlangt werden, um aktuell in der Öffentlichkeit lebhaft diskutierte Themen aufzugreifen. Die Abgeordnetenbeiträge dürfen nicht länger als fünf Minuten dauern und theoretisch insgesamt 60 Minuten nicht überschreiten. Die von Mitgliedern der Bundesregierung oder des Bundesrates in Anspruch genommene Redezeit bleibt jedoch unberücksichtigt, so dass Aktuelle Stunden tatsächlich regelmäßig länger als eine Stunde dauern. Reden Kanzler, Minister oder Ministerpräsidenten länger als zehn Minuten, kann auf Verlangen einer Fraktion eine reguläre Aussprache über die Ausführungen eröffnet werden.

Meistens haben die Kollegen derweil am Dienstag Morgen längst mit den fraktionsinternen Arbeitsgruppensitzungen angefangen, auf denen sie die in den Gremien des Bundestages aktuell beratenen Gesetzentwürfe besprechen und eigene Anträge formulieren. Solche Arbeitsgruppen oder Arbeitskreise bereiten auch die Fraktionslinie für die Behandlung in den Ausschüssen vor oder verständigen sich auf Vorschläge, wer im Plenum sprechen könnte.

Der Dienstag Nachmittag gehört dem Hauptereignis der Fraktionsarbeit einer Woche: Die Gesamtfraktion tagt. Bei schwierigen Fragen können diese Sitzungen bis in die Nacht dauern. Denn es gilt, eine einheitliche Linie zu finden und sich in dem, was in den Ausschuss- und Plenarsitzungen politisch erreicht werden soll, abzustimmen. Hier werden endgültig die Redner festgelegt. Hier ist der Ort, wo die Abgeordneten die Kollegen von ihrer Meinung überzeugen können. Hier wird am Ende abgestimmt und nach außen hin eine geschlossene Haltung erreicht ? es sei denn, die Abstimmung wird im Plenum ?frei? gegeben, also unabhängig von Fraktionszugehörigkeit entschieden.

Am Mittwoch Vormittag haben die Ausschüsse das Wort und bereiten die Entscheidungen des Plenums vor, indem sie unter anderem jeden in ihren Fachbereich fallenden Gesetzentwurf eingehend erörtern und sich auch Sachverstand von außen einholen. Solche Experten-Anhörungen (2) sind meistens öffentlich, während der Meinungsaustausch zwischen den Fachpolitikern der Fraktionen grundsätzlich nicht öffentlich verläuft.

(2) Anhörungen
Anhörungen (oder ?Hearings?) bringen alle diejenigen an einen Tisch, die die Gesetze machen, die von diesen Gesetzen betroffen sind und die sich mit der Materie besonders gut auskennen. Mittlerweile laden die Ausschüsse zu allen Gesetzentwürfen von besonderer Bedeutung Wissenschaftler und Interessenvertreter zu einer (meist öffentlichen) Begutachtung der Gesetzesvorhaben und Nachfragen ein. Das geschieht zum einen als Teil der politischen Auseinandersetzung, weswegen Oppositionsfraktionen gerne Experten einladen, die die Position der Regierung in Frage stellen dürften, und Regierungsfraktionen Fachleute anhören, die dabei vermutlich die Regierungspläne gutheißen. Aber steuern lässt sich das nie ? zumal die Fachleute wechselweise ins Kreuzverhör genommen werden.

Bevor die Sprecher der Ministerien am Mittwoch Nachmittag die Presse über die Kabinettssitzung informieren, haben die Abgeordneten in der Mittagszeit im Plenum die Gelegenheit, die Regierungsmitglieder nach ihrer Politik zu befragen. Meistens referiert eingangs ein Minister über ein wichtiges Thema der morgendlichen Sitzung der Bundesregierung, woran rund eine halbe Stunde mit Fragen anschließt.

Unmittelbar darauf folgt die Fragestunde (3), in der weniger aktuelle Themen behandelt werden. Im Mittelpunkt stehen schriftlich eingereichte Fragen der Abgeordneten an die Bundesregierung. Auch hier sind Nachfragen möglich. Am Nachmittag tagen noch Ausschüsse.

(3) Fragestunde
Jeder Abgeordnete kann für die Fragestunde in jeder Sitzungswoche bis zu zwei Fragen zur mündlichen Beantwortung an die Bundesregierung richten. Dabei darf er jede Frage in zwei Unterfragen unterteilen und während der Fragestunde im Plenum weitere Zusatzfragen stellen. Die Antworten übernehmen meist die Parlamentarischen Staatssekretäre oder Staatsminister der Bundesministerien, mitunter aber auch die Minister selbst. Die Regierung beantwortet die Fragen von nicht anwesenden Abgeordneten innerhalb einer Woche schriftlich.

