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Einführungsrede anläßlich der Konferenz "Europäische Integration und internationale Zusammenarbeit" am 06. September 1999 im ehemaligen Plenarsaal in Bonn

Es gilt das gesprochene Wort

"Ich begrüße Sie alle sehr herzlich zur "Konferenz der Präsidenten der Parlamente der Mitgliedsstaaten des Europarates und der G-8" hier im ehemaligen Plenarsaal des Deutschen Bundestages. Unsere Bonner Beratungen werden sich dem Thema "Europäische Integration und internationale Zusammenarbeit" widmen. Das umfassende Thema entspricht der bemerkenswerten Resonanz, die diese Konferenz durch die Anwesenheit hoher parlamentarischen Repräsentanten der Mitgliedsstaaten des Europarates sowie der G-8-Staaten und bedeutender Interparlamentarischer Versammlungen gefunden hat.

Ein Jahrzehnt nach dem Ende des Ost-West-Gegensatzes wird die Fortführung und Vertiefung der "Europäischen Integration" einen Schwerpunkt unserer Bonner Beratungen bilden. Erst zehn Jahre ist es her, seit Gyula Horn und Alois Mock den Eisernen Vorhang an der österreichisch-ungarischen Grenze durchschnitten, dass die Mauer in Berlin fiel. Beide dramatischen Ereignisse bedeuteten Freiheit für Millionen von Menschen, die sich nach ihr sehnten und nun am Ziel ihres Kampfes waren. Das beglückende Gefühl der Befreiung in jenen Tagen gilt es in Erinnerung zu rufen. Vielen Menschen ist längst wichtiger - aber eben auch lästiger - sich mit den Veränderungen auseinanderzusetzen, die seither herbeigeführt worden sind.

Aus einem Europa der Gegensätze und Spannungen ist ein Europa von Nachbarn und Verbündeten geworden. Aber die Mühsal der Ebene, die wir derzeit durchqueren, um unsere europäischen Institutuionen und Finanzen auf die Erweiterung der Union und noch besser auf den scharfen internationalen Wettbewerb einzustellen, beschert uns gleichwohl Konflikte und Meinungsverschiedenheiten. Die parlamentarische Demokratie hat sich durchgesetzt und gefestigt in fast allen Staaten Mittel- und Südosteuropas. Die wirtschaftlichen Verbindungen im sich einigenden Europa werden immer vielfältiger und enger. Und fast das Wichtigste: Die Menschen auf dem früher geteilten europäischen Kontinent finden mehr und mehr zueinander. Das Bewußtsein einer gemeinsamen europäischen Kultur wächst. Ich sehe es als eine unserer wichtigsten Zukunftsaufgaben an, alles dafür zu tun, daß dieses Denken in den Köpfen und den Herzen der Menschen Wurzeln faßt. Wie groß diese Aufgabe ist, kann man daran ermessen, daß wir in diesem Jahr in einen Krieg gezogen sind und nun alle Hände voll zu tun haben, die erbitterten Menschen im Kosovo vom Bewahren des Frieden zu überzeugen. Wir müssen auch nach dem Ende des Kommunismus vor allem Frieden schaffen und wahren.

Wir müssen Europa - auch deshalb - politisch, ökonomisch, sozial und kulturell weiter zusammenführen. Was uns einigt, sind dabei mehr als politische oder wirtschaftliche Einzelinteressen. Vor allem verbindet uns der Geist der parlamentarischen Demokratie. Das ist auch der Geist der Vielfalt, des Pluralismus, des zivilen Streites um beste Lösungen. Hierauf sollten wir bauen. Dies aber bedeutet: Keine Akzeptanz für die Austragung welcher Konflikte auch immer mit Gewalt, Sorge um eine wirtschaftliche Entwicklung, die allen Länder und Regionen in Europa Nutzen bringt und Vertiefung der europäischen Kulturbeziehungen auf der Basis von Offenheit und Toleranz. Kulturelle Vielfalt ist unser besonderer europäischer Reichtum.

Friedenssicherung hat erste Priorität - oder sollte sie doch haben - beim zweiten thematischen Schwerpunktthema dieser Konferenz: der internationalen Zusammenarbeit, die über unseren eigenen, europäischen Horizont hinausweist. Sie wird angesichts der fortschreitenden Globalisierungstendenzen in den vor uns liegenden Jahren noch an Bedeutung gewinnen. Die Anwesenheit der hohen Repräsentanten der G-8-Staaten bei unserer Konferenz unterstreicht die Bedeutung dieser Perspektive.

Bei der Lösung internationaler politischer, ökonomischer und sozialer Probleme wird den Parlamenten eine wachsende Bedeutung zukommen. Die Fragen sind überall die gleichen: wie gewährleisten wir den notwendigen sozialen Zusammenhalt, wie gewährleisten wir soziale Gerechtigkeit und ökologische Vernunft, alle die Ziele und Notwendigkeiten, die Markt und Wettbewerb eben von sich aus nicht erreichen, von denen sie uns vielmehr wegführen.

Es gibt keine globale, nicht einmal eine wirksame europäische Öffentlichkeit, die der Globalisierung Rechnung trägt. Oft bleiben deshalb auch die Parlamente dem Rahmen der nationalstaatlichen Angelegenheiten verpflichtet, in dem allein aber die meisten politischen Fragen keine gültige Antwort mehr finden können.

Unsere Bonner "Parlamentspräsidenten-Konferenz" ist die letzte in diesem Jahrhundert. Vergessen wir nicht, daß sich nach den Schrecken des zu Ende gehenden Jahrhunderts die parlamentarische Demokratie als die beste Staatsform erwiesen hat. Sie allein geht von der Unantastbarkeit der Menschenwürde und der Menschenrechte aus. Gerade wenn wir den universalen Anspruch der Menschenrechte bekräftigen, müssen wir ihnen vor und hinter der jeweils eigenen Haustüre ihre Geltung sichern. Das wird unter neuartigen Umständen neuartige Mittel und Instrumente erfordern.

Unserer Übereinstimmung in den Grundwerten gilt es künftig durch eine verstärkte internationale Zusammenarbeit Rechnung zu tragen - in Vertrauen, Respekt und der Bereitschaft, aufeinander zuzugehen. Nur so können wir dritten ein überzeugendes Beispiel geben. Ich wünsche uns allen eine erfolgreiche Bonner PPK und nicht zuletzt einen in diesem Sinne guten Aufenthalt am Rhein und später an der Spree."

Quelle: http://www.bundestag.de/parlament/praesidium/reden/1999/021
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