185. Sitzung
Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005
Beginn: 10.01 Uhr
* * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *
* * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *
* * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *
Präsident Wolfgang Thierse:
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf:
Beratung des Antrags des Bundeskanzlers gemäß Art. 68 des Grundgesetzes
– Drucksache 15/5825 –
Über den Antrag werden wir später namentlich abstimmen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache im Anschluss an die Erklärung des Bundeskanzlers eine Stunde vorgesehen, wobei die kleineren Fraktionen vereinbarungsgemäß zusätzliche Redezeit erhalten sollen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Das Wort zu einer Erklärung hat zunächst der Bundeskanzler Gerhard Schröder.
Gerhard Schröder, Bundeskanzler:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Montag dieser Woche habe ich dem Herrn Bundestagspräsidenten mitgeteilt, dass ich es in der gegebenen Situation als meine Pflicht ansehe, im Deutschen Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen. Mein Antrag hat ein einziges, ganz unmissverständliches Ziel: Ich möchte dem Herrn Bundespräsidenten die Auflösung des 15. Deutschen Bundestages und die Anordnung von Neuwahlen vorschlagen können.
Der für meine Partei und für mich selber bittere Ausgang der Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen war das letzte Glied in einer Kette zum Teil empfindlicher und schmerzlicher Wahlniederlagen. In der Folge dessen wurde deutlich, dass es die sichtbar gewordenen Kräfteverhältnisse ohne eine neue Legitimation durch den Souverän, das deutsche Volk, nicht erlauben, meine Politik erfolgreich fortzusetzen.
Endgültig mit diesem Ausgang der Landtagswahl am 22. Mai wurden negative Auswirkungen für die Handlungsfähigkeit im parlamentarischen Raum unabweisbar. Die Agenda 2010 mit ihren Konsequenzen schien zum wiederholten Male ursächlich für ein Votum der Wählerinnen und Wähler gegen meine Partei. Wenn diese Agenda fortgesetzt und weiterentwickelt werden soll – und das muss sie –, ist eine Legitimation durch Wahlen unverzichtbar.
Es ist daher ein Gebot der Fairness und der Aufrichtigkeit gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, gegenüber meiner Partei, gegenüber dem Partner in der Koalition, gegenüber dem Hohen Haus und auch gegenüber mir selbst, die Vertrauensfrage zu stellen.
Meine Damen und Herren, alle im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien haben sich mit Nachdruck für die Auflösung des Bundestages ausgesprochen. Die Wählerinnen und Wähler unterstützen mit überwältigender Mehrheit meinen Wunsch nach Neuwahlen. Dessen sollten wir uns heute alle bewusst sein.
Viermal wurde bislang in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland die Vertrauensfrage gestellt: zweimal – von Helmut Schmidt und mir –, um sich der Mehrheit im Bundestag zu versichern, zweimal – von Willy Brandt und Helmut Kohl –, um den Weg für Neuwahlen freizumachen. Mir ist wohl bewusst: Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben sich bei der Formulierung des Art. 68 sicher nicht von der Überlegung leiten lassen, durch eine gewollte Niederlage die Tür zu einer Auflösung des Parlamentes zu öffnen. Aber – auch darüber geben uns die Beratungen im Parlamentarischen Rat Auskunft – sie wollten ebenso wenig die Möglichkeit einer Neuwahl verwehren, wenn die Lage dies gebietet.
Nach den bösen Erfahrungen von Weimar lehnte es der Parlamentarische Rat ab, dem Bundespräsidenten ein generelles Recht zur Auflösung des Bundestages einzuräumen. Aber auch dem Parlament blieb das Recht zur Selbstauflösung verwehrt. Dem Parlamentarischen Rat verdanken wir mithin Regelungen, die Deutschland zu einer der stabilsten, erfolgreichsten und angesehensten Demokratien der Welt gemacht haben. Dafür sind wir dankbar, auch wenn die Erfolgsgeschichte unserer deutschen Demokratie nicht allein der Weisheit oder dem Weitblick unserer Gründergeneration geschuldet ist, sondern vor allem dem demokratischen Gemeinsinn und dem klugen Instinkt der Bürgerinnen und Bürger, die stets für ein inneres Gleichgewicht unseres Gemeinwesens gesorgt haben.
Unsere Staatspraxis, die auch durch das Bundesverfassungsgericht als verfassungsgemäß bestätigt wurde, ist eindeutig. Der mit der Vertrauensfrage verbundenen Konsequenz von Neuwahlen stehen keine zwingenden verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen. Die entscheidende Frage lautet also: Kann der Bundeskanzler noch des stetigen Vertrauens der Mehrheit des Hauses sicher sein? Denn die drängenden Probleme unseres Landes, die Fortsetzung der begonnenen Reformen, die Krise der Europäischen Union, die Herausforderungen der Globalisierung und die Gefahren für Frieden, Sicherheit und Stabilität in unserer einen Welt dulden keinen Zustand der Lähmung oder des Stillstandes.
Meine Damen und Herren, ich habe mir die Entscheidung, zunächst die Vertrauensfrage, danach mich und meine Regierung einer neuen Wahl zu stellen, reiflich und gewissenhaft überlegt.
Aus der Opposition hat es Forderungen nach meinem Rücktritt gegeben.
Aber was dann?
Der Weg nach Art. 63 Grundgesetz setzt mehrere erfolglose Wahlgänge voraus und ist damit äußerst kompliziert und der Würde des Hohen Hauses nicht angemessen.
Genau aus diesem Grund hat bereits mein Amtsvorgänger diesen Weg 1982 entschieden abgelehnt.
Helmut Kohl betonte vor dem Deutschen Bundestag am 17. Dezember 1982 – ich zitiere ihn wörtlich –:
Der Vorwurf der Manipulation wäre ... gerechtfertigt, wenn ich
– also Helmut Kohl –
den Weg des Rücktritts gemäß Art. 63 des Grundgesetzes wählen würde.
Weiter, meine Damen und Herren, wieder Zitat Helmut Kohl:
In der augenblicklichen Situation würde es niemanden überzeugen, wenn ein derartiges Verfahren eingeschlagen würde, um den Bundespräsidenten zur Auflösung des Bundestages zu nötigen.
Ich
– wieder Helmut Kohl –
bin der Auffassung, dass der von mir gewählte Weg zur Auflösung des Bundestages überzeugend und verfassungsrechtlich einwandfrei ist.
Ich teile diese Argumentation meines Vorgängers.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen von SPD und Grünen haben in unserem Land einen tief greifenden Veränderungsprozess eingeleitet. Dieser Reformprozess ist in seinem Umfang und in seinen Konsequenzen einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik.
Wir haben in Angriff genommen, was unsere Vorgängerregierung unterlassen hatte.
Wir haben begonnen, wozu CDU/CSU und FDP 16 Jahre Zeit, aber niemals den Mut hatten.
Mit den Reformen der Agenda 2010 haben wir wichtige Bereiche unserer Gesellschaft in ihren Strukturen grundlegend erneuert: in der Gesundheitsversorgung, in der Rentenpolitik und auf dem Arbeitsmarkt. Diese Reformen sind notwendig, um unseren Sozialstaat auch in Zukunft zu erhalten und unsere Wirtschaft auf die Herausforderungen der Globalisierung und des Älterwerdens unserer Gesellschaft einzustellen. Diese notwendigen Reformen mussten gegen massive Widerstände von Interessengruppen durchgesetzt werden. Einige haben in dieser Situation auf unverantwortliche Weise die Verunsicherungen der Bürgerinnen und Bürger instrumentalisiert.
Mit populistischen Kampagnen wurden Ängste geweckt und geschürt, weil die Reformen zunächst mit Belastungen verbunden sind, ihre positiven Wirkungen aber erst später, teilweise durchaus erst in einigen Jahren, zu spüren sein werden. Nur zu gut erinnern wir uns an die öffentliche Aufregung bei der Einführung der Praxisgebühr und an die Protestwelle beim Beschluss der so genannten Hartz-IV-Gesetze im vergangenen Jahr.
Keine Frage, das Reformprogramm der Agenda 2010 hat zu Streit zwischen den Parteien und in den Parteien geführt. In den regierenden Parteien und Fraktionen ist es zu inneren Spannungen und auch zu Konflikten um die richtige Richtung gekommen. Meine Partei – das will ich nicht verschweigen – hat darunter besonders gelitten. Die SPD hat seit dem Beschluss der Agenda 2010 bei allen Landtagswahlen und der Europawahl Stimmen verloren, in vielen Fällen sogar die Regierungsbeteiligung in den Ländern. Das war ein hoher Preis für die Durchsetzung der Reformen. Dass wir diesen hohen Preis, zuletzt in Nordrhein-Westfalen, zu zahlen hatten, hat innerhalb meiner Partei und meiner Fraktion zu heftigen Debatten um den künftigen Kurs der SPD geführt. Das gilt in ähnlicher Weise für unseren Koalitionspartner. Es ging und es geht um die Frage, ob die Reformen der Agenda 2010 überhaupt notwendig sind oder ob sie nicht gar zurückgenommen werden sollten. Diese Debatte hat so weit geführt, dass SPD-Mitglieder damit drohten, sich einer rückwärts gewandten, linkspopulistischen Partei anzuschließen, die vor Fremdenfeindlichkeit nicht zurückschreckt.
Einige haben diesen Schritt vollzogen; an die Spitze jener Partei hat sich ein ehemaliger SPD-Vorsitzender gestellt.
Meine Damen und Herren, solch eindeutige Signale aus meiner Partei, der führenden Regierungspartei, musste und muss ich ernst nehmen, zumal in den Wochen vor dem 22. Mai dieses Jahres fast täglich in den Medien darüber berichtet wurde, auch aus dem parlamentarischen Raum heraus. Am 22. Mai lag die Frage offen auf dem Tisch, ob bei diesem Wahlausgang eine volle Handlungsfähigkeit für mich und meine Politik noch gegeben war, zumal die Mehrheit für diese Regierung im Deutschen Bundestag von Anfang an denkbar knapp war. Diese Mehrheit hat sich durch den Verlust nicht nachzubesetzender Überhangmandate weiter reduziert und beträgt nur noch drei Stimmen, wenn die so genannte Kanzlermehrheit erforderlich ist.
Grundvoraussetzung für die gesamte Regierungspolitik, ganz besonders aber für unsere Außen- und Sicherheitspolitik sind Planbarkeit und Verlässlichkeit. Dies betrifft grundsätzliche Fragen wie die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zur Europäischen Union, die weitere Vertiefung unserer Beziehungen zu Russland und den Ausbau unserer politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu China. Hierfür ist die Bundesregierung auf die Geschlossenheit der Koalitionsfraktionen angewiesen. Auch hier sind vermehrt abweichende, jedenfalls die Mehrheit gefährdende Stimmen laut geworden.
Meine Damen und Herren, über die Zweifler und jene, die mit Austritt oder abweichendem Stimmverhalten gedroht haben, will und kann ich moralisch nicht rechten; denn das stetige Vertrauen gemäß Art. 68 unseres Grundgesetzes ist keine moralische, sondern eine politische Kategorie. Art. 38 Abs. 1 des Grundgesetzes erlaubt den Abgeordneten, abweichende Positionen einzunehmen. Diese Tatsache unterliegt nicht einer moralischen Bewertung oder gar einer moralischen Verurteilung von Abgeordneten. Da aber der Bundeskanzler auf dauerhaftes Vertrauen angewiesen ist, um nach innen wie nach außen seine Politik verwirklichen zu können, muss er ein solches abweichendes Ankündigen, Fordern oder Verhalten stets politisch bewerten. Klar abweichende Positionierungen mögen subjektiv betrachtet als durchaus berechtigt angesehen werden, müssen aber vom Bundeskanzler politisch anders beurteilt werden; denn er braucht eine stetige und verlässliche Basis für seine Politik.
Ebenso klar muss auch sein, dass dort, wo Vertrauen nicht mehr vorhanden ist, öffentlich nicht so getan werden darf, als gäbe es dieses Vertrauen. Ich habe auch das erleben müssen. Auch das ist Bestandteil meiner politischen Bewertung. Und diese ist eindeutig: Eine Bewertung der politischen Kräfteverhältnisse vor und nach der Entscheidung, Neuwahlen anzustreben, muss dazu führen – dessen bin ich mir ganz sicher –, dass ich unter den aktuellen Bedingungen nicht auf das notwendige, auf stetiges Vertrauen im Sinne des Art. 68 Grundgesetz rechnen kann.
Meine Damen und Herren, was die bestehenden Kräfteverhältnisse anlangt, so muss ich auch die Auswirkungen auf die Zusammenarbeit zwischen Bundestag und Bundesrat berücksichtigen. Die Situation im Bundesrat ist dabei nicht nur eine Frage der Mehrheit, sondern ist zunächst einmal eine Frage der Haltung, wie die Zahl der Einsprüche nach abgeschlossenen Vermittlungsverfahren exemplarisch zeigt. In der laufenden Wahlperiode hat die Bundesratsmehrheit nach abgeschlossenen Vermittlungsverfahren in 29 Fällen Einspruch gegen das entsprechende Gesetz eingelegt. Das ist fast so häufig wie in den ersten zwölf Wahlperioden der Jahre 1949 bis 1994 zusammen.
