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Die Energieversorgung ist eine der zentralen Herausforderungen der Zukunft. Der weltweit wichtigste Energieträger Öl wird immer teurer und knapper. Auf den Weltmärkten kostet ein Barrel Rohöl (159 Liter) mittlerweile über 55 Dollar. Öl ist damit sechs Mal so teuer wie vor sechs Jahren. Experten rechnen schon in fünfzig bis hundert Jahren mit Engpässen bei der Ölförderung. Welche Alternativen gibt es zum Erdöl und wie sieht der Energiemix der Zukunft aus?
Fossile Brennstoffe wie Erdgas oder Kohle können allenfalls für eine Übergangsphase als Alternative zum Öl herhalten, denn auch ihre Vorräte erschöpfen sich unweigerlich. Wer heute den Energiemix der Zukunft plant, muss sich mit zwei Versorgungsansätzen auseinandersetzen. Dem Ausbau erneuerbarer Energien wie Windkraft oder Biomasse sowie der Weiternutzung der Kernenergie.
Im Mai dieses Jahres ist das Atomkraftwerk Obrigheim in Baden-Württemberg vom Netz gegangen – der zweite Meiler, der nach dem Atomkonsens der rot-grünen Bundesregierung mit der Energiewirtschaft abgeschaltet wurde. Der Rückbau der Anlage dauert bis ins Jahr 2020. Die rot-grüne Bundesregierung hat den Ausbau erneuerbarer Energien zu einem Schwerpunkt gemacht und unterstützt moderne Kraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung.
Kritiker aus der Union, der FDP oder aus den Wirtschaftsverbänden halten den Ausstieg aus der Kernenergie für einen Fehler. Sie befürworten zwar grundsätzlich den Ausbau regenerativer Energien aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft, sehen deren Zukunftspotenziale aber skeptischer. Insbesondere die Förderung der Windkraft solle schneller zurückgeschraubt werden als bislang geplant. Die erneuerbaren Energien sollen sich so frühzeitig auf den freien Wettbewerb einstellen.
Eine Tatsache scheint unstrittig: Wenn Deutschland seine Abhängigkeit vom Öl reduzieren will, werden erneuerbare Energien zukünftig eine größere Rolle spielen müssen. Deren Anteil am Energiemix ist in den letzten Jahren durch die staatliche Förderung und die Mindestvergütung des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) deutlich gestiegen. Im Jahre 2004 betrug er nach Angaben der Bundesregierung etwa neun Prozent.
Damit ist die Ökostrombranche zuletzt um rund einen Prozentpunkt pro Jahr gewachsen. Der meiste Strom in Deutschland kommt aber immer noch aus der Kernenergie (30 Prozent), aus der Braunkohle- (27 Prozent) und aus der Steinkohleverstromung (22 Prozent). Beim so genannten Primärenergieverbrauch, also etwa dem Verbrauch in privaten Haushalten, beim Heizen, im Verkehr und in der Industrie, dominiert das Mineralöl mit einem Anteil von gut einem Drittel. Auf Platz zwei folgt das Erdgas, auf welches knapp 25 Prozent entfallen.
Da die Stromgewinnung aus Wind oder Sonnenkraft deutlich teurer ist als die herkömmliche Energieerzeugung, haben die letzten Bundesregierungen umfangreiche Förderpakete beschlossen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz verpflichtet die Netzbetreiber, Ökostrom abzunehmen. Die Mehrkosten zahlt der Verbraucher über die Stromrechung. Die Förderung kommt einem Aufschlag auf die Stromrechung von rund drei Prozent gleich, wie der Verband der Elektrizitätswirtschaft für 2005 angibt.
Mit dem so genannten Marktanreizprogramm wird ferner die Anschaffung von Solaranlagen und Biomasseanlagen vom Staat finanziell gefördert. Beim gegenwärtigen Streit zwischen Befürwortern und Skeptikern geht es vor allem darum, wie umfangreich diese Förderung sein und wie lange sie noch Bestand haben sollte.
Hingegen ist der Streit um die Atomkraft grundsätzlicher. Die Bundesregierung unter Gerhard Schröder hatte im Juni 2000 mit den Energieversorgern den langfristigen Ausstieg aus der Kernenergie vereinbart. Rot-Grün hält die Atomtechnologie für wenig beherrschbar und verweist auf die ungelöste Entsorgungsfrage. Denn bis heute ist unklar, wo und wie die vielen Tonnen Atommüll, die beim Betrieb der Reaktoren entstehen, langfristig sicher gelagert werden können.
Durch den Atomkonsens wurde die Gesamtstrommenge der Kernkraftwerke begrenzt. Damit haben die deutschen Meiler Restlaufzeiten von durchschnittlich 32 Jahren. Im November 2003 ging das Kernkraftwerk Stade als erster Meiler vorzeitig vom Netz. Die verbliebenen 17 Anlagen sollen in den nächsten zwanzig Jahren schrittweise folgen. Kritiker halten den Ausstieg für überhastet und befürchten, dass nicht genügend Zeit bleibt, um Ersatz zu schaffen.
Das Atomstrom gegenüber anderen Energieformen besonders preisgünstig sei, wird häufig angeführt, ist aber kaum belegbar. Erst kürzlich widersprach EU-Energiekommissar Andris Piebalgs dieser Auffassung und verwies auf die Kosten für Sicherheit, Entsorgung und Infrastruktur: „Atomkraft ist keine billige Energie.“ Die Kosten für den Rückbau des Kraftwerks Obrigheim etwa werden vom Betreiber Energie Baden-Württemberg (EnBW) auf 500 Millionen Euro geschätzt.
International setzen dennoch immer mehr Länder auf die Kernkraft: China plant eine Verfünffachung, Russland eine Verdreifachung der Kernenergie. In Finnland, in Osteuropa und in Indien sollen neue Meiler entstehen. Die USA haben die Laufzeit mehrerer Reaktoren auf 60 Jahre verlängert. „Global ist vor dem Hintergrund der vitalen Klimaschutzthematik von einem Ausbau der Kernenergie auszugehen“, sagt der Vorstandschef der EnBW, Utz Claassen.
Globale Trends in Sachen Energie wirken sich auf den Zustand des Weltklimas aus. Der Ausstoß schädlicher Treibhausgase ist in den letzten Jahrzehnten rasant angestiegen. Die Temperaturen auf der Erde haben sich in den letzten hundert Jahren im Schnitt um 0,6 bis 0,8 Grad Celsius erhöht. Die Polkappen schmelzen ab. Verantwortlich dafür wird vor allem der Verbrauch fossiler Energieträger wie Öl und Kohle gemacht. Bei deren Verbrennung entsteht das klimaschädliche Kohlendioxid.
Kernkraft und erneuerbare Energien stoßen dagegen im Betrieb keine oder zumindest weniger Treibhausgase aus. Chancen beim Klimaschutz versprechen aber auch neue umweltfreundliche Technologien in der konventionellen Energieerzeugung. In den nächsten Jahrzehnten muss ein Großteil des deutschen Kraftwerkparks altersbedingt erneuert werden. Milliardeninvestitionen stehen an. Dafür muss die Politik schon heute die Weichen stellen.
Text: Jörg Michel
Fotos: Picture-Alliance
Erschienen am 27. Juli 2005