Experten: Gesetz über Digitalfunk noch verbesserungswürdig
Berlin: (hib/CHE) Die Einführung eines bundesweit einheitlichen digitalen Sprech- und Datenfunksystems ist notwendig und sollte zeitnah umgesetzt werden. In dieser Auffassung waren sich die Experten während einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses am Montagnachmittag einig. Zur Diskussion stand ein Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen (15/5575). Er sieht vor, das gegenwärtige analoge Funksystem der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) durch ein digitales System zu ersetzen. Zu diesem Zweck ist die Einrichtung einer Bundesanstalt für Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) geplant, die die Interessen von Bund und Ländern wahrnehmen soll. Die Anstalt soll als Aufgabenträgerin für die Bundesaufgaben des Digitalfunks BOS tätig werden und nach Maßgabe eines Verwaltungsabkommens die Wahrnehmung der entsprechenden Aufgaben der Länder übernehmen.
Albrecht Broemme, für die Feuerwehr als Experte geladen, unterstrich die Dringlichkeit eines solchen Vorhabens mit einem Beispiel: "Gegenwärtig ist der Funkkontakt unseres Rettungsdienstes leicht abhörbar. Das würde durch digitale Technik endlich verhindert werden. Das analoge Funksystem ist veraltet und kostet viel Geld. Das sagen wir seit fünf Jahren." Die Einrichtung einer Bundesanstalt beurteilte er ebenfalls positiv: "Sie hätte den klaren Auftrag, für die komplizierte Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Kommunen zu sorgen. Das wäre bei einer anderen Organisationsform nicht gewährleistet."
Norbert Hauser, der Vertreter des Bundesrechnungshofes, schloss sich Broemme insofern an, als er das Gesetzesvorhaben ebenfalls als sehr dringlich bezeichnete. Jedoch müsse man zwischen der Dringlichkeit und der Einrichtung einer Anstalt unterscheiden. "Ich halte die Errichtung einer Anstalt zum gegenwärtigen Zeitpunkt für verfrüht, weil die inhaltlichen Parameter dessen, wie diese Anstalt aussehen soll, noch nicht feststehen", sagte Hauser. Noch fehle ein "belastbarer Konsens" über die Aufteilung der Arbeit zwischen Bund und Ländern.
Deutliche Kritik an dem Gesetzentwurf äußerte Dirk Heckmann, Professor an der Universität Passau und Mitglied des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes. Er bezog sich dabei vor allem auf verfassungsrechtliche Aspekte und bemängelte die Konstruktion der Satzung für die einzurichtende Bundesanstalt. In der bisherigen Variante sieht der Entwurf vor, in der Satzung die Bestellung, Abberufung und Rechtsstellung, Aufgaben und Befugnisse des Präsidenten zu regeln. Gleichzeitig soll aber die Satzung durch den Präsidenten erst erlassen werden. "Wenn ich die Satzung aber noch gar nicht habe, kann ich auch keinen Präsidenten bestellen", erläuterte Heckmann die Widersprüche. Sein Resümee fiel deshalb negativ aus: "Im Grund ist das Gesetz so nicht wirksam umzusetzen. Es besteht dringender Bedarf, die Bestellung des Präsidenten und die Satzung zu ändern."
Die Aufteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern bezeichnete er, ähnlich wie Hauser, als Schwachstelle. Zwar müsse man mit dem Spannungsfeld zwischen Bund- und Länderkompetenzen leben. Es könne aber in diesem Zusammenhang aufgelöst werden, sofern das Gesetz entsprechende Regelungen eindeutig fixiert. "Das Gesetz enthält aber keinerlei Angaben über eine solche genaue Aufteilung", so Heckmann. Ihm fehle "inhaltliche Substanz", weshalb er "größte verfassungsrechtliche Bedenken" geltend machen müsse.
Für die Bundesländer signalisierte Rüdiger Korp, Staatssekretär im Innenministerium von Nordrhein-Westfalen Zustimmung zu dem Entwurf von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Er bezog sich dabei auf Positionen aus der Wirtschaft: "Wir brauchen von Seiten der Industrie einen Auftraggeber, einen verlässlichen Partner und nicht eine Gremienwelt. Deshalb ist eine einheitliche BOS-Stelle zu begrüßen." Er unterstütze deshalb auch die Einrichtung einer solchen Stelle in Form der Bundesanstalt. Nur so könne man gewährleisten, kurzfristige Entscheidungen zu treffen, die etwa bei der Nutzung technischer Neuerungen notwendig seien. Korp unterstrich, dass aus seiner Sicht die Länderinteressen in der Bundesanstalt gewährleistet seien. "Hier sehen wir keine Probleme, da dies über die Verwaltungsratslösung gelöst werden soll."
Kritischer äußerte sich dazu Harald Lemke vom hessischen Finanzministerium: "Mit diesem Projekt wurde ein rechtlich frei schwebender Zustand geschaffen." Die genaue Aufgabenbeschreibung der Bundesanstalt fehle zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch, so Lemke. Außerdem bemängelte er, dass die Länderkompetenzen nicht ausreichend fixiert seien: "Die Bundesländer bleiben bis zum Abschluss eines Verwaltungsabkommens aufgrund des eigenmächtigen Verhaltens des Bundes vom Prozess ausgeschlossen", sagte er. Seiner Meinung nach fehlt darüber hinaus auch eine fachliche Grundlage für dieses Gesetz.