Ersichtlich geht es der Bundesratsmehrheit in diesen wie in anderen Fällen, etwa in der Steuerpolitik oder beim Subventionsabbau, nicht mehr um inhaltliche Kompromisse oder staatspolitische Verantwortung, sondern um machtversessene Parteipolitik, die über die Interessen des Landes gestellt wird.
Ich kann es weder der Regierung noch den Regierungsfraktionen zumuten, immer wieder Konzessionen zu machen und doch zu wissen, dass die Bundesratsmehrheit ihre destruktive Blockadehaltung nicht aufgeben wird.
Nur eine durch die Wählerinnen und Wähler klar und neuerlich legitimierte Regierungspolitik wird bei der Mehrheit des Bundesrates zu einem Überdenken der Haltung und – wenn auch nicht kurzfristig – zu einer Änderung der Mehrheit führen.
Meine Damen und Herren, das Ziel des Machterhalts um der Macht willen rechtfertigt niemals Entscheidungen gegen die bessere Einsicht und den Rat des Gewissens. Ich handele in der Gewissheit, dass die von mir begonnene Politik der Reformen richtig und notwendig ist – für unser Land und für seine Menschen. Darum werde ich mich auch mit all meiner Energie und mit ganzer Kraft darum bemühen, dass die Wählerinnen und Wähler mich beauftragen, das Begonnene fortzuführen.
Die Vertrauensfrage gibt daher jedem Abgeordneten die Chance, sich zu entscheiden. Mit einer Enthaltung und auch mit einem Nein eröffnen die Mitglieder dieses Hohen Hauses dem Herrn Bundespräsidenten die Möglichkeit, die Entscheidung über die Zukunft der Politik und über die Zukunft unseres Landes dem Souverän, unseren Bürgerinnen und Bürgern, in die Hand zu geben. Ich bin davon überzeugt, dass dieser Weg mit dem Sinn und den Bestimmungen unserer Verfassung in Einklang ist, und ich bin davon überzeugt, dass der Herr Bundespräsident die richtige Entscheidung treffen wird.
Meine Damen und Herren, ich weiß mich mit den weitaus meisten unserer Landsleute darin einig, dass in der gegenwärtigen Situation die Wähler zu ihrem Recht kommen sollten – nicht im Zuge eines Plebiszits, nicht im Rahmen einer Volksabstimmung, die unsere Verfassung eben nicht vorsieht, sondern durch Neuwahlen, die das erklärte Ziel meiner heutigen Vertrauensfrage sind. Insoweit – das lässt sich gar nicht bestreiten – richtet sich die Vertrauensfrage über den Deutschen Bundestag hinaus natürlich und in letzter Konsequenz an die Wählerinnen und Wähler selbst. Vordergründig betrachtet handelt es sich um einen Vorgang, mit dem der Bundeskanzler sein eigenes Schicksal der Entscheidung des Volkes anvertraut. Die wahre Dimension unserer heutigen Entscheidung weist aber weit darüber hinaus. Tatsächlich geht es um die Möglichkeit des demokratischen Souveräns, die Grundrichtung der künftigen Politik selbst zu bestimmen.
Geben wir den Menschen also die Wahl und die Freiheit, selbst zu entscheiden, welchen Weg unser Land gehen soll, welchen Staat sie sich wünschen, welchen Stellenwert soziale Gerechtigkeit künftig haben soll und wie viel Solidarität das Zusammenleben in unserem Gemeinwesen prägen soll. Wecken wir ihren Lebensmut und ihr Vertrauen in die Zukunft. Lösen wir sie aus jenen Ängsten und Bedrückungen, die auch Folge eines Niederredens unseres Landes und der Leistungen seiner Menschen durch die Opposition sind,
eine Opposition im Übrigen, die sich aus Furcht vor der Verantwortung fast jeder konstruktiven Zusammenarbeit mit uns verweigerte
oder – das füge ich hinzu – eine vollzogene Zusammenarbeit im Nachhinein desavouierte,
eine Opposition, die den Bürgerinnen und Bürgern aus schierem Opportunismus verschweigt – auch jetzt –, welche konkreten Pläne sie hat.
Auch in der Politik gilt: Festklammern an dem, was schon immer war oder was man einmal hat, führt geradewegs in die Erstarrung. Bewahren kann nur derjenige, der zur Veränderung bereit ist. Wenn wir also Energien freisetzen, Bewegungen ermöglichen und weitere Reformen in Gang setzen wollen, dann müssen wir mit den üblichen Regeln der politischen Mechanik, mit der Physik der Macht gleichsam brechen. Die von uns begonnenen Reformen gilt es, entschlossen fortzuführen, damit wir den sich immer rascher wandelnden Anforderungen im Innern und nach außen auch gerecht werden. Im Innern heißt das für uns, die soziale Marktwirtschaft zu bewahren und unser Gesellschaftsmodell weiterzuentwickeln, ein Gesellschaftsmodell, das Produktivität und ökonomische Effizienz mit Solidarität und Gerechtigkeit verbindet.
Es ist gewiss: Der Wandel verlangt einen langen Atem, verlangt Beharrlichkeit und Standfestigkeit, verlangt Überzeugungskraft und Willensstärke. Nach außen heißt das, unsere Rolle als Garant der europäischen Einigung und Integration entschieden und aus tiefer Überzeugung anzunehmen.
Unseren geeinten Kontinent weiter voranzubringen, dazu braucht es wie bisher die Dynamik und die Verlässlichkeit der deutsch-französischen Partnerschaft.
Das heißt, Deutschlands Rolle als angesehene Friedensmacht zu stärken im Kampf gegen Hunger, Armut und Unterdrückung in der Welt, im Kampf gegen Terror und Fanatismus, im Einsatz für einen effektiven Multilateralismus, für eine internationale Ordnung des Rechts, für eine Stärkung der Vereinten Nationen, in denen Deutschland seiner internationalen Verantwortung gemäß einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat anstrebt.
Dies alles sind Aufgaben, denen wir nicht genügen können, wenn die Gefahr eines Legitimationsverlustes unseren Energien keinen Raum lässt. Darum braucht es heute das Votum des Hohen Hauses. Darum braucht es, wenn mir das Vertrauen der Mehrheit versagt bleibt, das Urteil des Souveräns, des Volkes. Es ist keine Zeit zu verlieren. Die Reformen dulden keinen Aufschub. Sie bedeuten auch Abschied von Gewohntem. Das zu sagen verlangt die Aufrichtigkeit, die wir den Bürgern schuldig sind. Meine Sache und der Auftrag der deutschen Sozialdemokratie ist es, dafür zu sorgen, dass wirtschaftliche Effizienz eben nicht auf Kosten der Schwachen erzielt wird, dass also die soziale Balance keinen Schaden nimmt.
Diese Regierung tut ihre Pflicht und sie tut, was für unser Land notwendig ist. Diese Regierung hat das durch die Vorgängerregierung auf dem Land lastende Phlegma, die Realitätsverweigerung und die Reformunwilligkeit überwunden.
Es sind – ich bin stolz darauf – gute Jahre für unser Land,
Jahre, die unser Land nach innen liberaler, toleranter, sicherer und demokratischer gemacht haben
und nach außen selbstbewusster, freier und geachteter.
Wir brauchen jetzt klare Verhältnisse.
– Sie sollten vorsichtig sein. Es schauen uns viele zu.
Darum stelle ich die Vertrauensfrage. Öffnet der Bundestag den Weg zu Neuwahlen, dann haben, wenn der Herr Bundespräsident so entscheidet, unsere Bürgerinnen und Bürger das Wort. Ich vertraue auf die Vernunft und auf die Einsicht der Deutschen. Ich vertraue auf den Mut und die Kraft meiner Partei, die in den 142 Jahren ihrer stolzen Geschichte jederzeit Verantwortung für das Ganze, für sozialen Fortschritt, Gerechtigkeit, Teilhabe und Demokratie wahrgenommen hat. Für genau diese Werte werde ich weiter kämpfen.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort Kollegin Angela Merkel, CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Angela Merkel (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler, lassen Sie es mich gleich zu Beginn ausdrücklich sagen: Dass Sie heute den Antrag auf Abstimmung gemäß Art. 68 des Grundgesetzes mit dem Ziel stellen, eine vorgezogene Wahl zum Deutschen Bundestag herbeizuführen, begrüßt die CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Für diesen Schritt zolle ich Ihnen auch persönlich Respekt; denn er ist unumgänglich, um unserem Land monatelange, quälende Auseinandersetzungen aus Gründen rot-grüner Handlungsfähigkeit
– Handlungsunfähigkeit zu ersparen. – Lachen Sie nicht zu früh!
Herr Bundeskanzler, Sie haben es angedeutet, aber ich will es vielleicht noch etwas offener sagen: Sie sind 1998 angetreten, haben nahezu alles rückgängig gemacht, was wir in richtiger Weise unter der Führung von CDU/CSU und FDP auf den Weg gebracht hatten,
und Sie mussten dann erkennen, dass es so nicht weitergeht. Sie haben am 14. März des Jahres 2003 – ich lasse hier einmal alle Details, in denen wir sicherlich unterschiedlicher Meinung waren, weg – die Agenda 2010 vorgestellt und haben damit – ich sage wieder: jenseits aller Details – die notwendige innenpolitische Antwort gegeben, die wir auf die globalen Herausforderungen geben müssen. Zumindest war und ist diese Agenda ein richtiger Schritt in die richtige Richtung.
Sie haben damals gesagt: Es geht darum – ich zitiere – „die Substanz des Sozialstaates zu erhalten“. Das war vom Grundsatz her die richtige Weichenstellung für Deutschland; denn es gibt keine Alternative dazu, das Land zu reformieren. Sie haben es gewusst und Sie haben es heute wieder angedeutet: Wir brauchen an vielen Stellen weniger Staat und mehr Freiheit. Genau deshalb haben Sie auch von der Substanzerhaltung des Sozialstaats gesprochen. Wir brauchen weniger Reglementierung und mehr Wettbewerb. Wir brauchen weniger Bevormundung und mehr Eigenverantwortung.
Sie haben damals diese Grundsätze in vielfältiger Form durchdekliniert und wir können seit diesem 14. März eines beobachten: Seit genau diesem Tag gibt es in Ihren Reihen, bei Rot-Grün, ein schweres Ringen um jede der Detailfragen und die Lösung jedes der Probleme. Herr Bundeskanzler, Sie wissen doch genau: Wann immer wir uns über die Grundzüge einer Gesundheitsreform unterhalten haben, war das nicht die Schwierigkeit. Die Schwierigkeiten begannen, wenn Sie es mit Ihren Leuten diskutieren mussten.
Herr Bundeskanzler, die Wahrheit ist doch, dass Ihr Kabinett ein Gesetz im Rahmen der Hartz-Gesetze verabschiedet hat, in dem Zumutbarkeitsregelungen vereinbart waren, die erst mit unserem Wirken im Bundesrat wieder zurückgeführt werden konnten, weil Ihre eigene parlamentarische Mehrheit dies nicht wollte. Das ist die Wahrheit.
Es ist doch so – ich bitte Sie, sich subjektiv kein falsches Bild zu machen –, dass im Vermittlungsausschuss über 90 Gesetze beraten worden sind, von denen ein einziges nicht verabschiedet worden ist. Dass Einsprüche getätigt werden mussten, Herr Bundeskanzler, ist doch der Tatsache zu verdanken, dass Sie es abgelehnt haben, im Vorfeld der Verhandlungen des Bundesrats mit uns zu einer Einigung über die zustimmungsfreien Gesetze zu kommen.
Ein einziges Gesetz – das Verfütterungsverbotsgesetz – ist auf der Strecke geblieben. Alle anderen Gesetze sind in dieser Legislaturperiode verabschiedet worden.
Deshalb war im Zweifel doch nicht die Union dafür verantwortlich, Herr Bundeskanzler. Es war – vorsichtig ausgedrückt – das Ringen mit Ihren eigenen Leuten und die Tatsache, dass Sie es wegen dieses Ringens niemals geschafft haben, den Menschen draußen, den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes die Notwendigkeit der Veränderungen in der Gesamtheit zu erklären; es blieb vielmehr immer Stückwerk. Das hat Sie letztendlich auch die Wahlerfolge gekostet. Das hat Sie letztendlich in die Niederlagen getrieben und das hat Sie letztendlich auch den Parteivorsitz gekostet.
Ich sage das als Vorsitzende einer großen Volkspartei, die weiß, dass alle Volksparteien – CDU, CSU und SPD – am Anfang des 21. Jahrhunderts angesichts der Herausforderungen der Globalisierung aufs Äußerste gefordert sind. Es geht um nicht mehr und nicht weniger, als unter völlig veränderten Bedingungen in Zeiten völlig neuer internationaler Herausforderungen unsere Werte – das sind die soziale Marktwirtschaft und die Demokratie – behaupten zu können.
