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Präimplatationsdiagnostik
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PID Nicht vorschnell entscheiden sondern Argumente austauschen

  16.02.01 Helga Kühn-Mengel SPD-Fraktion
Mit den rasanten Fortschritten der Biomedizin, mit der dynamischen Entschlüsselung des genetischen Erbguts, mit der Entwicklung genetischer Testsysteme wird es in zunehmendem Maße möglich, Elternschaft, Schwangerschaft und Geburt technisch zu beeinflussen und zu kontrollieren.

Ein Beispiel dafür ist die sogenannte Präimplantationsdiagnostik (PID), ein Teilbereich der genetischen Diagnostik, der sich mit erheblicher Dynamik entwickelt. Die PID ist ein Verfahren, mit dem sich genetische Untersuchungen an Embryonen, die im Labor gezeugt wurden, vornehmen lassen.

Die PID findet notwendigerweise als Teil anderer fortpflanzungstechnologischer Maßnahmen statt: Grundlage ist die vorausgegangene In-Vitro-Fertilisation (IVF), die sogenannte künstliche Befruchtung. Allgemein bekannt ist die pränatale Diagnostik: Hier wird der Fötus im Mutterleib untersucht; die Präimplantationsdiagnostik hingegen untersucht den Embryo nicht nur vorgeburtlich, sondern in vitro, noch im Reagenzglas, vor dem Transfer in den Körper der Frau.

Die Untersuchungen ermöglichen die Feststellung monogenetischer Erkrankungen (Erkrankungen, die auf die Veränderung eines Gens zurückzuführen sind) oder Veränderungen des Chromosoms allgemein. Nur jene Embryonen werden in den Körper der Frau übertragen, die nicht von den gesuchten genetischen Eigenschaften betroffen sind.

Die PID wird in Deutschland nicht durchgeführt, wohl in einigen europäischen Nachbarländern und in den USA. Im deutschen Embryonenschutzgesetz wird sie nicht ausdrücklich genannt, die Mehrheit der Juristen und Juristinnen, ebenso wie die Bundesregierung, geht davon aus, dass ihre Anwendung durch deutsches Recht nicht gedeckt ist. Sie verstößt im Gegenteil gegen verschiedene Regelungen des Embryonenschutzgesetzes:

Dieses gestattet eine künstliche Befruchtung nur zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, bei PID allerdings wird die Schwangerschaft, also die Implantation des Embryos, vom Ergebnis des Gentests abhängig gemacht. Zudem werden im Rahmen der PID aus der künstlichen befruchteten Eizelle einzelne Zellen entnommen, die dann auf genetische Merkmale getestet werden. Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft ist nicht auszuschließen, dass bei diesen Zellen "Totipotenz" vorliegt, also die Möglichkeit der Entwicklung zu einem menschlichen Individuum. Das Embryonenschutzgesetz aber verbietet die Untersuchung an Embryonen im Stadium der zellulären Totipotenz.

Immer wieder wird angeführt, dass die In-Vitro-Fertilisation in Verbindung mit der Präimplantationsdiagnostik für manche Paare mit schweren Erberkrankungen im familiären Umfeld Hilfe und Entlastung darstellt: Sie eröffne die Chance auf eine Schwangerschaft, ohne den Konflikt eines Abbruchs in den ersten Schwangerschaftswochen.

Die Debatte um die PID begann in Deutschland im Jahr 1995. Damals stellte sich ein Ehepaar an der Universitätsklinik Lübeck vor, das 1990 nach der Geburt ein Kind infolge einer schweren Mukoviszidose-Erkrankung verloren hatte. Eine daraufhin erfolgte genetische Diagnostik ergab ein Wiederholungsrisiko von 25%. Das Paar wünschte sich ein weiteres Kind, ließ jedoch im Laufe der Schwangerschaft eine Pränataldiagnostik durchführen. Nachdem die Untersuchung eine Mukoviszidose-Erkrankung ergeben hatte, wurde ein Schwangerschaftsabbruch durchgeführt. Eine dritte Schwangerschaft endete in gleicher Weise. Vor diesem Hintergrund ging das Paar den Weg der künstlichen Befruchtung und wünschte die Durchführung einer PID. Dies wurde von der Ethikkommission der Universität Lübeck allerdings mit Verweis auf die deutsche Rechtslage abgelehnt.

