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Der CDU/CSU-Abgeordnete Michael Fuchs ist ein Mann der Praxis. Deshalb hat er sich der Bürokratie zugewandt. Zumindest jenem Teil, der stört.
Der Kalender von Michael Fuchs könnte schon ein erster Hinweis sein. Ein Blatt für eine Woche. Das muss reichen, auch wenn die 29 verzeichneten Termine in einer Schriftgröße daherkommen, die gute Augen verlangt. Sieben Punkt vielleicht. Das hätte man auch hübsch auf sechs Blätter verteilen können. Aber für so etwas ist Michael Fuchs nicht der richtige Mann – er will so viel wie möglich und so wenig wie nötig.
Als der Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion vor zwei Jahren von der Fraktionsvorsitzenden Angela Merkel die Leitung der Arbeitsgruppe Bürokratieabbau angetragen bekam, hat er sich gedacht, dass dies eine schwierige, aber wichtige Aufgabe ist. Michael Fuchs hatte lange genug als Unternehmer in Unternehmens- und Handelsverbänden sowie in Wirtschaftsbeiräten gearbeitet, um zu wissen, dass jener Teil der Bürokratie, der seinen Sinn nur noch in sich selbst findet, Ressourcen verschwendet und Kräfte bindet. Bürokratie muss nicht sein, hat sich der heute 55-Jährige gedacht, als er vor zwei Jahren in den Bundestag kam und die Leitung der Arbeitsgruppe übernahm. Sie wird ihn an diesem Mittwoch beschäftigen, aber erst im zweiten Teil des Tages.
Der erste Teil beginnt morgens um acht, zwei Stunden nach dem Aufstehen, in einem Restaurant am Pariser Platz. Hier trifft sich die Arbeitsgruppe „Wirtschaft“, die sich heute mit Energiepolitik befasst. Es geht um die aktuelle Situation auf den Rohstoffmärkten und den Umbau des RAG-Konzerns, eines Energieriesen mit rund 120.000 Beschäftigten. Das Ganze dauert eine Stunde, danach ist man klüger. Später erzählt Michael Fuchs, dass er in fast jeder Sitzungswoche mindestens ein Gespräch zum Thema Energiepolitik führe. Im Wirtschaftsausschuss des Bundestages ist der CDU/CSU-Abgeordnete für den Bereich Handel und den Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit zuständig. Energiepolitik liegt ihm besonders am Herzen. Weil es Standortpolitik sei, sagt er, und viel davon abhänge, ob sie gut gemacht werde.
Kurz nach neun Uhr kommt Michael Fuchs in sein Büro im Paul-Löbe-Haus und schaut sich zuerst im Internet an, was in seiner Koblenzer Heimatzeitung steht. Über den Wahlkreis will er immer auf dem Laufenden sein. Danach geht er noch einmal die Termine des Tages durch. Gleich beginnt der Wirtschaftsausschuss.
Auf dem Schreibtisch des Abgeordneten steht ein knallbunter Stifthalter – eindeutig nicht aus dieser Welt. Michael Fuchs erzählt, dass er in seinem beruflichen Leben viel in Hongkong war, zudem hat er den Vorsitz im Taiwan-Ausschuss der deutschen Wirtschaft seit 1997 inne. Der Stifthalter ist ein Geschenk, die bunten Drachen bringen sicher Glück, auch wenn sie aus Plastik sind.
Im Wirtschaftsausschuss, der pünktlich um 9.30 Uhr beginnt, wird ein hohes Tempo angeschlagen. Ein sehr hohes. Dabei sind schon die Überschriften mancher Tagesordnungspunkte so lang wie der Klappentext zu einem Roman. Allerdings meist weniger verständlich. Michael Fuchs muss zwischendurch kurz raus, um ein Gespräch mit einem Vertreter der Bundesagentur für Arbeit zu führen. Anders ließ sich der Termin nicht planen. Der Abgeordnete schafft es, wieder im Ausschuss zu sitzen, als die ausführliche Debatte zu einem FDP-Antrag über das Waffenembargo gegenüber China beginnt. Am Donnerstag steht das Thema auf der Tagesordnung des Bundestages. Michael Fuchs wird heute noch eine Rede dazu entwerfen, die er dann für seine Fraktion halten will.