Ob wir diese Aufgabe meistern, ist von allergrößter – ich sage: von entscheidender – Bedeutung für die Frage, wie es mit Deutschland und dem Wohlstand dieses Landes weitergeht. Genau aus diesem Grunde verträgt dieses Land keinen Zickzackkurs, wie Sie ihn immer wieder einschlagen mussten: einen Schritt vor, zwei zurück, einen nach rechts, zwei nach links. Genau dies, was uns das Tempo genommen und den roten Faden, die gesamte Linie genommen hat, verträgt dieses Land nicht mehr. Dieses Land braucht nicht Politik als Stückwerk. Dieses Land braucht Politik aus einem Guss. Darum geht es am Anfang des 21. Jahrhunderts.
Herr Bundeskanzler, Sie sind 1998 mit den Worten angetreten – Sie haben sie bis ins Jahr 2002 mehrfach wiederholt –: „Wenn es uns nicht gelingt, die Arbeitslosigkeit signifikant zu senken, dann sind wir es nicht wert, wieder gewählt zu werden.“
Herr Bundeskanzler, Sie werden es doch nicht bestreiten: Die Zahl von fast 5 Millionen arbeitslosen Menschen bedeutet genau das Gegenteil von dem, was Sie in Erwartung gestellt haben.
Noch 2002 hat die Hartz-Kommission davon gesprochen, bis zum Jahr 2005 die Zahl der Arbeitslosen zu halbieren. Stattdessen haben wir seit Bestehen der Hartz-Kommission 1,5 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse in diesem Land verloren. Das ist die Realität.
Wir haben das geringste Wirtschaftswachstum in Europa. Das ist durch nichts anderes als durch eine falsche nationale Politik zu erklären. Im Jahr 2000 betrugen die Rücklagen in den sozialen Sicherungssystemen noch 23 Milliarden Euro, heute sind diese Rücklagen aufgebraucht. Sie haben die sozialen Sicherungssysteme geplündert. Das ist die Wahrheit. Das hinterlassen Sie.
Herr Bundeskanzler, Ihr Finanzminister – wir haben uns das nicht ausgedacht –
– Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute ist ein wichtiger, ein entscheidender Tag in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und in der Geschichte der Sozialdemokratie.
Das sollte für Sie Anlass sein, zuzuhören. Das ist das Mindeste, was man von einer stolzen Volkspartei erwarten darf.
Ihr eigener Finanzminister – wir haben uns das doch nicht ausgedacht – hat uns einen ausgeglichenen Haushalt für 2006 in Aussicht gestellt. Tatsache ist, dass wir ein strukturelles Defizit in Höhe von 40 bis 50 Milliarden Euro in diesem Haushalt haben. Das ist die Hinterlassenschaft dieser Bundesregierung.
Ein Blick in den Armutsbericht zeigt: Die Kluft zwischen Arm und Reich ist größer geworden. Der Mittelschicht in diesem Land geht es schlechter. Das Klima ist sozial kälter.
Ursache dafür ist, dass Ihre Politik Stückwerk war. Einmal haben Sie einen richtigen Schritt gemacht, oft aber viele falsche Schritte. Das war keine Politik aus einem Guss.
Deshalb lautet das Fazit: Noch nie hat eine Regierung durch ständiges Nachbessern, ohne etwas besser zu machen, durch ständige Ankündigungen und Aufkündigungen, durch Kommissionen anstelle von Entscheidungen das Vertrauen so verspielt wie diese Bundesregierung.
Das ist deshalb so dramatisch, weil Vertrauen so etwas wie der Schmierstoff unserer Demokratie ist.
– Wissen Sie, jeder pflegt die Assoziationen, die er hat. Jeder pflegt die seinen.
Wenn Sie nicht begreifen, dass das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger durch Ihre Politik in das Machbare von Politik so weit erschüttert ist, dass wir alle gemeinsam – das sage ich in totalem Ernst –
vor der Aufgabe stehen werden, in dem auf uns wahrscheinlich zukommenden Wahlkampf
populistischste Argumente jeder Art abwehren zu müssen, kann ich nur sagen: Begreifen Sie es als gemeinsame Aufgabe,
dafür zu sorgen, dass Politik wieder Vertrauen herstellt! Das kann nicht eine Partei schaffen, das ist unsere gemeinsame Aufgabe in diesem Hause.
Wir werden uns genau dieser Aufgabe stellen. Wir werden den Menschen sagen, was für das Wohl dieses Landes notwendig ist.
Dieses Land kann sich kein verlorenes Jahr, keine verlorenen Tage mehr leisten. Wir brauchen endlich wieder eine Politik, die auf die Kraft der Menschen baut und sie ernst nimmt; denn es besteht doch kein Zweifel, dass es ein großes Potenzial an Begabungen gibt, die sich entfalten wollen, dass es starke Kräfte in diesem Land gibt, die wir mobilisieren können, dass es so viel gesunden Menschenverstand gibt, der mit den Realitäten umgehen kann. Genau das heißt, die Prioritäten richtig zu setzen.
Deshalb werden wir den Menschen sagen: Wir brauchen eine Politik, bei der Arbeit unbedingte Vorfahrt hat.
Arbeit ist Teilhabe an unserem gesellschaftlichen Leben. Deshalb muss Arbeit Vorfahrt haben.
Angesichts der begrenzten Möglichkeiten, die wir haben, brauchen wir eine Politik, die sagt: Zukunft für unsere Kinder und Familien, damit dieses Land eine gute Zukunft hat. Das sind die beiden Schwerpunkte unserer Arbeit.
Genau dazu werden wir unsere Programmpunkte vorstellen. Am 11. Juli werden wir wissen – auch Sie werden es wissen; dann können wir es vergleichen –, wer den Menschen sagt, was für dieses Land notwendig ist, wer Vertrauen dadurch gibt, dass er die Realitäten beim Namen nennt, Wege aus den Schwierigkeiten heraus aufzeigt und deutlich macht, wo Licht am Ende des Tunnels ist. Genau in diesem Sinne wird die bevorstehende Bundestagswahl, Herr Bundeskanzler, eine Richtungswahl sein, eine Wahl, bei der es um die Frage geht: Wird die Politik weitermachen wie bisher oder wird es eine Politik sein, die Deutschland wieder nach vorne bringt? Ich sage Ihnen, dass wir eine Politik machen werden, mit der wir die soziale Marktwirtschaft so erneuern wollen, dass
wir Chancen für die Zukunft dieses Landes schaffen. CDU und CSU wissen: Ein Weiter-so kann es nicht geben. Ein Weiter-so wird Deutschland und damit auch Europa in den Stillstand führen. Wir wissen, dass das nicht geschehen darf.
Ich stimme Ihnen insoweit zu: Wir brauchen eine neue Mehrheit. In den unionsregierten Bundesländern haben wir die Mehrheit für die notwendigen Veränderungen in Deutschland. Wir können voller Stolz sagen: Wo die Union regiert, geht es den Menschen in Deutschland besser.
Im Bundesrat haben wir also schon eine Mehrheit für einen Neuanfang unseres Landes. Unser Land braucht aber auch endlich eine Mehrheit für einen Neuanfang im Deutschen Bundestag, damit wir mit klaren Verhältnissen im Bundestag und im Bundesrat durchregieren können.
Ich spreche voller Überzeugung von einer Politik aus einem Guss; denn die Menschen haben es satt – wenn sie es jetzt nicht spüren, dann werden sie es anderweitig merken –, nicht nach einer Linie, sondern nach einem Zickzackkurs regiert zu werden, mit dem sie nichts anfangen können und bei dem sie spüren, dass es nicht nach vorne geht, sondern dass es immer schlechter wird.
Deshalb sage ich: Rot-Grün kann unser Land nicht mehr regieren. Die PDS darf unser Land nicht regieren. CDU und CSU gemeinsam mit der SPD – –
Entschuldigung, CDU und CSU gemeinsam mit der FDP – ich sage es noch einmal für alle verständlich –,
wir können, wir müssen und wir wollen Verantwortung für unser Land übernehmen.
Sie, Herr Bundeskanzler, und Rot-Grün haben uns eine schwierige Aufgabe hinterlassen, und zwar sowohl in Deutschland als auch in Europa. Ich aber bin zuversichtlich: Wir werden es schaffen, weil wir es besser können, weil in unserem Land mehr Kräfte stecken, als Rot-Grün für möglich hält.
Diese Kräfte neu zu wecken, Deutschlands Chancen zu erkennen und zu nutzen, eine solide, starke Regierung für unser Land zu bilden, damit es endlich wieder aufwärts geht, dafür werde ich mich, dafür werden CDU und CSU ihre ganze Kraft einsetzen. Dafür werden wir die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes um ihr Vertrauen bitten.
Herzlichen Dank.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Franz Müntefering, SPD-Fraktion.
Franz Müntefering (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Merkel, wenn Sie das Protokoll redigieren, dann passen Sie mindestens an der Stelle auf, wo Sie etwas über potenzielle Koalitionspartner gesagt haben. Stellen Sie das klar! Das vermasselt mir den ganzen Wahlkampf, wenn nicht klargestellt wird, was Sie dazu gesagt haben.
Dies ist heute eine ganz besondere Situation, die aber zu den Regeln der Demokratie gehört. Die ausdrückliche Vertrauensfrage des Bundeskanzlers hat es in der Geschichte der Bundesrepublik selten gegeben; aber sie ist als Instrument zur Klärung einer bestimmten Frage im Grundgesetz vorgesehen. Alle haben inzwischen Art. 68 des Grundgesetzes gelesen, der sich mit der Vertrauensfrage des Bundeskanzlers und mit der Auflösung des Bundestages befasst. Auch Art. 39 Abs. 1 des Grundgesetzes haben wir im Kopf, der etwas zur Konsequenz besagt, nämlich dass innerhalb von 60 Tagen eine Neuwahl stattfinden muss, wenn die Auflösung erfolgt ist.
Die Verfassungsväter und -mütter sind davon ausgegangen, dass es Situationen, wie wir sie heute haben, geben kann. Es ist also eine besondere Situation, aber eine „mitten aus dem Grundgesetz“. Diese Situation ist Teil der Demokratie.
Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die Mitglieder des Bundestages sind, bilden eine Fraktion. Als SPD-Fraktion hatten wir in den letzten zwei Jahren einen anstrengenden Lauf. Hinter uns liegen schwierige Gesetze, die Streit nötig machten. Darauf bin ich eher stolz als nicht; denn schwierige Gesetze kann man sich nicht leicht machen.
Hinter uns liegen aber auch Ergebnisse von Wahlen. Ich erinnere an die Europawahl, die Landtagswahlen in Thüringen, im Saarland, in Brandenburg – gut gegangen, aber minus 7,4 Prozent – und in Sachsen, an die Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen, an die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen. Damit verbunden ist eine Serie bitterer Wahlergebnisse. Die Opposition hat behauptet – und die Medien haben es geschrieben –, diese Wahlschlappen, diese herben Wahlniederlagen hätten etwas mit der Bundespolitik zu tun,
mit der Politik der Erneuerung, die Bundeskanzler Gerhard Schröder, seine Regierung und die Koalition seit Frühjahr 2003 forciert vorangetrieben haben.
Wir konnten dem alles in allem nicht widersprechen; Stichwort Agenda 2010, Stichwort Hartz. Wir sind aber sicher: Die Reformen sind unverzichtbar. Wir sind auf dem richtigen Weg. Wir wissen, drei Viertel der Bürgerinnen und Bürger wollen Reformen. Wir wissen aber auch und haben gelernt: Drei Viertel wollen davon persönlich möglichst nicht negativ betroffen sein. Sollten wir eine Politik machen, die vordergründig populär ist, oder eine Politik, die für unser Land richtig ist, auch wenn sie Zeit braucht? Wir haben uns für die richtige Politik entschieden. Das bedeutet Kampf um Akzeptanz für eine solche Politik. Was denn sonst?
Bundeskanzler Gerhard Schröder und wir als Koalition haben die Erneuerung des Landes begonnen, zum Beispiel bei den sozialen Sicherungssystemen und am Arbeitsmarkt. Wir hatten und haben den Mut, etwas zu tun, wovor sich Kohl und Merkel in den 90erJahren gedrückt haben. Das ist die Wahrheit.
Dies ist heute hier nicht die Stunde der Zwischenbilanz, aber sie wird kommen. Dabei sehen CDU/CSU und FDP nicht gut aus; Sie auch nicht, Frau Merkel. Rot-Grün hat in den Jahren seit 1998 unser Land aus der Starre der 90er-Jahre herausgeführt. Rot-Grün ist eine gute Zeit für Deutschland. Wir hoffen, wir können sie fortsetzen.