Für die psychisch belastende Situation dieses Paares und den daraus resultierenden Wunsch nach Testung des in vitro heranwachsenden Lebens habe ich Verständnis. Ethik ist meines Erachtens immer nur dann menschlich, wenn sie nicht abstrakt argumentiert, sondern auch den konkreten Einzelfall mit einbezieht.

Allerdings zeigt gerade das Beispiel der Mukoviszidose für mich die Schwierigkeit der ethischen Bewertung und politischen Entscheidungsfindung. Viele Menschen führen mit dieser Krankheit aufgrund moderner Therapeutika ein durchaus "normales" und erfülltes Leben mit Beruf und Familie. Für sie ist die Diagnose "Mukoviszidose" keineswegs ein Grund zur Selektion von Embryonen. Sie fühlen sich in ihrer Würde verletzt, wenn gerade von der Ärzteschaft diese Krankheit immer wieder als klassisches Beispiel zur Durchführung einer PID genannt wird. Im Falle einer Zulassung der PID stellt sich also die Frage: Wer entscheidet über den Indikationenkatalog, der zur Durchführung einer Diagnostik in vitro berechtigt? Selbst unter Humangenetikern gibt es keinen Konsens darüber, welche Erbkrankheiten als besonders schwerwiegend einzustufen sind.

Eine weitere wichtige Frage stellt sich: Welche Auswirkungen haben die neuen Gen- und Reproduktionstechniken auf das Leben und die Selbstbestimmung der Frau? Vor dem Hintergrund staatlicher und gesellschaftlicher Fremdbestimmung haben Frauen in den vergangenen Jahrzehnten die Anerkennung unterschiedlicher Lebensentwürfe gefordert. Aber: Gibt es ein Recht auf ein Kind, und gibt es ein Recht auf ein gesundes Kind? Hat andererseits der Staat das Recht, die Nutzung der neuen gentechnischen Möglichkeiten zu verbieten?

Die PID berührt in der Verfassung festgeschriebene Grundrechte, wie die Menschenwürde und das Recht auf Leben.
Es ist daher, meiner Meinung nach, Pflicht des Gesetzgebers, diese Fragen politisch zu entscheiden: Standesrechtliche Regelungen, etwa in Form von Richtlinien der Bundesärztekammer reichen hier nicht aus.

Die Fragen um die Zulässigkeit der Präimplantationsdiagnostik sind für mich politisch und ethisch längst nicht entschieden.

Ich freue mich auf den Dialog mit Ihnen

  17.02.01 Dr. med. Burkhard Gmelin burkhard.gmelin@planet-interkom.de
Zunächst: Ich bin sehr beeindruckt, mit welchem Ernst diese Debatte von der Politik (betrifft alle Parteien!)geführt wird. Das Problem ist: Es handelt sich um eine Grauzone, in der alle in bestimmter Beziehung recht haben. Es kann und wird (wie in vielen anderen Grauzonen-Fällen auch) keine Entscheidung geben, die nicht angreifbar ist. Deshalb sind Sie um Ihre Aufgabe nicht zu beneiden! Das weitere Problem ist: Hier soll mit den rechtssystematischen Mitteln des Gesetzes geregelt werden, was sich eigentlich nur in Form einer gesellschaftlichen Duldung lösen lassen wird (hier sehe ich den Hintergrund des pragmatischen Lösungsvorschlages der BÄK). Das Paradoxon lautet: Das juristische Denken in "Präzedenzfällen" steht hier dem Gesetzgeber (und vielen Ethikern!) bei der Lösungssuche im Wege. Aber: Die juristisch und ethisch wasserdichte Lösung würde lediglich einen PID-Tourismus erzeugen (wie früher bei der Abtreibung). Andererseits: Ethik wird immer für den Einzelnen unbequem bleiben(sonst könnte man gleich auf sie verzichten). Die Lösung wird also jenseits von
"Rechtsansprüchen" bzw. Präzedenzfällen wohl auf eine Gewissensentscheidung der im konkreten Fall Betroffenen nach eingehender Beratung (ähnlich wie bei der Schwangerschaftskonflikt-Beratung) hinauslaufen müssen. Keinesfalls darf der Eindruck entstehen, hier würde der ethische Grundkonsens der Beliebigkeit des jeweils technisch Möglichen geopfert (das wäre das Ende der Ethik).
Mit freundlichen Grüßen
Ihr B. Gmelin

