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Patientenverfügungen
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Ulrike Riedel,
Sachverständige, benannt von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen als Mitglied der Enquete-Kommission "Ethik und Recht der modernen Medizin"

Mit einer Patientenverfügung soll die Art der medizinischen Behandlung für den Fall schwerer Erkrankung und Bewusstlosigkeit, wenn der Patient sich nicht selber äußern kann, vorher festgelegt werden. Damit werden Festlegungen für eine Situation getroffen, die der Verfügende noch nicht durchlebt hat und von der er sich folglich allenfalls eine theoretische Vorstellung machen kann.

Eine solche Willenserklärung über zukünftige und existenzielle Fragen mit unrevidierbaren Folgen kann man in ihren Wirkungen weder ethisch noch rechtlich anderen Willenserklärungen, mit denen eine Entscheidung über eine gegenwärtige Situation getroffen wird, gleichstellen. Auch macht es einen Unterschied, ob der Patient selbst entscheidet - sich etwa sehenden Auges selber schadet - oder ob er anderen Menschen, Arzt und Angehörigen, abverlangt, dass diese durch Unterlassen medizinischer Maßnahmen und Entzug von Nahrung und Flüssigkeit helfen, sein Leben zu beenden. Denn die anderen Menschen unterstehen nicht nur dem Willen des Patienten, sondern sie sind an objektive, vom Staat zur Erhaltung grundlegender Werte des Zusammenlebens in der Gesellschaft aufgestellte Regelungen gebunden, etwa an das Verbot der Tötung auf Verlangen. Diese Strafnorm hat ihre Berechtigung darin, dass bei Zulässigkeit der Tötung auf Verlangen keine auch noch so ausgeklügelte Regelung verhindern könnte, dass schwerkranke oder pflegebedürftige Menschen um den Tod bitten, weil sie Angst haben, ihren Angehörigen oder der Gesellschaft finanziell oder durch die erforderliche Pflege zur Last zu fallen.

Wenn ich per Patientenverfügung verlange, dass man mich im Falle meiner Bewusstlosigkeit auch dann nicht behandelt und sterben lässt, wenn meine Krankheit möglicherweise heilbar oder besserungsfähig ist, so erfüllt dies zwar nach den Buchstaben des Gesetzes das Verbot der Tötung auf Verlangen insofern nicht, als meine Angehörigen mich nicht aktiv töten, sondern mich "nur" im Zustand der Bewusstlosigkeit, in dem ich mir nicht selber helfen kann, sterben lassen. Aber das Ergebnis ist das gleiche. Erforderlich ist daher eine objektive Eingrenzung der Gültigkeit einer Patientenverfügung (neben der Klärung der subjektiven Seite im Einzelfall, d. h. der Interpretation des verfügten Willens im Hinblick auf die konkrete Situation - was immer eine großes Problem sein wird).

Die Enquete-Kommission hat mit großer Mehrheit und auch mit meiner Stimme beschlossen, dass diese objektive Grenze da anzusetzen ist, wo eine Heilung oder Besserung des Patienten noch möglich ist. Das heißt, eine Patientenverfügung, mit der lebenserhaltende Maßnahmen unterbunden werden sollen, darf nur umgesetzt werden, soweit das Leiden des Patienten auch mit medizinischer Behandlung irreversibel ist und zum Tode führt. Bei den meisten Beispielsfällen, die in der öffentlichen Debatte immer wieder als Beleg für unzumutbare "Zwangsbehandlung" angeführt werden, handelt es sich um solche Fälle: der Patient liegt im Sterben (hier sind lebenserhaltende Maßnahmen ohnehin nicht mehr zulässig), oder der Tod ist absehbar oder die Krankheit ist zumindest so weit fortgeschritten, dass sie nach medizinsicher Erkenntnis zum Tode führt. Demenz und Wachkoma an sich sind keine tödlichen Leiden.

Diese Begrenzung entspricht der derzeitigen Rechtslage. Der Bundesgerichtshof hat 2003 in Anwendung des allgemeinen Zivil- und Strafrechtes eine solche Begrenzung der Gültigkeit von Patientenverfügungen unter Hinweise auf die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigt. Eine gesetzliche Klarstellung sollte erfolgen. Dabei sollten auch die formellen Anforderungen an die Gültigkeit einer Patientenverfügung festgelegt werden wie die Schriftform der Patientenverfügung.

Quelle: http://www.bundestag.de/dialog/Konferenzen/2004/patient/riedel
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