Dass es bei der CDU/CSU mit dem Mut zu Reformen inzwischen besser geworden ist, kann man nicht feststellen; im Gegenteil. Die Wahl in Nordrhein-Westfalen haben wir auch deshalb verloren, weil die Opposition zu feige war, sich zu der neuen Arbeitslosenstatistik zu bekennen. Wir haben Hunderttausende Erwerbsfähige aus der Sackgasse der Sozialhilfe herausgeholt, sie an die Vermittlung herangeführt und sie in die Statistik der Arbeitslosen aufgenommen. Sie werden wieder gezählt und sie gelten wieder etwas. Das haben Sie von der CDU/CSU mit uns zusammen beschlossen, aber Sie schieben uns die statistisch dazugekommenen Arbeitslosen zu. Sie leugnen Ihre Mitverantwortung. Sie sind Schwarzfahrer und Trittbrettfahrer. Was denn sonst?
Sie glauben offensichtlich, das sei raffiniert. Nein, es ist nur kleinkariert. Frau Merkel, Sie sind keine Reformpolitikerin. Sie sind da nicht besser als Ihr Vorbild Helmut Kohl.
Ihre Diener im Vermittlungsausschuss werkeln da ungeniert vor sich hin. Sie machen das, was Sie vorhin mit „durchregieren“ beschrieben haben. Das war interessant: durchregieren; ein hilfreicher Begriff.
Da wurde die Behandlung des Gentechnikgesetzes mal wieder verschoben. Auch das Thema Eigenheimzulage wurde – Mittwoch dieser Woche war das – wieder verschoben; ich glaube, zum siebten Mal. Das Geld brauchen wir dringend für Bildung und Forschung. Die Wahrheit ist: Die 18:14-Mehrheit im Vermittlungsausschuss nutzen Sie vor allem für eines: verschieben, verschieben, verschieben, Politik verhindern und verschleppen. Das ist die Wahrheit.
Da wir im Augenblick viel über das Grundgesetz und über das sprechen, was sich die Väter und Mütter des Grundgesetzes dabei gedacht haben, sei an der Stelle doch einmal erlaubt, zu sagen: Ob der Parlamentarische Rat, als er das Bundesorgan Bundesrat einrichtete, das so gemeint hat, darf man bezweifeln.
Vielleicht, Herr Kollege Schulz, könnten Sie auch dazu einmal das Grundgesetz bemühen und das oberste Gericht anrufen. Eine Klärung wäre ganz gut.
Kurzum: Von CDU/CSU und FDP in Bundestag und Bundesrat ist Konstruktives für eine Reformpolitik nicht zu erwarten. Sie wollen die Reformkraft unserer Koalition auf dem Weg zur Bundestagswahl 2006 mit Ihrer Mehrheit ersticken. Das lässt sich unschwer erkennen.
Für uns als Partei und als Fraktion ergibt sich natürlich die Frage nach der Chance, den Reformen neue Kraft zu geben, nicht nur Recht zu haben, sondern auch Recht zu bekommen, die Durchsetzbarkeit von Politik zu stärken. Für uns geht es auch um die Frage, ob es vermeidbar ist, dass mit Wahlniederlagen der SPD, die für die Politik der Reformen bezahlt, die Merkels und Westerwelles ihre Politik der sozialen Demontage beginnen können.
„Heulen und Zähneklappern“ bei der Steuerreform haben Sie gefordert, Frau Merkel, ebenso „weit reichende Eingriffe“ in die Sozialsysteme, „deutliche Veränderungen bei den Flächentarifen“. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer, die Senkung des Spitzensteuersatzes auf 36 Prozent und die Besteuerung der Nacht-, Feiertags- und Sonntagszuschläge, die Sie ankündigen, gehören in diese Linie. Mit Ihnen, Frau Merkel, wird es kalt in Deutschland.
In einer Situation wie dieser, mit einer Mehrheit von drei Stimmen aufseiten der Koalition im Bundestag und mit einer aufziehenden PDS/ML, unbeirrt durchs Feuer der Reformen zu gehen ist nicht einfach, nicht für die Partei, nicht für die Abgeordneten. Dass in dieser Lage manche von uns dem Bundeskanzler und unserer Politik handfeste Kursänderungen abverlangten, konnte jeder lesen und hören.
Ich fand das falsch, aber es war so.
Ich habe nach der durch einen Verräter missglückten Ministerpräsidentenwahl in Schleswig-Holstein
– das scheint Sie nicht aufzuregen; mich regt das schon auf, wenn einer so handelt, wie das in Schleswig-Holstein passiert ist, nämlich feige bei geheimer Wahl –
und vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen Sorge gehabt um die Handlungsfähigkeit meiner Partei und Fraktion und damit letztlich der Bundesregierung. Ich habe das dem Bundeskanzler auch gesagt. Es war auch meine Pflicht, das zu sagen. Es sei noch immer gut gegangen, höre ich. Richtig. Aber ich nehme an, das Kind muss nicht erst im Brunnen liegen, bevor man den Brunnen abdeckt. Man muss nicht erst Abstimmungen verlieren, bevor man darauf reagiert, dass man Abstimmungen zu verlieren droht bzw. nicht mehr gewinnen kann, und dem nur dadurch entgeht, dass man nicht handelt.
Das Wahlergebnis in Nordrhein-Westfalen war doch unmissverständlich. Die Frage lag offen zu tage – sie wurde uns doch auch gestellt –, wie es denn hier in Berlin weitergehen könnte. Darüber wurde offen spekuliert. Man wird sich erinnern, wenn man will. Deutschland darf aber seine Zeit nicht verschlafen. Wir dürfen nicht über ein Jahr durch das, was unterbleibt, weil es aussichtslos ist in dieser Konstellation, oder durch das, was im Bundesrat versandet, Stillstand in Deutschland haben. Wie handelt ein Bundeskanzler verantwortlich in einer solchen Situation? Doch nicht durch Produktion für den Mülleimer des Bundesrates, doch nicht durch das Einfordern von Nibelungentreue der Koalitionsfraktionen, ohne dafür etwas in Aussicht stellen zu können.
Es ist konsequent, in einer Phase, in der die gemeinsame Gewissheit über den richtigen und schwierigen Weg brüchig ist, die Klärung zu suchen und sie über die Wählerinnen und Wähler herbeizuführen. Es ist besser für unser Land, jetzt entschlossen die Richtung zu bestimmen. Aber das können eben nur die Wählerinnen und Wähler. Die allermeisten Wählerinnen und Wähler wollen auch die Bundestagsneuwahl, wollen wählen.
Niemand wird dem Bundeskanzler bei seiner Vorgehensweise, bei seiner Entscheidung Vorteilsnahme oder Eigennutz vorwerfen können. Die Stimmung für die SPD war am 22. Mai in Deutschland nicht gut, sagen wir: eher schlecht. Sie ist auch heute noch nicht gut, sondern eher schlecht.
– Abwarten.
Trotzdem streben wir die Bundestagswahl im Herbst dieses Jahres an. Wir streben sie an, weil wir ein klares Mandat für unsere Politik der Reformen wollen. Dafür gibt es Wahlkampf in der Demokratie, dafür gibt es Wahlen. Dafür werden wir kämpfen.
Wir wollen einen intensiven Wahlkampf, in dem die Probleme unseres Landes offen und deutlich angesprochen werden, in dem die politischen Konzepte verglichen werden und in dem die Richtungen geklärt werden. Frau Merkel, Sie werden sich nicht verstecken können. „Rüttgern“ geht in Berlin nicht.
Sie werden aus Ihrem Höhenrausch der Umfragen, die ja auch schon zurückgehen, in die Ebene des politischen Alltags zurückkommen.
Dann werden sich die Wählerinnen und Wähler in Deutschland fragen, wer Deutschlands Interessen in Europa besser vertreten kann und wer die Statur hat, dieses Europa bauen zu helfen – Gerhard Schröder oder Sie.
Die Wählerinnen und Wähler werden sich fragen, wer Deutschland aus dem andauernden Irakkrieg herausgehalten hat und wer damals wachsweich gewesen ist.
Die Wählerinnen und Wähler werden Sie fragen, wer soziale Gerechtigkeit zur Meßlatte seiner Politik macht und wer mit Herrn Westerwelle als Kompagnon Arbeitnehmerrechte weitgehend schleifen will.
Die Wählerinnen und Wähler werden Sie fragen, wer den Mut zu Reformen hat, die sozialen Fortschritt ermöglichen, und wer das Soziale in der Marktwirtschaft mit seiner Politik torpediert.
Die Entscheidung bei der Abstimmung zur Vertrauensfrage fällt manchen – vielen – Kolleginnen und Kollegen ausgesprochen schwer. Das weiß ich. Ich verstehe das und habe Respekt davor. Ich selbst enthalte mich der Stimme und bin mir da ganz sicher.
Vielleicht fällt mir das leichter als anderen; denn aus Gesprächen mit dem Bundeskanzler weiß ich, dass er selbst sich die Entscheidung zur Vertrauensfrage mit dem Ziel der Neuwahlen nicht leicht gemacht hat. Außerdem teile ich mit ihm die Überzeugung, dass Neuwahlen der bestmögliche Weg zur Klärung der politischen Richtung für Deutschland und zur Legitimation unseres politischen Auftrags sind.
Ob sich jemand so oder anders entscheidet, er kann dafür gute Gründe nennen. Wichtig ist, dass wir voneinander wissen, dass beides respektabel ist, dass wir uns aber einig sind in dem Bewusstsein, dass Gerhard Schröder als Bundeskanzler das Vertrauen der SPD-Bundestagsfraktion hat und dass wir ihn weiter als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland haben wollen.
– Sie tun so, als ob es hier um Misstrauen ginge. Es geht heute nicht um Misstrauen.
– Ach, das ist aber interessant! Dann, liebe Frau Merkel – Sie sind doch jetzt Kanzlerkandidatin –, stellen Sie den Antrag auf ein Misstrauensvotum. Sie werden sehen: Sie sind in der Minderheit hier in diesem Haus. Das werden Sie ganz deutlich erleben.
– Das haben Sie wohl inzwischen aus den Augen verloren. Wir werden alles dafür tun, dass Sie auch in der nächsten Legislaturperiode in der Minderheit sind.
Ich bin mir unserer Verantwortung bewusst und bin sicher, dass wir, wie auch immer die Einzelnen heute stimmen werden, miteinander für eine Politik der sozialen Demokratie streiten werden. Die SPD wird gebraucht, die sozialdemokratische Idee wird gebraucht; denn populistische Illusionen sind so gefährlich, wie soziale Kälte widerlich. Beide sind im Kern unmoralisch.
Herr Bundeskanzler, lieber Gerd, wir stehen mitten in einer schwierigen Aufgabe für unser Land. Die SPD-Fraktion wird alles dafür tun, dass diese Aufgabe gelingt – zum Wohle unseres Landes, zum Nutzen der Menschen, mit Gerhard Schröder als Bundeskanzler. Wir haben Vertrauen in Deutschland.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Guido Westerwelle, FDP-Fraktion.
Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundeskanzler, um es vorab zu sagen: Die Freien Demokraten unterstützen Neuwahlen. Wir wollen Neuwahlen und wir äußern hier ausdrücklich unseren Respekt vor Ihrer Entscheidung, mit der Vertrauensfrage den Weg für Neuwahlen freizumachen. In Deutschland ist eine politische Lage eingetreten, in der dieses Parlament die Macht an den Souverän, an das Volk, zurückgeben muss. Das Volk muss neu entscheiden. Deutschland braucht einen neuen Anfang und den gibt es nur mit einer neuen Regierung.
Herr Kollege Müntefering, Sie haben sehr ausführlich zu erklären versucht, warum Sie heute misstrauen, aber trotzdem vertrauen. Das ist verfassungsrechtlich an dem vorbeigeredet, was der Herr Bundeskanzler hier gesagt hat.
Der Bundeskanzler hat sich – das ist sein gutes Recht – kritisch an die Opposition gewandt. Er setzt sich natürlich auch mit dem auseinander, was aus seiner Sicht an den Oppositionsparteien nicht überzeugt. Das ist, wie gesagt, sein gutes Recht. Aber im Kern hat der Kanzler der Bundesrepublik Deutschland heute gesagt, er – Schröder – sei nicht an der Opposition und auch nicht am Bundesrat gescheitert, gescheitert sei er am mangelnden Vertrauen und am mangelnden Mut der Eigenen. Das ist heute das Entscheidende.
Deswegen ist es verfassungsrechtlich eben nicht ausreichend, darauf hinzuweisen, welche Gesetze Sie erlassen haben. Es ist mindestens genauso notwendig, darauf hinzuweisen, was Sie alles nicht tun konnten, weil Ihnen die Eigenen von der Fahne gegangen sind. Ich wiederhole: Das ist das Entscheidende.
Politisch ist die Vertrauensfrage der Bürgerinnen und Bürger an die scheidende Regierung längst beantwortet. Die Bürger haben sich – auch darauf haben Sie hingewiesen – bei all den Landtagswahlen entschieden. Es ist deshalb richtig, dass die Deutschen durch Neuwahlen die demokratische Vertrauensfrage neu beantworten können. Diese Neuwahlen sind kein Coup. Sie sind auch keine Flucht nach vorne. Sie als Regierung stehen mit dem Rücken zur Wand, weil Sie die Mehrheit der Menschen nicht mehr hinter sich haben und weil Ihnen jetzt auch noch die eigenen Leute davonlaufen.