  21.02.01 Per-Holger Sanden psand1@aerztenet.de
Die diffuse Angst der Behinderten, nach den behinderten Embryonen stünden die behinderten Menschen zur Diskussion, ist vielleicht noch nachvollziehbar. Wer grundsätzlich gegen PID ist, der sollte sich einmal fragen, wie er auf ein eigenes behindertes Kind reagieren würde.

  21.02.01 Thomas Batinic, Dipl.-Biologe batinic@web.de
Etwas weniger Arroganz bitte! Natürlich wünschen sich Eltern keine behinderten Kinder. Doch daraus darf nicht der Schluß gezogen werden, daß dies das größte Unglück ist, das einem geschehen kann. Das möchten einem vielleicht einige Ärzte (vorwiegend Pränataldiagnosiker) einreden, aber entscheidend ist doch, wie Eltern eines behinderten Kindes TATSÄCHLICH mit diesem Kind leben. Und der Sinn der Pränataldiagnostik sollte es eher sein, den Start ins Leben bei angeborenen Fehlbildungen so gut wie möglich medizinisch vorzubereiten als ihn zu verhindern.

Ich bin Biologe und Vater eines zwei Jahre alten Sohnes mit einem angeborenem schweren Herzfehler, der bereits mehrmals operiert wurde. Dieser Herzfehler hätte auch durch PID genetisch nicht erkannt werden können. Mein Sohn wäre also trotz frühzeitiger Diagnostik mit dieser Fehlbildung auf die Welt gekommen.

Auch andere durch Entwicklungsstörungen oder äußere Einflüsse hervorgerufene Erkrankungen oder Behinderungen können auch in Zukunft niemals gänzlich verhindert werden. Im übrigen kann JEDER durch einen Unfall oder durch Krankheit von heute auf morgen selbst behindert sein. Sollen wir diese Menschen und die Eltern behinderter Kinder irgendwann einmal als absolute Ausnahmeerscheinung betrachten, weil es gesellschaftlich nur noch akzeptiert wird, ausschließlich gesunde Kinder zu bekommen? Wo würde dieser Weg unsere Gesellschaft hinführen, in der schon heute Behinderte mehr und mehr ausgegrenzt werden?

Vielfach ist zu hören, daß Eltern und Kindern viel Leid erspart bliebe, wenn man ein genetisch gesundes Kind garantieren kann. Abgesehen davon, daß dies niemand wirklich garantieren kann, ist das pauschale Gleichsetzen von Behinderung und Leid absolut unzulässig. Die Mehrzahl aller behindert auf die Welt gekommenen Kinder wachsen glücklich auf und ihre Eltern möchten sie um nichts in der Welt gegen ein gesundes Kind tauschen.

Wer definiert eigentlich, was genetisch gesund ist (oder sein darf)? Auch evolutionsbiologisch betrachtet ist es eine interessante – aber eher philosophische – Frage, ob und inwieweit am menschlichen Erbgut manipuliert werden darf. Denn das Erbgut verändert sich natürlicherweise langfristig entsprechend äußerer Einflüsse. Wer legt fest (und für welchen Zeitraum), was ein genetischer Defekt ist und was nur eine Variation der Natur? Wir sind als 70 bis 80 Jahre lebende Individuen nicht in der Lage, vorauszusehen, wie sich unser möglicherweise später auch genmanipulierendes Verhalten in Jahrtausenden und Jahrmillionen auswirkt. Darf sich ausgerechnet unsere Generation, darf sich überhaupt irgendeine Generation ein Handeln erlauben, dessen Tragweite niemand imstande ist zu ermessen?

