Koalition und Union für neues Versammlungsrecht in geänderter Fassung
Berlin: (hib/WOL) Mit den Stimmen der Koalition und der CDU/CSU hat sich der Innenausschuss am Mittwochvormittag gegen das Votum der FDP für den Gesetzentwurf der Koalition zur Änderung des Versammlungsgesetzes und des Strafrechtes (15/4832) in der vom Ausschuss geänderten Fassung ausgesprochen. Danach kann eine Versammlung oder ein Aufzug insbesondere dann verboten oder von bestimmten Auflagen abhängig gemacht werden, wenn dieser an einem Ort stattfindet, der als Gedenkstätte von historisch herausragender überregionaler Bedeutung an die "Opfer der menschenunwürdigen Behandlung unter der nationalsozialistischen Willkürherrschaft" erinnert, und nach feststellbaren Umständen die Würde der Opfer beeinträchtigen würde. Der Gesetzentwurf nennt konkret einzig das Holocaust-Mahnmal als Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Andere Orte für ein Verbot oder Auflagen sollen durch die Bundesländer festgelegt werden. Nach einem neuen Paragrafen im Strafgesetzbuch muss außerdem künftig mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe rechnen, "wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in verletzender Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt und Willkürherrschaft verherrlicht oder rechtfertigt".
Der Gesetzentwurf der CDU/CSU (15/4731), der die Einbeziehung des Brandenburger Tors in die befriedete Zone des Parlaments vorsah, wurde mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP auch in der durch einen Änderungsantrag der Union vorgelegten Fassung abgewiesen.
Die FDP sah sich mit ihrem Votum gegen beide Gesetzentwürfe und damit gegen die anderen Fraktionen des Hauses in eine Verteidigungssituation gerückt. Aus diesem Grund betonte sie besonders die generelle Übereinstimmung gegen Rechtsextremismus. Zu begrüßen sei auch der Versuch, eine konsensfähige Basis zu finden. Die Lösung beim Holocaust-Mahnmal hätte ebenso durch bisher geltendes Recht erreicht werden können. Auch alle anderen Einschränkungen im Bezug auf Orte oder historische Termine hätten zwar im Detail weniger deutlich, aber generell ebenfalls nach geltenden Recht entschieden werden können. Insgesamt dämpften die Fraktionen allzu hochgesteckte Erwartungen an ein geändertes Versammlungsrecht. So betonte die Union, dass etwa eine Demonstration von Neonazis gegen die Gesetzgebung von Hartz IV nicht verboten werden könne. Auch halte man die Gesetzgebung der befriedeten Zonen für nicht stringent, was am Demonstrationsverbot am Sowjetischen Ehrenmal deutlich werde. Fraglich sei im neuen Gesetzentwurf auch, dass dort die Störung der Würde von Opfern der Willkürherrschaft höher gestellt sei, als die Würde der Lebenden, wenn diese mit ansehen müssten, wie Neonazis durch das Brandenburger Tor marschierten. Bündnis 90/Die Grünen hatten die Gleichsetzung von Holocaust-Mahnmal und Brandenburger Tor als bedenklich bezeichnet. Das Tor sei kein Gedenkort, wohl aber mit dem Pariser Platz ein legitimer Versammlungsort für alle demokratischen Gruppen.