Sie sind auch nicht an der Agenda 2010 gescheitert. Sie sind nicht am Bundesrat gescheitert. Sie sind nicht am Vermittlungsausschuss oder an der Opposition gescheitert. Gescheitert sind Sie an Ihrer eigenen Mutlosigkeit, Wankelmütigkeit und Ihrer mangelnden Kraft; mit einer mutigen Politik mehr zustande zu bringen als eine Schmalspuragenda.
Die Neuwahlen sind aus unserer Sicht verfassungskonform. Sie sind politisch richtig und sie sind die einzige Chance, den gordischen Knoten, der Deutschland fesselt, zu durchschlagen. Unser Land kann sich diese Agonie nicht länger leisten.
Einige meinen, das mangelnde Vertrauen, das Abgeordnete der Koalition heute hier zum Ausdruck bringen, sei vorgetäuscht. Es ist genau umgekehrt: Das Vertrauen, das einige Abgeordnete der Koalition heute unbedingt demonstrieren wollen, ist in Wahrheit fragwürdig.
Dass diejenigen, die schon bei der Schmalspuragenda 2010 nicht mehr mitmachen wollten, heute nicht schuld sein möchten am Ende von Rot-Grün, ist keine ausreichende Basis für eine Regierung, die Deutschland regieren möchte.
Adressiert an die, die es betrifft – Herrn Kollege Ströbele und die anderen Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokraten, die Sie heute Treueschwüre geradezu demonstrativ im Deutschen Bundestag zum Ausdruck bringen wollen –: Wenn einige Fundamentalisten und Linke der Grünen und der SPD dem Bundeskanzler heute das Vertrauen aussprechen, obwohl sie seine Politik jahrelang bekämpft haben, so ist das die eigentliche Heuchelei des Tages.
Der Bundeskanzler wird in der „Zeit“ so zitiert, das eigentliche Problem hätte darin bestanden, dass die Kombination Rot-Grün zu dieser gesellschaftlichen Situation, die wir haben, nicht wirklich passte.
Weiter wird der Bundeskanzler in der „Zeit“ zitiert:
Wohl aber kostete es in den vergangenen Jahren zunehmend mehr Kraft, das zusammenzuhalten, was quer stand zu den Bedürfnissen der Republik.
Wir werden nicht herausfinden, ob das, was die „Zeit“ zitiert, auch tatsächlich so gesagt worden ist. Aber nach Ihrer Erklärung hier kann man jedenfalls feststellen: Die politischen Tatsachen in diesem Hause sind so richtig beschrieben.
Das stetige Vertrauen hat diese Regierung vor allem deshalb verloren, weil ihre Politik nie stetig war. Sie haben keine Politik aus Überzeugung gemacht. Sie sind von den Verhältnissen getrieben worden. Das hat Ihre Politik manchmal pragmatisch, aber immer öfter prinzipienlos gemacht. Rot-Grün hat vor wenigen Wochen noch die Senkung der Körperschaftsteuer für Großunternehmen verkündet und letzte Woche wieder zurückgeholt. Zum Jahresanfang wurde der Spitzensteuersatz gesenkt; jetzt beschließen Sie eine Neidsteuer für Großverdiener. So ging das auch mit der Ausbildungsplatzabgabe – ein einziges Hin und Her. So ist das mit den geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen gegangen – mal ja, mal nein. So war es mit der Rentenversicherung: Erst ist der demographische Faktor aufgehoben worden und später ist im Hohen Hause eingestanden worden, dass das Ihr großer Fehler war. Es folgte auf ein Ja ein Nein, auf die neue Mitte,
mit der Sie 1998 an die Macht gekommen sind, folgte die alte Linke. Auf die Agenda 2010 folgte der programmatische Klassenkampf mit Heuschrecken und Neidsteuer. Das ist nicht die Zukunft Deutschlands!
Die neue Regierung wird ein schweres Erbe antreten. Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, von guten Jahren unter Rot-Grün gesprochen haben, ist das aus meiner Sicht ein erschreckendes Maß an Realitätsverlust.
Die Ihrer Meinung nach guten Jahre von Rot-Grün haben Deutschland die höchste Arbeitslosigkeit seit Gründung der Republik gebracht.
Noch niemals sind jedes Jahr so viele Schulden neu aufgenommen worden. Die Zahl der jährlichen Pleiten, vor allem im Mittelstand, ist auf Rekordhöhe. Die sozialen Sicherungssysteme wurden nicht fester, sondern brüchiger und unser Bildungswesen bekommt international schlechte Noten.
Das, was Sie für sich reklamieren, ist doch auch mehr als fragwürdig: Von den Bürgerrechten bis hin zu den Menschenrechten – die Beliebigkeit war Ihr Markenzeichen. Ich denke jetzt nur an die Aufhebung des Bankgeheimnisses oder die Waffenexporte nach China.
Deshalb wird eine neue Regierung den großen Wurf wagen müssen und wird sich nicht mit einer Politik der Trippelschritte zufrieden geben. Kleinklein, hin und her, ein Schritt nach vorn und zwei zurück – das hatten wir sieben Jahre. Diese Zeit muss im Herbst vorbei sein. Nur mit einem neuen Anfang und einer beherzten Politik werden die Bürgerinnen und Bürger wieder Mut zur Zukunft fassen. Deswegen ist unser Ziel nicht zuerst der Regierungswechsel. Unser Ziel ist der Politikwechsel für unser Land; der Regierungswechsel ist Mittel zum Zweck.
Wir wollen einen Politikwechsel, in dem Freiheit zur Verantwortung wieder Maßstab jeder politischen Entscheidung wird. Wir wollen einen Politikwechsel, damit das Erwirtschaften wieder vor das Verteilen gesetzt wird.
Wir wollen einen Politikwechsel, damit die Chancengleichheit am Start nicht länger mit Gleichmacherei am Ziel verwechselt wird.
Ja, und wir wollen einen Politikwechsel, damit sich Leistung wieder lohnt und derjenige, der arbeitet, mehr hat als derjenige, der nicht arbeitet. Wenn Sie die wirtschaftliche Vernunft immer wieder gegen die soziale Gerechtigkeit ausspielen, dann werden Sie beiden nicht gerecht werden. Soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz oder auch kulturelle Vielfalt – all das hängt davon ab, dass Deutschland der Arbeit wieder Vorfahrt gibt. Wir brauchen eine wachstumsorientierte Politik, eine wirtschaftsfreundliche Politik, weil jede soziale Gerechtigkeit erst einmal erwirtschaftet werden muss. Das ist der neue Anfang. Unsere Politik ist wirtschaftlich überzeugender und sie ist sozialer als all das, was Sie in sieben Jahren zustande gebracht haben.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Bundesminister Joseph Fischer.
Joseph Fischer, Bundesminister des Auswärtigen:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion, Bündnis 90/Die Grünen, hätte sich gewünscht, dass die Koalition das Mandat der Wählerinnen und Wähler, das wir mit der erfolgreichen Bundestagswahl 2002 bekommen haben, im Interesse und zur Erneuerung unseres Landes voll erfüllen hätte können.
Gleichwohl ist es die Entscheidung des Bundeskanzlers als Institution und als Person – so ist es in Art. 68 des Grundgesetzes vorgesehen; ich füge hinzu, dass dies auch die politische Entscheidung unseres Koalitionspartners ist –, die Vertrauensfrage zu stellen, wenn er zu der Überzeugung kommt, dass seine Mehrheit in diesen schwierigen Zeiten nicht mehr voll belastbar ist.
Die Deutschen wollen jetzt wählen. Deswegen müssen sich jetzt alle Entscheidungen darauf konzentrieren, dass es nicht zu einer Hängepartie, sondern zu der von beiden Seiten des Hauses gewollten neuen Legitimierung – wie immer sie auch ausfallen mag – einer Politik der Erneuerung unseres Landes kommt. Darüber müssen wir dann im Wahlkampf politisch streiten.
Große Worte waren heute zu hören. Von der „Schmalspuragenda“ sprach ein Schmalspurpolitiker.
– Das gefällt Ihnen nicht. Peinlich ist es, die Agenda 2010 angesichts der Widerstände, mit denen wir es bei der Erneuerung unseres Landes zu tun haben, als Schmalspuragenda zu bezeichnen.
Peinlich war Ihre Rede. Sie wollen Vizekanzler und Frau Merkel möchte Kanzlerin werden, ohne auch nur ein Wort zu den zentralen Punkten der Alternativen – um die geht es ab heute, wenn Sie Ihr Misstrauen ernst nehmen – gesagt zu haben.
Das begrenzt sich dann auf die Aussage, eine Politik aus einem Guss machen zu wollen. Das ist ein alter Hut; das alles haben wir schon einmal gehört. Wo, bitte, bewegt sich diese Politik aus einem Guss? Zwischen Bierdeckelsteuerreform, Kopfpauschale und Abschaffung der gesetzlichen Krankenversicherung. Es wäre für die Deutschen interessant gewesen, das heute einmal zu hören.
Das sind die Alternativen, die Sie ihnen vorschlagen.
Es ist doch völlig klar: Sie wollten Rot-Grün nicht – und dies nicht nur aus politischen Gründen. Es hat Ihnen auch nicht gepasst, dass eine demokratische linke Mehrheit, die sich auch auf die 68er-Bewegung bezieht, von den Deutschen gewählt wurde. Das ist doch der entscheidende Punkt.
Dieser Unterschied besteht nach wie vor. Darüber werden Sie nicht hinwegdiskutieren können.
Diese Koalition hat allen Grund, stolz auf das zu sein, was wir erreicht haben.
Liebe Freundinnen und Freunde, ich sage das bewusst an die Koalition. Diese Koalition war noch nicht gebildet worden, da wurden wir in das Kanzleramt gerufen – ich werde das nie vergessen; Gerhard Schröder war gewählt; wir hatten vereinbart, dass wir eine rot-grüne Koalition bilden wollten – und hatten zum ersten Mal seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland über Krieg und Frieden zu entscheiden. Das waren Entscheidungen, die uns alles andere als einfach gefallen sind.
Aber wenn ich zehn Jahre nach den Vorfällen in Srebrenica zurückschaue und die Erfahrungen, die wir im Hinblick auf Mazedonien gemacht haben, betrachte, dann kann ich Ihnen nur sagen: Wir haben die Verantwortung, vor die unser Land nach dem Ende des Kalten Krieges gestellt wurde, nicht nur wahrgenommen, sondern im Interesse von Frieden, Freiheit und Menschenrechten auch entsprechend umgesetzt.
Das waren schwere Auseinandersetzungen; ich weiß, wovon ich rede.
Frau Merkel, Sie machen es sich zu einfach. Sie werden sich täuschen, wenn Sie meinen: Das interessiert die Leute nicht. Gegenwärtig kommen Sie mir mit Ihren Umfragen wie ein wunderbar anzuschauendes Soufflé im Ofen vor.
Wir werden sehen, was von der Größe in den letzten drei Wochen tatsächlich übrig bleibt, wenn der Souverän da hineinpikst. Da bin ich sehr gespannt.
Wir waren der Meinung, ein Eingreifen in Serbien musste sein. Wir konnten Milosevic nicht länger zuschauen; wir mussten ihm in den Arm fallen. Wir waren der Meinung: Wir mussten Soldaten nach Afghanistan schicken.
In einem bestimmten Punkt trennten sich aber die Wege. Für uns geht Bündnisloyalität nicht vor Vernunft. Im Hinblick auf den Krieg im Irak waren wir nicht überzeugt; Sie waren da völlig anderer Meinung.
Es ist peinlich, Frau Kanzlerkandidatin, dass Sie sich nicht trauen, jetzt in die USA zu fahren; sonst war das nicht so.
– Natürlich, Sie haben Ihre Reise doch abgesagt. Bei uns wurde von amerikanischer Seite nachgefragt, warum Sie diesmal nicht kommen. Fürchten Sie etwa die Bilder angesichts der Probleme, die die USA im Irak haben? Um solche Fragen geht es. Darauf wollen die Deutschen Antworten von Ihnen.
Schmierstoff – was man bei diesem Wort doch für Assoziationen hat!
Zuerst fällt mir Pfahls ein.
Er war Staatssekretär, allerdings nicht unter Gerhard Schröder, sondern in der Regierung, in der auch Sie waren.
Dann fallen mir Herr Kanther und Frau Agnes Hürland-Büning ein. Ich hatte die Ehre, auch sie noch kennen zu lernen.
– Kanther habe ich schon erwähnt. – Ich kann Ihnen nur sagen: Sie mögen zwar für sich beanspruchen, die bessere Alternative zu sein. Aber Sie sollten nicht auf dem hohen moralischen Ross dahergetrabt kommen; denn angesichts der Schmiergeldaffären, die Sie zu verantworten haben, wäre es ein schändlicher Esel!