Viel wichtiger als die Frage, ob und wie man möglichst umfassend alles über das Ungeborene noch im Stadium des Zellhaufens herausbekommt, ist doch heute schon die schwierige Frage nach der Entscheidung für oder gegen ein Kind bei einem möglichen positiven Befund der Diagnostik. Das ist schon heute ein ungelöstes Problem der Pränataldiagnostik, das vor allem Frauen in schwere Nöte führt mit entsprechenden psychischen Folgen. (Viele Mütter, die sehen, daß andere Kinder mit ähnlicher Diagnose gut leben, machen sich selbst Vorwürfe, ob sie mit einer Abtreibung richtig gehandelt haben.) Ist es nicht heute schon eher eine Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz als der persönlichen und familiären Belastbarkeit, wenn sich eine Mutter beispielsweise gegen ein Kind mit Down-Syndrom (Trisomie 21) entscheidet? Doch das sind persönliche Einzelentscheidungen, die individuell zu betrachten sind.

Erst wenn Kinder mit einer genetischen Fehlbildung gar nicht mehr die Möglichkeit zum Leben haben, und auch die Eltern faktisch nicht mehr die Wahl, weil schon frühzeitig für einen gesunden Embryo entschieden wird, dann muss man sich fragen: Wer legt denn fest, wie lang ein lebenswertes Leben mindestens zu sein hat? Wer kann ermessen, wie glücklich ein Mensch sein wird, damit er ein lebenswertes Leben führt? Kinder mit angeborenen Herzfehlern haben eine geringere Lebenserwartung. Ist dies Grund genug, sie gar nicht erst ins Leben starten zu lassen?

Natürlich ist die Belastbarkeit von Eltern unterschiedlich. Und viele von ihnen hätten ihr behindertes Kind nicht bekommen, wenn sie es vorher gewusst hätten. Sie sind durch Zufall zu einem behinderten Kind gekommen, aber sie sind in ihrer Elternrolle dennoch zufrieden und glücklich mit ihrem Kind. Daß einige damit nicht zurecht kommen ist kein Argument, denn auch mit gesunden Kindern kommen einige Eltern nicht zurecht.

Ich bitte zu entschuldigen, daß ich aus der Sicht des Vaters eines existierenden, liebenswerten kleinen Jungen argumentiere. Ich bin mir als Biologe dennoch bewußt, daß ein Embryo ein Zellhaufen ist und – noch – kein Mensch. Aber es ist zulässig, zu verleugnen, daß sich dieser Zellhaufen zu einem Menschen mit einer Menschenwürde entwickelt? Das ist doch gerade die Krux, wenn sich eine Frau für oder gegen ihr späteres Kind entscheiden muß. Warum sonst leidet sie oft seelische Qualen nach einer Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch?

Das Ziel „Kinderwunsch“ darf nicht alle Methoden rechtfertigen. Heute ist es ein Paar, das sich nur ein Kind – sei es behindert oder nicht – wünscht, morgen ist es eines, das ein Kind auf Bestellung will und auf Äußerlichkeiten und Begabung wert legt. Das widerspricht der Menschenwürde. Was passiert, wenn das Kind dennoch behindert ist?

Ich frage mich, ob die Eltern, denen jede Methode recht ist, um ein (Hauptsache gesundes) Kind zu bekommen, tatsächlich gute Eltern sein werden und zweifele stark daran. Hätte ich wieder einen Kinderwunsch, der auf natürliche Weise nicht zu erreichen ist, nähme ich ein Kind, das keine Eltern mehr hat und bemühte mich lieber um eine Adoption, als mich auf Experimente mit menschlichem Leben und falsche Versprechungen einzulassen.

  22.02.01 Karin Nebeling Karin.Nebeling@kinderherzliga.de
"Die diffuse Angst der Behinderten, nach den behinderten Embryonen stünden die behinderten Menschen zur Diskussion, ist vielleicht noch nachvollziehbar. Wer grundsätzlich gegen PID ist, der sollte sich einmal fragen, wie er auf ein eigenes behindertes Kind reagieren würde."

