Deutscher Bundestag
English    | Français   
 |  Sitemap  |  Kontakt  |  Fragen/FAQ
Druckversion  |       
Startseite > INFORMATIONS-CENTER > hib-Meldungen > 2002 > 165 >
165/2002
Stand: 24.06.2002
[ Übersicht ]   [ weiter ]

Keine Einigkeit über Änderung des Stasi-Unterlagengesetzes

Innenausschuss (Anhörung)/

Berlin: (hib/HAU) Keine einheitliche Bewertung durch Experten und Sachverständige erfuhr der von der SPD und Bündnis 90/Die Grünen vorgelegte fünfte Gesetzentwurf zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (14/9219). Dies wurde deutlich bei einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses am Montagnachmittag. Kernpunkte der Diskussion waren die vorgesehene Streichung des Paragrafen 14 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (StUG), der die grundsätzliche Löschung personenbezogener Daten und Informationen zum 1. Januar 2003 vorsieht. Des Weiteren ging es um die Fragen der Herausgabe und Veröffentlichung von Unterlagen mit personenbezogenen Informationen über Personen des öffentlichen Interesses.

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz im Land Brandenburg, Alexander Dix, sprach sich gegen die Streichung des Anspruchs auf Löschung personenbezogener Daten und Informationen aus. Die oftmals "entwürdigenden Details" der Abhörprotokolle sollte im Interesse der abgehörten Personen nach über zehnjähriger Auswertungszeit endgültig gelöscht werden. Es träfe zwar zu, dass eine Löschung dieser Unterlagen nicht reversibel sei, jedoch müsse dies in Kauf genommen werden, um dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Ausspähopfer Rechnung zu tragen. Der Historiker Professor Bernd Faulenbach von der Ruhr-Universität Bochum begrüßte hingegen die Novellierung des Gesetzes. Sie sei plausibel und entspräche den Interessen der historischen Forschung. Eine Anonymisierung der Daten brächte einen irreparablen Schaden für die historische Forschung. Im Übrigen sei man in der Behörde für die Unterlagen der Stasi mit den Akten immer sehr "sensibel" umgegangen. Käme die Novellierung nicht, hätte dies eine verheerende öffentliche Reaktion zur Folge. Dem schloss sich der ehemalige Leiter der Behörde, Hans Joachim Gauck, an. Das Gesetz und die Behörde hätten sich bewährt, aber nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes zur Veröffentlichung von Akten über den ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl, hätte der Gesetzgeber reagieren müssen. Er lehne einen verstärkten Schutz von Personen des öffentlichen Interesses ab und begrüße den eingebrachten Entwurf, "mit dem er gut leben könne".

Der Landesbeauftragte des Freistaates Thüringen für die Unterlagen der Staatssicherheit, Jürgen Haschke, forderte, sowohl den Opferschutz, als auch einer Öffentlichmachung des Handelns von "Funktionären" zu gewährleisten. Um den Persönlichkeitsbereich eines jeden Opfers der SED-Diktatur zu schützen, müsse der Begriff des "Betroffenen" umfassender gefasst werden. Joachim Jacob, Bundesbeauftragter für den Datenschutz, sieht im StUG in erster Linie ein Opferschutzgesetz. Er vertrat die Auffassung, dass Informationen, die mit rechtswidrigen Methoden gewonnen wurden, nicht gegen den ausdrücklichen Willen des Opfers herausgegeben werden dürfen. Rechtsanwalt Michael Kleine-Cosack sprach sich eindeutig gegen die Verabschiedung des Gesetzes aus. Das Kohl-Urteil habe Rechtssicherheit gebracht und solle nun von dieser Novellierung wieder verwässert werden, so der Sachverständige. Er forderte eine informationelle Selbstbestimmtheit auch für Amtsträger, die mit diesem Gesetz nicht gewährleistet sei.

Der Vorsitzende des Beirates bei der Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen, Professor Richard Schröder, kritisierte hingegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes. Der besondere Charakter der Stasi-Unterlagen sei nicht beachtet worden. Täter- und Opferstrukturen seien in diesen Fällen oftmals verwischt. Er sprach sich eindeutig für den Entwurf der Regierungskoalition aus. Es sollten auch weiterhin Unterlagen von Personen der Zeitgeschichte herausgegeben werden, solange kein "schutzwürdigen Interessen" der betroffenen Personen beeinträchtigt sind.Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Streichung des Paragrafen 14 sieht der Verwaltungsrechtler Professor Helge Sodan. Hingegen habe er große Bedenken hinsichtlich des Vorranges der Informationsfreiheit vor dem Persönlichkeitsschutz, welchen das Gesetz seiner Meinung nach festschreibe.

Quelle: http://www.bundestag.de/bic/hib/2002/2002_165/01
Seitenanfang [TOP]
Druckversion Druckversion
hib - heute im bundestag

Kontakt
Deutscher Bundestag
Pressezentrum
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Tel.: (030) 2 27-3 56 42
Fax: (030) 2 27-3 61 91

Verantwortlich:
Uta Martensen

Redaktionsmitglieder:
Dr. Bernard Bode, Claudia Heine, Michael Klein, Dr. Volker Müller, Sabrina Sperlich, Siegfried Wolf