Der Donnerstag ist der eigentliche Plenartag. Manchmal dauert die Behandlung der Themen von morgens um neun bis tief in die Nacht. Tagesordnungspunkte von herausragendem öffentlichen Interesse bemüht sich der Ältestenrat in der so genannten ?Kernzeit? unterzubringen: Zwischen 9 und 14 Uhr empfiehlt sich der Besuch der Plenarsitzungen ganz besonders. Hier finden sich wichtige Gesetzesberatungen, Debatten über Große Anfragen (4) und die Antwort der Regierung darauf sowie Regierungserklärungen mit Aussprache. Am frühen Nachmittag wird häufig eine Aktuelle Stunde eingebaut, in der das Parlament immer wieder topaktuelle Vorgänge aufgreift.

(4) Anfragen
Fraktionen können die Regierung mittels Kleiner oder Großer Anfragen zu Stellungnahmen über bestimmte Sachverhalte bewegen. Kleine Anfragen werden schriftlich beantwortet und nicht beraten, sie können durch eine Veröffentlichung aber durchaus öffentliche Resonanz finden. Bei wichtigen politischen Fragen greifen Fraktionen zum Mittel der Großen Anfrage. Diese Anfragen werden schriftlich beantwortet und auf jeden Fall auch im Plenum debattiert, sofern dies von mindestens fünf Prozent der Abgeordneten verlangt wird.

Manchmal stehen in den Sitzungswochen Dutzende von Entscheidungen an, und die Plenarzeit wird auch auf den Mittwoch Abend und den Freitag Nachmittag ausgedehnt. Dann hallen immer wieder schrille Glocken durch die Gänge, die die Abgeordneten, die auf vielen ?parlamentarischen Baustellen? gebraucht werden, und deshalb nicht von früh bis spät im Plenum sitzen können, zu wichtigen Abstimmungen rufen.

Bei namentlichen Abstimmungen (5) versteht sich die Anwesenheit von selbst, denn mit einem Antrag auf diese Art des persönlichen Farbe-Bekennens soll erreicht werden, dass jeder Abgeordnete vor der Öffentlichkeit sein Abstimmungsverhalten dokumentiert. Aber auch bei anderen Abstimmungen, etwa bei Entschließungen zur Unterstützung oder Missbilligung der Regierungspolitik, wären fehlende Mehrheiten der Regierungskoalition und Abstimmungserfolge der Opposition nicht nur Schönheitsfehler.

(5) Abstimmungen
Der Bundestag kennt verschiedene Abstimmungsformen: Die einfache Form per Handheben ist der tägliche Standard. Nur in der Dritten Lesung von Gesetzen stehen die Abgeordneten als Zeichen ihres Abstimmungsverhaltens auf. Das Ergebnis ermittelt der Sitzungsvorstand per Augenschein. Bei Zweifeln wird die Abstimmung per ?Hammelsprung? wiederholt, indem die Abgeordneten den Saal verlassen und ihn durch verschiedene Türen für ?Ja?, ?Nein? oder ?Enthaltung? betreten und dabei gezählt werden. Die namentliche Abstimmung vollzieht sich mit Hilfe von farbigen Stimmkarten. Die geheime Abstimmung für herausragende Personalentscheidungen, wie die Wahl des Bundestagspräsidenten und des Kanzlers, geschieht durch Aufruf jedes einzelnen Abgeordneten, der in eine Wahlkabine geht, den Stimmzettel dort markiert, ihn in einen Umschlag steckt und ihn dann erst in die Urne wirft.

Damit das nicht in einen immer währenden Stress ausartet, haben sich Regierungs- und Oppositionsfraktionen in der Vergangenheit immer wieder auf so genannte ?Pairing?-Abkommen verständigt. Das ist ein Fairness-Verfahren aus dem britischen Unterhaus, das mit Ausnahme von besonders wichtigen und herausragenden Abstimmungen für den Routinebetrieb die Mehrheitsverhältnisse auf dem ?kleinen Dienstweg? dem Wahlergebnis anpasst: Fehlt der Regierungsseite durch wichtige Ministertermine, Gipfeltreffen, Kongresse oder Krankheiten eine Reihe von Abgeordneten für Standardabstimmungen, dann zieht die Opposition eine gleich große Zahl von Abgeordneten vor der Entscheidung zurück. Diese Reduzierung geschieht paarweise (pair = Paar) und erleichtert die parlamentarische Zusammenarbeit.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2002/bp0209/0211006c
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