So habe ich reagiert: Traurig, wütend (warum gerade wir), von Fragen nach der Schuld unzählige Nächte um den Schlaf gebracht. Und trotzdem, irgendwann beginnt man zu akzeptieren und ist schließlich doch sehr glücklich das man es hat.

Was ist das für eine Argumentation? Ein Embryo ist kein "diverser Zellhaufen", sondern Lebensanfang eines Menschen.

IVF hilft Paaren ihr Problem "Kinderwunsch" zu lösen, aber ein Recht auf ein gesundes Kind gibt es nicht und sollte auch nicht mit PID geschaffen werden.

In den meisten Fällen ist es wohl so, daß behinderte Kinder zur Welt kommen weil sich Paare ein Kind wünschen, aber den Anspruch - es muß gesund sein - stellen sie nicht und lassen auch keine Pränataldiagnostik durchführen. Sie hoffen ein gesundes Kind zu bekommen. Werden diese Eltern dann Verantwortungslose sein, die unserer Gesellschaft einen behinderten Menschen unbewußt oder trotz bekanntem Risiko zumuten...

Behinderte haben keine diffuse Angst, daß ihr Daseinsrecht später ebenfalls zur Diskussion stünde, sondern gerade solche Diskussionen beziehen sich schon auf ihr Existensrecht. Denn es soll entschieden werden, welche Behinderung erträglich (zumutbar) und welche unerträglich (unzumutbar) für Eltern ist.

Die vorhanden Möglichkeiten durch Pränataldiagnostik sollten m. E. auch für Paare ausreiched sein, deren Kinderwunsch nur durch IVF eine Chance auf Erfüllung hat. Viel wichtiger ist es, für Eltern, die ein krankes Kind bekommen werden, Beratungsstellen einzurichten, um sie auf das Leben mit diesem Kind vorzubereiten und sie auch nach der Geburt des Kindes nicht allein zu lassen. Denn das Leben mit einem kranken Kind ist trotz so manchem leidvollen Miterleben ein sehr intensives und glückliches, so meine Erfahrung als Mutter eines sehr schwer chronisch kranken und eines vollkommen gesunden Kindes. Das Erschwerende war und ist die mangelhafte bis fehlende Beratung durch öffentliche Einrichtungen sowie die Unfähigkeit kranke Menschen wirklich in die Gesellschaft zu integrieren.

Wer das "Risiko" ein krankes Kind oder auch wiederholt ein krankes Kind zu bekommen absolut nicht eingehen will, aber unbedingt ein Kind haben möchte, der kann einem lebenden Kind durch Adoption seinen sehnlichsten Wunsch nach Geborgenheit und Wärme erfüllen. Es gibt viele Kinder, die darauf vergeblich hoffen.

  21.02.01 Joerg Boie boie@telda.net
Die Zusatzbezeichnung "Nicht vorschnell entscheiden, sondern Argumente austauschen" sagt es eigentlich schon. Wenn in Deutschland Nachrichten über medizinische Fortschritte z. B. in USA veröffentlicht werden, dann kommt garantiert irgend ein Professor daher, der sagt, das sei ja alles ganz interessant, aber in Deutschland müssten wir doch erst mal abwarten, wie es sich bewährt, etc. Fragen Sie mal die, die nicht warten können, weil sie dann schon tot sind. Aber die Diskussion ist trotzdem recht müßig, weil auch wir Deutschen irgendwann den führenden Ländern dieser Welt folgen werden. Wie immer mit gebührendem Abstand. :-)

  22.02.01 Christian Bültemann donbue@t-online.de
>>

....das ist der beste Satz der bisher gefallen ist.
Eine Einzelfallentscheidung soll darüber getroffen werden.
...und zwar nicht von irgendwelchen Menschen in irgendwelchen Büros sondern diejenigen die es betrifft und die den Rest ihres Lebens die Verantwortung für den behinderten Menschen übernehmen werden müssen.

Den Eltern sollen die Diagnoseergebnisse mitgeteilt werden. Diese entscheiden dann.
Was ist das anderes als ein Schwangerschaftsabbruch nach einer Fruchtwasseruntersuchung? Wir haben damals auch für uns entschieden wenn diese schlecht verlaufen sollte ersparen wir das dem neuen Menschen.