Die Demographie kommt nicht über Nacht. Vielmehr ist uns die Bevölkerungsentwicklung Jahrzehnte im Voraus sehr genau bekannt. Ich erinnere mich noch, dass ich, als ich noch in der Opposition war, jahrelang von Norbert Blüm und Helmut Kohl gehört habe: „Die Rente ist sicher.“ Es war doch Walter Riester, auf den Sie eingedroschen haben bis zum Gehtnichtmehr, der angesichts der Herausforderungen der Demographie – dass wir Gott sei Dank immer älter werden – eine historische Reform durchgeführt hat.
Es war Walter Riester, der eine zweite Rentensäule eingeführt hat. Gott bewahre, aber Sie werden noch froh sein, dass wir das getan haben! Was haben Sie getan? Fehlanzeige. Es hieß immer nur: „Die Rente ist sicher.“
Das gilt auch für die notwendigen Reformen auf dem Arbeitsmarkt. Wir haben die Bundesanstalt für Arbeit doch nicht erfunden, sondern wir haben sie vorgefunden,
und wir haben auch keine Pläne in der Schublade entdeckt, als wir unsere Arbeit aufgenommen haben.
In Richtung beider Koalitionsparteien sage ich: Ich weiß, wie schwer es ist, das zur Kenntnis zu nehmen; aber es war nicht unsere Absicht, unsere eigenen Wählerinnen und Wähler zu vertreiben. Der eine, der 1999 stiften gegangen ist, ist aber nicht wegen des Kosovo-Krieges stiften gegangen, sondern deshalb, weil der Haushalt – bei einem Spitzensteuersatz von damals 53 Prozent – nicht mehr aufzustellen war.
Deswegen ist er damals stiften gegangen. Diesen Kritikpunkt kann ich nachvollziehen; denn ich gehöre nicht zu denjenigen, die, wie es Herr Westerwelle in engster Schmalspur getan hat, sagen: Wir haben keine Fehler gemacht. Wo Menschen agieren, auch in der Bundesregierung, werden Fehler gemacht.
– Nur Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, machen keine Fehler, Sie sind der Fehler.
In unserem ersten Regierungsjahr – das gebe ich zu – wurden Fehler gemacht. Aber eines war völlig klar: Wenn wir die Menschen wieder in Lohn und Brot bringen wollen, müssen wir einen aktivierenden Arbeitsmarkt schaffen. Ich bekenne ganz offen: In diesem Wahlkampf haben wir das Problem, dass die aktivierenden Teile unserer Reformen erst langsam zu wirken beginnen. Gleichzeitig aber – das steht derzeit im Vordergrund; darauf komme ich später noch zu sprechen – fühlen sich die Menschen bedrängt und bedrückt und sehen, dass ihre Einkommen gekürzt werden. Dazu sage ich Ihnen: Die 5 Millionen Arbeitslosen, die Sie ständig anführen, hätte es schon unter der Verantwortung von Helmut Kohl gegeben, wenn die Sozialhilfeempfänger bereits damals einen Vermittlungsanspruch gehabt hätten;
das wissen Sie ganz genau.
Zu den jungen Alleinerziehenden sage ich: Ich selbst kenne Fälle
wie den, dass eine Alleinerziehende mit zwei Kindern tatsächlich ihren Job als Rechtsanwaltsgehilfin aufgeben musste, weil sie Probleme mit der Betreuung ihrer Kinder hatte. Selbstverständlich hat sie einen Berechtigungsschein für den Bezug von Sozialhilfe bekommen. Damit muss in diesem Land Schluss sein. Diese Situation wollen und werden wir beenden. Das ist nicht weniger, sondern mehr soziale Gerechtigkeit.
Das gilt auch für die Jugendarbeitslosigkeit. Schauen Sie sich doch einmal an, wo wir im europäischen Vergleich tatsächlich stehen. Es war richtig, den Pakt für Ausbildung ins Leben zu rufen und unsere Anstrengungen in diesem Bereich zu erhöhen. Genauso richtig ist es, nicht zu akzeptieren, dass das Berufsleben in der Sozialhilfe beginnt. Diese Situation darf in Zukunft nicht mehr die Realität bestimmen.
Natürlich wünsche auch ich mir, dass wir die Zusatzverdienste anheben können. Aber ob Ihre Vorstellung einer Lohnsubvention tatsächlich zu einem Abbau der Zahl von geringfügigen und prekären Beschäftigungsverhältnissen führt oder nicht zu einer gewaltigen Bürokratie und im Wesentlichen zu Mitnahmeeffekten, werden wir noch sehr konkret zu diskutieren haben. Ich bin der Meinung, dass Sie die Effekte, die Sie damit erzielen werden, im Grunde genommen vergessen können; das werden im Wesentlichen Mitnahmeeffekte sein. Dazu hätten wir heute gerne etwas von Ihnen gehört.
Zu Ihrer Bierdeckel-Steuerreform – ich weiß nicht, ob Herr Merz im Raum ist –: Sie sind als Steuersenkungspartei angetreten, und zwar als ganz besondere Steuersenkungspartei. Jetzt verkünden Sie Steuererhöhungen zu Beginn der Steuersenkungen. Diese Form von Dialektik – lassen Sie sich das von einem Alt-68er sagen – kann selbst ich nicht nachvollziehen, obwohl ich von Dialektik einiges verstehe, meine Damen und Herren.
Nun zu Ihrer Kanzlerkandidatin: Das Erste, bei dem sie konkret wurde, war das Hurra für die Atomenergie. Sie spricht sich dafür aus, dass Deutschland die Option Atomenergie wieder voll nutzt. Für diese Ansage sind wir sehr dankbar; denn das macht die Alternative klar. Wir halten diese Form der Energieerzeugung für nicht verantwortbar.
Das Zweite ist, dass Sie im Bereich der erneuerbaren Energien wieder zurück wollen.
Wenn Sie nicht nach Moskau fahren und auch nicht nach Washington, dann fahren Sie im Sommer einmal nach Peking. Es ist doch für den Exportweltmeister irrsinnig, zu meinen, der Feldhamster und die Mopsfledermaus seien das Wachstumshemmnis.
Fahren Sie einmal nach China oder nach Indien! Da können Sie sozusagen von der Mopsfledermaus und vom Feldhamster etwas lernen, Frau Merkel.
Mit dem Eintritt dieser großen Volkswirtschaften in den Weltmarkt haben alle ökonomischen Fragen ökologische Konsequenzen und sind deswegen auch ökologische Fragen.
Wer etwas anderes meint, stellt die Zukunft der Arbeitsplätze in diesem Land infrage. Die deutsche Automobilindustrie kann sich nicht erlauben, zweitklassige Technologie anzubieten; sonst sind wir weg, wie in der Photoelektronik, in der Photooptik und in der Unterhaltungselektronik. Wenn die Franzosen den Dieselrußfilter anbieten und die deutsche Automobilindustrie nicht, wenn die Japaner das große Geschäft mit Hybridantriebautos in den USA machen und genauso viel verkaufen wie Audi an konventionellen Autos, dann sage ich Ihnen: Exakt das ist die andere Politik, die Politik, die Sie wollen, und das gefährdet die Arbeitsplätze in diesem Land.
Nein, meine Damen und Herren, jetzt gilt es, die Unterschiede herauszuarbeiten. Ich nenne als Stichworte die Steuerreform, die Kopfpauschale, die Abschaffung der gesetzlichen Krankenversicherung. Wir wollen die Bürgerversicherung. Das Entscheidende ist: Wir wollen erneuerte Sozialsysteme. Aber bei einem gibt es für mich keine Diskussionen; das halte ich für unbedingt notwendig: Ich möchte, dass unsere demokratische Gesellschaft solidarisch ist,
eine Gesellschaft entlang von Arm und Reich, von Jung und Alt. Das bedeutet auch eine nachhaltige Solidarität gegenüber den kommenden Generationen. Ich möchte, dass wir auch international solidarisch sind.
Das ist die Alternative zu einer Politik der kalten Modernisierung, gegen die wir kämpfen. Sie haben schon einmal Möbel bestellt, die Bilder waren auch schon geordert, aber es ist nichts geworden. Also schauen wir einmal! Ich bin der festen Überzeugung, dass wir alle Chancen haben, wenn wir kämpfen – und das werden wir –, zu gewinnen und nicht zu verlieren.
Ich danke Ihnen.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegin Gesine Lötzsch.
Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin Abgeordnete der PDS.
Für Bundeskanzler Schröder war es immer wichtig, dass er Zuspruch von den Reichen und Mächtigen bekommt. Er war der Autokanzler, er war der Kanzler der Arbeitgeber. Er wurde von Rogowski, Hundt, den vielen anderen Arbeitgebervertretern und der „Bild“-Zeitung für seine Politik gelobt und angefeuert. Mich würde es nicht wundern, wenn „Bild“-Chef Diekmann morgen mit der Schlagzeile kommt: „’Bild’ ist Kanzler“. Ich hatte nämlich oft den Eindruck, dass die Tagesordnung des Kabinetts erst nach der Lektüre der „Bild“-Zeitung festgelegt wurde.
Erinnern wir uns nur an Florida-Rolf. Am 16. August 2003 berichtete die „Bild“-Zeitung von dem Sozialhilfeempfänger Rolf John, der in Florida lebte und angeblich seine so fette Sozialhilfe unter Palmen verprasse. Schon zwei Monate später wurde das entsprechende Gesetz geändert. Florida-Rolf ist wieder in Deutschland und bekommt mehr Sozialhilfe als in Florida. So schnell konnte die Bundesregierung arbeiten, wenn ihr Probleme wirklich wichtig erschienen.
Jetzt, nachdem die Bundesregierung sieben Jahre verstreichen ließ, fällt ihr plötzlich ein, was alles nicht geschafft ist. Nachdem die Regierung den Höchststeuersatz auf ein historisches Tief abgesenkt hat, fordert sie nun die Reichensteuer. Das ist Wählertäuschung.
Übrigens hatte die SPD schon im Wahlkampf 1998 die Vermögensteuer versprochen. Es gibt sie noch immer nicht. So viel zur Glaubwürdigkeit der SPD.
Frau Merkel ist allerdings keine soziale Alternative zu der jetzigen Regierung.
Im Gegenteil, wir dürfen nicht vergessen, dass die Praxisgebühr und die Hartz-Gesetze auch von der CDU/CSU getragen wurden. Frau Merkel wird nicht alles anders machen. Sie wird die gescheiterte neoliberale Politik der Schröder-Regierung mit noch größerem Eifer fortsetzen und damit genauso scheitern, wie die jetzige Regierung gescheitert ist; denn den Wirtschaftsweisen wie Herrn Rürup ist es egal, wer unter ihnen Kanzler ist. Die Schröder-Regierung hat die Medizin der Wirtschaftsweisen nicht vertragen. Herr Rürup wird der neuen Patientin, der Merkel-Regierung, wieder die gleiche falsche Medizin verschreiben.
Meine Damen und Herren, wir brauchen vor allem einen Politikwechsel. Der Grundansatz der Politik war falsch. Die Lohnkosten sollten auf chinesisches Niveau gedrückt werden.
Die Regierung hat ihre ganze Kreativität in den Fragebogen für Arbeitslosengeld-II-Empfänger gesteckt, anstatt Wissenschaft und Forschung, Innovationen und Ausbildung zu fördern.
Die rot-grüne Regierung hat Arbeitslose unwürdig behandelt. Sie hat, obwohl sie weiß, dass es zu wenige Arbeitsplätze in unserem Land gibt, immer wieder suggeriert, man müsse Arbeitslose nur drangsalieren, dann fänden sie schon Arbeit. Das ist bösartig, unwürdig und mit uns als PDS nicht zu machen.
Ich frage mich manchmal, zu welchen Methoden die Regierung noch gegriffen hätte, wenn wir nicht Exportweltmeister und nicht eines der reichsten Länder der Erde wären.
Es ist grundsätzlich falsch, zu glauben, dass Reformen nur dann wirken, wenn sie wehtun. Reformen, die wir als PDS vorschlagen, tun nicht weh; sie sind für die große Masse der Bevölkerung völlig schmerzfrei. Die Einführung der Vermögensteuer, ein Höchststeuersatz von circa 50 Prozent, eine höhere Erbschaftsteuer, die Tobinsteuer, all diese Reformen werden den Betroffenen nicht wehtun.
Die Betroffenen werden sich nach diesen Reformen nicht einmal einschränken müssen.
Meine Damen und Herren, wir freuen uns auf Neuwahlen. Es besteht nämlich die Hoffnung, dass noch in diesem Jahr eine starke linke Fraktion in den Bundestag einzieht und eine schwarz-gelbe Regierung nicht schalten und walten kann, wie sie es gerne möchte.
Präsident Wolfgang Thierse:
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende.
Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):
Ich bin sofort fertig. – Wir als PDS wollen etwas ganz Einfaches erreichen: Die Menschen sollen gesund und in Würde und Frieden arbeiten können. Dafür haben wir gute Konzepte, für die die Bürgerinnen und Bürger am Wahltag stimmen können.