  22.02.01 Dr. Dirk Kowalski dirk.kowalski@baaderbank.de
Eines der dringlichsten Anliegen der Menschheit ist seit jeher der Erhalt oder das Erlangen von Gesundheit. Niemand nimmt daran Anstoß oder wird dies ernsthaft in Frage stellen.

Ebenso, wie niemand heute die noch vor einigen Jahrzehnten aus moralisch/ethisch/religiösen Gründen höchst kritisch betrachtete Herztransplantation in Frage stellen wird - immerhin vermutet(e) man im Herzen auch den Sitz der Seele! Heute scheinen sogar Kopf/Körper-Transplantationen als machbar - nach Umfrage für eine Vielzahl Querschnittsgelähmter eine ernsthaft in Betracht zu ziehende Option, ihrem Schicksal im wahrsten Sinne des Wortes zu entgehen.

Die kontroverse und lebhafte Diskussion um PID ist so aus meinen Augen zwar verständlich und wohl auch notwendig, kann und wird aber meines Erachtens eine Technik, die grundsätzlich das Vermeiden von Krankheit zum Inhalt hat, nicht aufhalten können.

Ganz außer Frage steht, daß ein klarer Konsens darüber gefunden werden muß wie die PID angewandt wird. Warum sollte es eigentlich nicht gelingen, einen Katalog von Krankheiten aufzustellen, die im Zweifel auf Wunsch der Eltern zu einem Abbruch der IVF führen? Wir haben ein halbwegs funktionierendes Gesellschaftsystem, daß Normen und Rahmenbedingungen für alle nur erdenklichen Situationen und Fragestellungen bereithält - warum sollte es gerade hier versagen, wo es um die Weiterentwicklung der individuellen Gesundheit geht?!

Mich stört an der gegenwärtigen Diskussion, daß sie fast ausschließlich von nicht Betroffenen geführt wird ? wo sind eigentlich die Stimmen der Behinderten, wo sind die Stimmen der betroffenen Angehörigen?! Allein diese Menschen können uns doch darüber Auskunft geben, ob sie lieber nicht geboren worden wären angesichts ihrer Behinderungen. Das mag zwar eine moralisch-ethisch knifflige Frage sein, jedoch nur für jene Gesunden, die derzeit darüber allerorten theoretisieren. Letztlich ist diese Frage aber nur von den Betroffenen selbst zu beantworten - und für jene dürfte diese Frage alles andere als Theorie sein.

  22.02.01 daniel nitzpon scrummy@gmx.net
alle wesentlichen argumente (gegen pid) sind glaube ich schon gefallen, ich koennte hier nur andere wiederholen.

allerdings moechte ich doch noch einmal meinem schrecken ausdruck geben, wie sehr die erfuellung eines kinderwunsches zur selbstverwirklichung und der anspruch auf ein 'normales' kind sich schon durchzusetzen scheinen. mir graut bei der vorstellung, was diesen kindern passiert, wenn sie in der schule oder im leben die erwartungen nicht erfuellen, die ihre eltern an sie stellen.
(gewollte) kinder sollte man nur bekommen, wenn man lust hat, einem neuen menschen die welt zu zeigen und ihn zu beschuetzen, solange er es noetig hat, nicht als ergaenzung zu haus, auto, partner.
vor diesem hintergrund halte ich die diskussion um hilfen fuer eltern von kindern mit behinderung und ob behinderung eine abtreibung rechtfertigt fuer dringender notwendig, als das schleichende vorwaertsdruecken der akzeptanzgrenze

  28.02.01 Barbara Leube leube@uni-duesseldorf.de
Sehr geehrte Frau Kühn-Mengel,
auch ich freue mich über die Möglichkeit zum Dialog (ich bin in der genetischen Beratung und Diagnostik tätig und seit einigen Monaten Fachärztin für Humangenetik).
Die PID hat aus meiner Sicht nur ein, allerdings sehr starkes Argument für sich, das in dieser Diskussion schon mehrfach erwähnt wurde: Wenn ein Embryo in der 16. SSW abgetrieben werden darf, müsse es erst recht erlaubt sein, ihn wenige Tage nach Befruchtung zu verwerfen. Das klingt sehr einleuchtend, bis man erfährt, wie PID in der Praxis tatsächlich gehandhabt wird: Der riesige Unterschied zur pränatalen Diagnostik besteht darin, dass nicht ein Embryo, sondern viele gleichzeitig getestet werden können (in Deutschland meist 3, aber auch diese Grenze wird im Richtlinienentwurf der BÄK nicht festgeschrieben, sondern nur als derzeitige Praxis erwähnt). Das füht (von mir konkret erfahren) dazu, dass
1.) Embryonen, die im späteren Leben zwar völlig gesund wären, aber verdeckte Anlageträger für die getestete Erkrankung sind, oft ebenfalls verworfen werden (ein ähnliches Vorgehen wäre in der Pränataldiagnostik völlig undenkbar)
2.) Eltern vor der PID Screeninguntersuchungen für weitere genetische Abweichungen angeboten werden, deren Tests im Labor verfügbar sind.
Beide Szenarien beziehen sich nicht mehr auf den verständlichen Wunsch der Eltern, eine bestimmte, bereits als traumatisch erlebte Situation für sich zu vermeiden, sondern dienen der möglichst effiziente Verhinderung von Menschen mit genetischen Abweichungen. Beide sind durch den Richtlinienentwurf der BÄK nicht wirklich abgedeckt und lassen sich nach meiner Überzeugung (und Erfahrung) nur dadurch wirksam verhindern, dass - analog zur Pränataldiagnostik - immer nur ein Embryo erzeugt und getestet wird, bevor die Entscheidung für oder gegen die Implantation gefällt wird. (Dies hätte auch eine Reihe weiterer Vorteile, die ich gerne mit Sachverständigen diskutieren würde.)

Wenn man sich mit der Entwicklung der Pränataldiagnostik in Deutschland beschäftigt, klingt es auch völlig utopisch, Frauen mit sog. „Altersrisiko“ und insbesondere IVF-Paare von der PID (die dann den Charakter eines Screenigs hätte) auf Dauer auszuschließen: Diese Grenze wird sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit höchstens einige Jahre halten lassen. Gerade IVF-Paare werden dagegen klagen, dass ihnen das „schonendere“ Verfahren im Vergleich zur Fruchtwasseruntersuchung vorenthalten wird und Reproduktionsmediziner werden ein riesiges Geschäft sowie ausreichend „Material“ wittern, um in Übung zu bleiben. Dieser Aspekt muss zumindest bei der Finanzierung der PID mit bedacht werden.

Alle maßgeblichen Politiker möchte ich dazu ausdrücklich darum bitten, diese praktischen Apekte möglichst eindeutig zu regeln, bevor die PID eingeführt wird: Danach wird sich die Dynamik nicht mehr aufhalten lassen.

Dr. med. Barbara Leube

P.S. Zu Herrn Dr. Dirk Kowalski: „Warum sollte es eigentlich nicht gelingen, einen Katalog von Krankheiten aufzustellen, die im Zweifel auf Wunsch der Eltern zu einem Abbruch der IVF führen?“: Wenn Sie versuchen, in Ihrem Bekanntenkreis einen Konsens darüber zu erzielen, welche Beeinträchtigungen sich mit welcher Wahrscheinlichkeit entwickeln müssten, um eine genetische Veränderung in diesen Katalog aufzunehmen, werden Sie einige Schwierigkeiten von alleine feststellen. Weitere würde ich nach dem Ergebnis dann gerne hier diskutieren. Neben der unterschiedlichen Bewertung durch unterschiedliche Menschen liegt die Hauptschwierigkeit darin, dass eine einzelne genetische Veränderung auch bei den sogenannten monogenen Erkrankungen die Auswirkungen immer nur innerhalb einer oft sehr grossen Bandbreite festlegt.
Außerdem würde nach meiner Erfahrung in der Beratung ein solcher Katalog einen subtilen, aber ungeheuer wirksamen Druck auf Eltern ausüben, die von sich aus keine PID gefordert hätten.