Vielen Dank.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Michael Glos, CDU/CSU-Fraktion.
Michael Glos (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das rhetorische Feuerwerk, das Herr Fischer losgelassen hat,
lenkt davon ab, dass wir heute aus einem ernsten Anlass zusammengekommen sind. Der Anlass ist sehr ungewöhnlich in der Geschichte unseres Landes und sollte ungewöhnlich bleiben. Es geht darum, dass der Herr Bundeskanzler bittet, über den Weg des Misstrauensvotums aus dem Amt zu kommen,
um die Regierung bzw. die Koalition, die ihn nicht mehr trägt, loszuwerden und um sich eine neue und andere Mehrheit zu suchen, die seine Politik möglicherweise trägt. So habe ich das Ganze verstanden.
Ich halte das – damit das klar ist – auch für legitim. Wir sind keine Bananenrepublik. Art. 68 unserer Verfassung sieht diese Möglichkeit vor. Wir stehen dem nicht im Weg, weil wir wollen, dass in diesem Land neu gewählt wird.Die Menschen warten darauf, weil sie gemerkt haben, dass es so nicht weitergehen kann.
Vorhin ist die „Bild“-Zeitung angesprochen worden. In ihrer heutigen, neuesten Ausgabe steht, dass 88 Prozent der Bevölkerung eine andere Regierung wollen. Ich bin überzeugt, dass sie nach dem 18. September 2005 eine andere, eine bessere Regierung bekommen werden. Das ist auch bitter notwendig.
Heute wurde mit einem „Danke, Kanzler“ aufgemacht. Ich bitte aber, auch das Kleingedruckte zu lesen. Das „Danke“ bezieht sich nicht auf Ihre Leistung, Herr Bundeskanzler, sondern darauf, dass Sie endlich den Weg für eine bessere Politik in Deutschland freimachen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Bundesaußenminister hat zwar noch den Nadelstreifenanzug an, rhetorisch hat er ihn heute aber wieder ausgezogen. Er hat eine reine Oppositionsrede gehalten. Er hat so getan, als ob er schon in der Opposition sei.
Dort werden wir ihn hinschicken.
Ich habe erwartet, dass Josef Fischer etwas über die Erfolge seiner Politik sagt. Die waren ungeheuer gering. Nur die Zeit hat ihn gezwungen, Verantwortung zu übernehmen, als das Menschenmorden im ehemaligen Jugoslawien nicht mehr mit anzusehen war. Er hat nichts dazu gesagt, dass uns die Hauptziele der grünen Politik ein ganzes Stück an Schwierigkeiten gebracht haben: doppelte Staatsbürgerschaft, Masseneinwanderung.
Er hat auch nichts zum Visamissbrauch gesagt, den er sanktioniert hat. Man hat verfassungswidrig versucht, den Untersuchungsausschuss zu beenden.
Er hat auch nichts dazu gesagt, dass er Europa im Grunde genommen mit an die Wand gefahren hat und dass das Verhältnis zwischen Deutschland und Amerika so schlecht ist wie eigentlich noch nie in der Nachkriegsgeschichte. Zu all diesen Dingen hat er nichts gesagt. Er hat lediglich ein gigantisches Ablenkungsmanöver vollzogen.
Es ist sehr bezeichnend, dass er dafür aus Ihren Reihen einen gewaltigen Beifall bekommen hat.
– Sie wollen doch Inhalte. Wissen Sie, ich kann Bundeskanzler Schröder gut verstehen. Mit einem solchen Haufen, der sich heute wieder entsprechend verhält, kann man wirklich nicht regieren.
Ich möchte noch einmal ganz deutlich sagen: Der Weg zu Neuwahlen ist klar und ich hoffe, dass er auch beschritten werden kann. Aber dass Sie, Herr Bundeskanzler, wenn dieser Weg frei ist, wieder als Spitzenkandidat antreten, ist meiner Ansicht nach für die Mehrheit der Deutschen unmöglich. Ich frage Sie: Mit wem wollen Sie Ihre Agendapolitik weiter betreiben? Mit den Damen und Herren auf der Regierungsbank, mit den Damen und Herren der Koalition oder mit denen, die, wie Ihr ehemaliger Freund Lafontaine und Gysi, vor der Tür stehen und sich schon jetzt in Destruktivität unserem Land gegenüber überbieten? Sie werden doch nicht glauben, dass sich mit den Mehrheiten, die sich da andeuten wollen, eine ordentliche Politik machen lässt.
Diejenigen, die angetreten sind, das moderne, wirtschaftlich blühende, ökologisch orientierte und sozial gerechte Deutschland zu schaffen – das sind Sie auf der Regierungsbank und Sie von den Koalitionsfraktionen –, stehen heute vor einem gewaltigen Scherbenhaufen der eigenen Politik.
All Ihre Ziele sind verfehlt worden: Im Jahresdurchschnitt sind 5 Millionen Menschen arbeitslos. 1,4 Millionen Arbeitsplätze sind in den letzten vier Jahren verloren gegangen. Die Bundesschulden sind um 180 Milliarden Euro gestiegen. Die Investitionsquote ist von 12,5 Prozent im Jahre 1998 auf unter 9 Prozent in diesem Jahr zurückgegangen.
Allein im Bundeshaushalt sind Zinszahlungen von 40 Milliarden Euro ausgewiesen
und in der Rentenversicherung gibt es ein gewaltiges Defizit. Sie ist nur noch dadurch vor der Illiquidität zu bewahren, dass Zahlungen um vier Wochen vorgezogen werden.
All das spricht doch Bände.
Das sind harte Fakten und Tatsachen. Um diese kommen Sie nicht herum.
Die Finanzierung der Arbeitslosigkeit überfordert uns. Wir brauchen wieder Wachstum und Dynamik. Wir brauchen auch wieder die Werte, die hier noch einmal beschworen und früher von den 68ern in den Schmutz gezogen worden sind. Wenn wir in Deutschland nicht wieder zu unseren Tugenden zurückkehren, die man einmal die preußischen Tugenden genannt hat – das sage ich als Bayer –, wie Fleiß, Disziplin, Leistungsbereitschaft, Mut, auch Mut zu Wahrheit und Klarheit,
dann werden wir es letztlich nicht schaffen. Wir werden diesen Weg vorgeben.
Herr Bundeskanzler, ich habe Ihrer Rede sehr aufmerksam zugehört.
Ich war darauf gespannt, ob Sie, nachdem Sie erklärt haben, wer alles schuld sei, vielleicht am Schluss ein ganz kleines Stückchen Schuld bei sich suchen. Das haben Sie nicht getan. Es war eine selbstgerechte Rede.
Ich kann das verstehen. Es war vielleicht eine Rechtfertigungsrede für die Tatsache, dass Sie den Schritt, Neuwahlen über Art. 68 des Grundgesetzes anzustreben, getan haben, weil Sie ursprünglich glaubten, Sie könnten damit Ihre Genossinnen und Genossen, Ihre eigene Partei disziplinieren und ein Stück weit von dem ablenken, was in Nordrhein-Westfalen – zu Recht – geschehen ist. Das war Ihr Versuch.
Inzwischen hat dies natürlich eine gewaltige Eigendynamik bekommen. Ich befürchte, Sie werden als derjenige in die Geschichte der SPD eingehen, der diese große Volkspartei – wie soll ich sagen? – zertrümmert hat, der den Prozess eingeleitet hat, der diese Volkspartei zerstört.
Der heutige im Stehen gespendete Beifall ist doch nur noch ein Pfeifen im Walde. Ehrlich gegenüber den Menschen wäre es, den rückwärts gewandten Herrn Fischer als Kanzlerkandidaten aufzustellen.
Herr Präsident, ich sehe, meine Redezeit geht zu Ende.
– Ich weiß, dass Sie sich darüber freuen. – Da ich das Votum, mit dem Sie Herrn Bundeskanzler Schröder das Misstrauen aussprechen wollen, nicht verzögern möchte, sage ich nur noch einen Satz: Die rot-grüne Schlussbilanz fällt trotz der heutigen Reden verheerend aus. Die Neuwahlen eröffnen unserem Land neue Chancen.
Danke schön.
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen nun zur Abstimmung – bitte behalten Sie Platz; es dauert noch ein bisschen – über den vom Bundeskanzler eingebrachten Antrag nach Art. 68 Abs. 1 des Grundgesetzes, ihm das Vertrauen auszusprechen.
Ich stelle fest, dass die für die Abstimmung über den Vertrauensantrag des Bundeskanzlers in Art. 68 Abs. 2 des Grundgesetzes vorgeschriebene Frist von 48 Stunden eingehalten ist. Der Bundeskanzler hat den Antrag gemäß Art 68 Abs. 1 des Grundgesetzes am 27. Juni 2005 gestellt. Der Antrag ist am selben Tag als Drucksache 15/5825 verteilt worden.
Bevor wir zur Abstimmung kommen, teile ich mit, dass schriftliche Erklärungen zur Abstimmung von 15 Abgeordneten vorliegen.
Sodann erteile ich dem Kollegen Werner Schulz das Wort zu einer mündlichen Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung.
Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundeskanzler, ich werde mich an dieser Abstimmung nicht beteiligen. Was hier abläuft, ist ein inszeniertes, ein absurdes Geschehen. Die Ereignisse der letzten Woche und die heutige Debatte haben mich trotz staatsmännischer Rede nicht überzeugt. Hier läuft eine fingierte oder, wie die Juristen sagen, eine unechte Vertrauensfrage.
Schon der erste Satz Ihres Antrages, Herr Bundeskanzler, ist unwahr. Sie wollen doch gar nicht, dass man Ihnen das Vertrauen ausspricht. Sie wollen diese Abstimmung verlieren. Sie suchen einen Grund für Neuwahlen und damit das organisierte Misstrauen. Sie selbst haben verkündet, sich der Stimme zu enthalten. Aber was ist ein Kanzler, der das Selbstvertrauen verloren hat?
Sie sollten übrigens die Argumentation mit Franz Müntefering noch einmal genau abstimmen. Er ist stolz auf den Meinungsstreit in der Fraktion, für Sie ist er ein Anlass zu Misstrauen. Im Übrigen, Franz Müntefering, Ihre Aufforderung an Angela Merkel, hier das konstruktive Misstrauensvotum herbeizuführen, und Ihre Aussage, dass wir jederzeit die Kanzlermehrheit haben, ist beeindruckend, nicht nur für das Protokoll.
Ich hätte bei so vielen Dialektikern hier im Parlament nicht geglaubt, dass wir einmal die feinsinnige Dialektik von Bertolt Brecht berühren. Sie wissen, dass er die Regierung aufgefordert hat, ein anderes Volk zu wählen. Wir werden heute etwas Ähnliches erleben: Nicht die Mehrheit misstraut dem Kanzler, sondern der Kanzler misstraut seiner eigenen Mehrheit.
Bis in die gestrigen Abendstunden hatten wir eine stabile Mehrheit, die in sieben Jahren nicht ein einziges Mal versagt hat, obwohl sie seit dem 22. Mai vom Kanzler und von Franz Müntefering attackiert wird. Sie suchen eine neue Legitimation für Ihre Politik, doch diese Art von Stimmungsdemokratie sieht unser Grundgesetz nicht vor.
Zwar wird allenthalben die Frage gestellt „Was wäre, wenn am nächsten Sonntag Wahl wäre?“, aber am nächsten Sonntag ist nicht Wahl. Wir leben in einer Demokratie und nicht in einer Demoskopie. Sie haben den Satz von Einstein an Ihrem Kanzleramt nicht verstanden: Der Staat ist für die Menschen, nicht die Menschen für den Staat.
Sie beugen unsere Verfassung, wenn Sie mit Hinweis auf das Grundgesetz ein Referendum über die EU-Verfassung verwehren und im nächsten Moment durch Selbstauflösung des Bundestages eine Volksabstimmung über die Fortsetzung Ihrer Politik herbeiführen wollen. Sie haben geschworen, das Grundgesetz zu wahren und zu verteidigen.
Ein paar Schritte vom Kanzleramt entfernt steht an der Schweizer Botschaft der Einstein-Satz: Echte Demokratie ist doch kein leerer Wahn.
Was jetzt passiert, ist aber die Sinnentleerung des Art. 68. Dass ausgerechnet die alten 68er, so wie sie hier versammelt sind,
über einen Missbrauch des Art. 68 ihren Abgang vorbereiten, gehört zu den grotesken Momenten dieses Vorgangs.
Dabei haben Sie gerade bei der Vertrauensfrage im Zusammenhang mit dem Militäreinsatz in Afghanistan gezeigt, wie dieser Artikel moralisch und politisch zu gebrauchen ist. Sie haben eine eigene Mehrheit demonstriert und dafür sogar eine, breite parlamentarische Mehrheit verschmäht. Sie wollten Helmut Kohl nicht nachahmen; heute kopieren Sie ihn, wobei der Vergleich mit der damaligen Lage doch etwas schräg ist.