  06.03.01 Annegret Braun
Die rasanten Ausweitungen im Einsatz von vorgeburtlichen Untersuchungen zeigen, dass eine oftmals beschworene Begrenzung niemals eingehalten wird. Auch bei der Einführung von Pränataldiagnostik ,war diese nur für bestimmte Risikogruppen gedacht. Heute wird von großen Teilen der Gynäkologenschaft ein generelles Screening-Programm für alle Schwangeren ,egal welchen Alters und Vorgeschichte gefordert. Ebenfalls wird das Beispiel England als Argumentationshilfe benutzt. In den neuen Bundesländern ist es bereits Routine alle Schwangeren mit dem Angebot der pränatalen Diagnostik und deren selbstverständlichem Einsatz zu verunsichern. Frauen werden immer mehr unter Druck gebracht, nur gesunde Kinder gebären zu dürfen, ansonsten trifft sie der Vorwurf der Selbstverschuldung und Verantwortungslosigkeit. Genau dies setzt sich auch im Ansinnen der PID fort. Hier wird eine enge Begrenzung von den Befürwortern beschworen, doch wird ihr zwangsläufig auch hier die Öffnung folgen für alle, die das möchten. Doch das Möchten kann sich sehr schnell zum Müssen verwandeln.
Frauen werden zu Opfern von Machbarkeitsphantasien ,und was wohl das Gravierendste ist, ihre Notlage wird von der Forschung ohne, dass sie es wissen, ausgenutzt.(Einmal ganz abgesehen von den gesundheitsschädigenden Nebenwirkungen dieser hormonellen überstimulisierenden Therapien). Warum gibt es denn ein solches Rieseninteresse für so eine kleine Gruppe von Betroffenen, ca. 50-100 im Jahr, von denen statistisch nur 25 überhaupt den versprochenen Erfolg nämlich ein Kind ohne diese Krankheitsstigmata bekommen können. Warum wird für so eine kleine Gruppe so eine Riesenforschung gefordert und eingeleitet und alle politischen Raffinessen zu ihrer Ermöglichung eingesetzt. Wie viele seltene Krankheiten gibt es, wofür sich keine Forschung und keine pharmazeutischen o.ä. Industrien interessieren, weil hier kein wirtschaftlicher Gewinn herausspringt. Spätestens jetzt muss es jedem deutlich werden, dass hinter der Forderung zur Erlaubnis der PID ganz andere Interessen stehen, die herzlich wenig mit der Erfüllung eines besonderen Kinderwunsches zu tun haben. Die PID ist ein weiterer Einstieg in die Beforschung des Menschen, diesmal gezielt nach der Forschung kranker Gene, und damit auch die Öffnung zu weitergehenden Gentechniken, nämlich die der Keimbahntherapie, die bisher strikt noch von allen abgelehnt wird. .Doch die Erfahrung zeigt, dass auch im Forschungsalltag nicht davon auszugehen ist, dass das ,was zwar verboten ist, nicht doch getan wird. Und hier bietet die PID den besten Einstieg dazu, denn sie liefert das Material dazu. Betroffene Frauen und Eltern ahnen dies nicht und können in ihrer Not auch nicht erkennen, welchen Preis wir alle dafür bezahlen, nämlich den der freien Verfügbarkeit des Menschen über den Menschen und einer daraus abzuleitenden Bewertung, welches Maß an Normalität ein Mensch haben muss, dass er seine Lebensberechtigung erhält. Bezeichnend dafür ist, dass gerade aus diesen Gründen Menschen, für die sich die Verfechter für die PID einsetzen bzw. mit ihnen argumentieren, z.B. die Mucoviscidoserkrankten bzw. deren Eltern nur zu 30 % dies wünschen, die übrigen 70 % mit großer Skepsis und Ablehnung reagieren. Sie ahnen , welche gesellschaftspolitischen Auswirkungen und Folgen die PID für sie haben könnte. Dies sind für mich neben anderen Gründen, die vorrangigsten, die einer Zulassung der PID entgegenstehen.
Annegret Braun Stuttgart, Kornbergstr. 32, 70176 _Stuttgart.

Quelle: http://www.bundestag.de/dialog/forum/enquete_medizin_archiv/01kuehnmengel
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