Mir ist die Demokratie nicht geschenkt worden. Mit einigen anderen musste ich unter gefährlichen Umständen Demokratie und Freiheit erst erkämpfen. Schon deswegen sind mir die Grundregeln der Demokratie, wie sie in unserem Grundgesetz stehen, ein hoher Wert – gerade in einer Zeit, in der wir über den Werteverfall und die Vertrauenskrise der Politik reden. Glauben Sie denn ernsthaft daran, dass Sie nach dieser verschwiemelten Operation morgen in den Wahlkampf ziehen und über Wahrheiten reden können?
Das ist nicht nur ein Tiefpunkt der demokratischen Kultur, sondern Sie beschädigen auch das Ansehen des Parlamentes und meine und unsere Rechte als Abgeordnete.
Oder, um einen aktuellen Buchtitel des Außenministers aufzugreifen: Die Rückkehr der Geschichte sollten wir nicht als ein Stück Volkskammer veranstalten.
Auch da wurden die Abgeordneten eingeladen, nicht ihrer Überzeugung, sondern dem Willen von Partei- und Staatsführung zu folgen.
Sie haben mit Ihrem genialen Schachzug alles erreicht, was Sie vermeiden wollten: Die Opposition ist geeint und geschlossen wie nie zuvor,
die Formierung einer neuen Linkspartei und die Erosion der SPD wurden beschleunigt. Sie werden nicht als Patriot in die Geschichte eingehen, wie ein wirrer Schönschreiber in der „Zeit“ meint, sondern eher als einer, der letztlich seine Partei zerlegt und sein Land in Schwierigkeiten gebracht hat.
Präsident Wolfgang Thierse:
Lieber Kollege Schulz, die fünf Minuten sind vorüber.
Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich komme zum Ende. – Denn auch in der Einschätzung der politischen Situation täuschen Sie sich. Die Bürgerinnen und Bürger wollen nicht Neuwahlen, sie wollen die Abwahl von Rot-Grün.
Offenbar wollen Sie das auch – die Flucht aus der Verantwortung. Nur, das ist ein würdeloser Abgang, den wir hier erleben.
Präsident Wolfgang Thierse:
Kollege Schulz, Sie müssen zum Ende kommen.
Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich mache mir Sorgen um unser Land, weil ich finde, dass auch die Opposition nicht vorbereitet ist und kein Konzept hat.
Wenn das, was wir bisher als Vertrauenskrise der Politik erlebt haben, nur ein Vorgeschmack ist, –
Präsident Wolfgang Thierse:
Kollege Schulz!
Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
– dann werden wir uns auf stürmische Zeiten einrichten müssen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Präsident Wolfgang Thierse:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte jetzt um Aufmerksamkeit für einige Hinweise zum Abstimmungsverfahren.
Für die Annahme des Antrags des Bundeskanzlers gemäß Art. 68 Abs. 1 des Grundgesetzes ist die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages erforderlich. Das sind mindestens 301 Stimmen. Die Fraktion der SPD verlangt namentliche Abstimmung.
Sie benötigen außer Ihrer Stimmkarte auch Ihren gelben Stimmausweis. Beides können Sie, soweit noch nicht geschehen, noch Ihrem Stimmkartenfach in der Lobby entnehmen.
Ich bitte Sie, sich vor der Abstimmung davon zu überzeugen, dass die Stimmkarte und der Stimmausweis, die Sie verwenden, Ihren Namen tragen. Bevor Sie Ihre Stimmkarte in eine der aufgestellten Urnen werfen, übergeben Sie bitte Ihren gelben Stimmausweis einem der Schriftführer an den Urnen. Die Schriftführerinnen und Schriftführer bitte ich, darauf zu achten, dass Stimmkarten nur von Kolleginnen und Kollegen eingeworfen werden, die vorher ihren Stimmausweis übergeben haben.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind alle Plätze an den Urnen besetzt? – Das ist offensichtlich der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung.
Haben alle anwesenden Abgeordneten ihre Stimme abgegeben? – Das ist offensichtlich der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung. Das Ergebnis werde ich Ihnen bekannt geben, sobald die Schriftführerinnen und Schriftführer es nach Auswertung der Stimmkarten ermittelt haben.
Bis dahin unterbreche ich die Sitzung.
Präsident Wolfgang Thierse:
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag des Bundeskanzlers gemäß Art. 68 Grundgesetz bekannt. Abgegebene Stimmen 595. Mit Ja haben gestimmt 151, mit Nein haben gestimmt 296, Enthaltungen 148. Der Antrag des Bundeskanzlers hat die erforderliche Mehrheit von mindestens 301 Jastimmen nicht erreicht.
Ich stelle fest, dass die Vertrauensfrage damit nicht erfolgreich beantwortet worden ist. Ich werde dem Bundespräsidenten unverzüglich das Abstimmungsergebnis mitteilen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Gemäß Art. 39 des Grundgesetzes endet die Wahlperiode auch bei vorgezogenen Neuwahlen erst mit dem Zusammentritt des neu gewählten Bundestages.
Ich berufe daher die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 7. September 2005, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.
[Der folgende Berichtsteil – und damit der gesamte Stenografische Bericht der 185. Sitzung – wird am
Montag, dem 4. Juli 2005,
an dieser Stelle veröffentlicht.]
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 595;
davon
ja: 151
nein: 296
enthalten: 148
Ja
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel (Berlin)
Klaus Barthel (Starnberg)
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Uwe Beckmeyer
Hans-Werner Bertl
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding (Heidelberg)
Willi Brase
Bernhard Brinkmann (Hildesheim)
Hans-Günter Bruckmann
Marco Bülow
Dr. Peter Danckert
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Marga Elser
Rainer Fornahl
Hans Forster
Lilo Friedrich (Mettmann)
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Dieter Grasedieck
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Nina Hauer
Monika Heubaum
Gisela Hilbrecht
Gabriele Hiller-Ohm
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann (Chemnitz)
Iris Hoffmann (Wismar)
Renate Jäger
Klaus-Werner Jonas
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Dr. Bärbel Kofler
Dr. Heinz Köhler (Coburg)
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Ernst Kranz
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Hilde Mattheis
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Christian Müller (Zittau)
Dr. Rolf Mützenich
Dr. Erika Ober
Holger Ortel
Dr. Wilhelm Priesmeier
Dr. Sascha Raabe
Gerold Reichenbach
Walter Riester
René Röspel
Michael Roth (Heringen)
Gerhard Rübenkönig
Anton Schaaf
Axel Schäfer (Bochum)
Gudrun Schaich-Walch
Bernd Scheelen
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Horst Schmidbauer (Nürnberg)
Silvia Schmidt (Eisleben)
Dagmar Schmidt (Meschede)
Heinz Schmitt (Landau)
Carsten Schneider
Walter Schöler
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Wilfried Schreck
Erika Simm
Dr. Margrit Spielmann
Christoph Strässer
Rita Streb-Hesse
Rüdiger Veit
Jörg Vogelsänger
Dr. Marlies Volkmer
Hedi Wegener
Gunter Weißgerber
Hildegard Wester
Andrea Wicklein
Engelbert Wistuba
Verena Wohlleben
Waltraud Wolff (Wolmirstedt)
Uta Zapf
Manfred Helmut Zöllmer
BÜNDNIS`90/DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck (Bremen)
Volker Beck (Köln)
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Jutta Dümpe-Krüger
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Peter Hettlich
Ulrike Höfken
Thilo Hoppe
Michaele Hustedt
Jutta Krüger-Jacob
Undine Kurth (Quedlinburg)
Markus Kurth
Monika Lazar
Dr. Reinhard Loske
Anna Lührmann
Jerzy Montag
Kerstin Müller (Köln)
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Friedrich Ostendorff
Krista Sager
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Albert Schmidt (Ingolstadt)
Petra Selg
Ursula Sowa
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Hans-Christian Ströbele
Marianne Tritz
Dr. Antje Vogel-Sperl
Dr. Antje Vollmer
Dr. Ludger Volmer
Josef Philip Winkler
Margareta Wolf (Frankfurt)
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Dr. Rolf Bietmann
Clemens Binninger
Renate Blank
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen (Bönstrup)
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Helge Braun
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Verena Butalikakis
Hartmut Büttner (Schönebeck)
Cajus Julius Caesar
Manfred Carstens (Emstek)
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Roland Dieckmann
Alexander Dobrindt
Vera Dominke
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Anke Eymer (Lübeck)
Georg Fahrenschon
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer (Göttingen)
Dirk Fischer (Hamburg)
Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Roland Gewalt
Eberhard Gienger
Georg Girisch
Michael Glos
Ralf Göbel
Dr. Reinhard Göhner
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Kurt-Dieter Grill
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg
Olav Gutting
Holger Haibach
Gerda Hasselfeldt
Klaus-Jürgen Hedrich
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Siegfried Helias
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Dr. Peter Jahr
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Irmgard Karwatzki
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)
Volker Kauder
Gerlinde Kaupa
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Kristina Köhler (Wiesbaden)
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Rudolf Kraus
Michael Kretschmer
Günther Krichbaum
Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn (Zingst)
Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg)
Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Barbara Lanzinger
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link (Diepholz)
Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach)
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Dorothee Mantel
Erwin Marschewski (Recklinghausen)
Stephan Mayer (Altötting)
Dr. Conny Mayer (Baiersbronn)
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn)
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Laurenz Meyer (Hamm)
Doris Meyer (Tapfheim)
Maria Michalk
Hans Michelbach
Klaus Minkel
Marlene Mortler
Stefan Müller (Erlangen)
Bernward Müller (Gera)
Dr. Gerd Müller
Hildegard Müller
Bernd Neumann (Bremen)
Henry Nitzsche
Michaela Noll
Claudia Nolte
Günter Nooke
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Melanie Oßwald
Rita Pawelski
Dr. Peter Paziorek
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Peter Rauen
Christa Reichard (Dresden)
Katherina Reiche
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Hannelore Roedel
Franz Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Volker Rühe
Albert Rupprecht (Weiden)
Peter Rzepka
Anita Schäfer (Saalstadt)
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Dr. Andreas Scheuer
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Angela Schmid
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt (Fürth)
Andreas Schmidt (Mülheim)
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Kurt Segner
Matthias Sehling
Marion Seib
Heinz Seiffert
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Erika Steinbach
Christian von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl (Heilbronn)
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Antje Tillmann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marko Wanderwitz
Peter Weiß (Emmendingen)
Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Ingo Wellenreuther
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Willy Wimmer (Neuss)
Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Elke Wülfing
Wolfgang Zeitlmann
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
FDP
Dr. Karl Addicks
Daniel Bahr (Münster)
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)
Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Christel Happach-Kasan
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Markus Löning
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Eberhard Otto (Godern)
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Dr. Michael Terwiesche
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Fraktionslose Abgeordnete
Martin Hohmann
Dr. Gesine Lötzsch
Petra Pau
Enthalten
SPD
Dr. Lale Akgün
Gerd Andres
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr (Neuruppin)
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Kurt Bodewig
Gerd Friedrich Bollmann
Klaus Brandner
Edelgard Bulmahn
Ulla Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Marion Caspers-Merk
Karl Diller
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Martina Eickhoff
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Iris Gleicke
Günter Gloser
Angelika Graf (Rosenheim)
Monika Griefahn
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl Hermann Haack (Extertal)
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Michael Hartmann (Wackernheim)
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Stephan Hilsberg
Frank Hofmann (Volkach)
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Brunhilde Irber
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h.c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Christine Lehder
Waltraud Lehn
Gabriele Lösekrug-Möller
Caren Marks
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Petra-Evelyne Merkel
Ursula Mogg
Michael Müller (Düsseldorf)
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Volker Neumann (Bramsche)
Dietmar Nietan
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Florian Pronold
Karin Rehbock-Zureich
Dr. Carola Reimann
Christel Riemann-Hanewinckel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth (Esslingen)
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht (Tuchenbach)
Thomas Sauer
Rudolf Scharping
Dr. Hermann Scheer
Otto Schily
Ulla Schmidt (Aachen)
Wilhelm Schmidt (Salzgitter)
Olaf Scholz
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Brigitte Schulte (Hameln)
Reinhard Schultz (Everswinkel)
Swen Schulz (Spandau)
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast
Wolfgang Spanier
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Hans-Jürgen Uhl
Simone Violka
Ute Vogt (Pforzheim)
Hans Georg Wagner
Andreas Weigel
Reinhard Weis (Stendal)
Petra Weis
Gert Weisskirchen (Wiesloch)
Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker
Dr. Rainer Wend
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Jürgen Wieczorek (Böhlen)
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Brigitte Wimmer (Karlsruhe)
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Heidi Wright
Dr. Christoph Zöpel
BÜNDNIS`90/DIE GRÜNEN
Joseph Fischer (Frankfurt)
Winfried Hermann
Fritz Kuhn
Renate Künast
Simone Probst
Claudia Roth (Augsburg)
Rezzo Schlauch
Jürgen Trittin