Der Mann im dunklen Nadelstreifenanzug, dem eine rote Krawatte ein kleines Kontra gibt, wirkt in allen Gesprächssituationen wie die Ruhe selbst. Ob sich nicht doch manchmal Ungeduld breit macht, weiß man nicht. Die gemessenen Bewegungen, die sonore Stimme, die klaren, verständlichen Sätze geben es nicht preis. Bei manchen Dingen, das gibt der Koblenzer zu, gehe es ihm zu langsam voran.
Beispielsweise was den neuen Antrag seiner AG Bürokratieabbau anbelangt. Aber das wird ihn später beschäftigen. Erst einmal ist der Wirtschaftsausschuss um elf Uhr beendet, früher als erwartet. Das eröffnet ungeahnte Möglichkeiten. Zum Beispiel die, sich jetzt und vor dem nächsten Termin an die Rede zu setzen. Das tut der Abgeordnete dann auch.
Um 13 Uhr wird Michael Fuchs in der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft beim Parlamentskreis „Mittelstand“ seiner Fraktion erwartet. Die Beratung dauert eine gute Stunde, auch dies ist ein Gremium, das sich regelmäßig trifft, um die Grundlagen der Mittelstandspolitik der CDU/CSU-Fraktion mitzudefinieren.
Kurz vor halb drei noch ein Zwischenstopp im Büro und um drei beginnt im Clubraum des Reichstagsgebäudes die AG Bürokratieabbau. Michael Fuchs und seine beiden Büromitarbeiterinnen, die in den vergangenen Wochen viel für diese Beratung vorgearbeitet haben, sind die ersten. Der Clubraum ist eine Augenweide, was von den drei Personen allerdings kaum beachtet wird. Sie beugen sich über Papiere und besprechen den Ablauf der Veranstaltung. Auf der Homepage des Abgeordneten Fuchs gibt es einen Button, den man anklicken kann, um dann Sorgen oder Lösungsvorschläge zum Thema Bürokratie loszuwerden. Da ist einiges zusammengekommen, das in die Arbeit der AG einfließen kann.
Heute geht es um einen Antrag, der in den Bundestag eingebracht werden soll und den Titel „Bürokratische Hemmnisse endlich beseitigen – bessere Rahmenbedingungen für Arbeit in Deutschland“ trägt. An dem Papier hat die AG lange gearbeitet, nun will man, dass es von der ganzen Fraktion und möglichst noch von vielen anderen Abgeordneten unterstützt wird.
In der Fraktion gibt es noch Diskussionsbedarf, gleich nach der Besprechung wird Michael Fuchs deshalb in die Arbeitnehmergruppe seiner Fraktion gehen, um auch dort über den Antrag zu reden und mögliche Einwände auszuräumen. Aber wenn alles so einfach wäre mit dem Bürokratieabbau, wäre es ja schon längst kein Thema mehr. Hier werden schließlich die Interessen vieler berührt, und manches, was auf den Prüfstand gestellt werden soll, berührt die Arbeit ganzer Institutionen und kündigt harte Einschnitte an. Auch wenn man von der Richtigkeit dessen, was man hier tut, überzeugt ist, müssen alle ins Boot geholt werden. Da heißt es reden, immer wieder prüfen, ob der Weg richtig ist, alle im Auge behalten, die betroffen sein werden, und nie das Kind mit dem Bade ausschütten.
Die AG Bürokratieabbau einigt sich auf eine Vorgehensweise. Die lautet, auf den Punkt gebracht, in der Sache konsequent bleiben, aber so lange wie nötig über alles diskutieren, alle Argumente prüfen und trotzdem auf Tempo dringen. Die Quadratur des Kreises ist es nicht, aber einfach auch nicht.
Michael Fuchs fasst am Ende der Beratung noch einmal zusammen und schlägt eine Aufgabenverteilung vor. In seinem Büro werden alle Vorschläge sortiert und an jene Mitglieder der AG weitergeleitet, die fachpolitisch für das jeweilige Thema zuständig sind. Die erarbeiten dann ein Feedback für die AG. So kommt man ein paar Schritte weiter. Wenn die Abgeordneten Muße hätten, in jenen Momenten aus dem Fenster zu schauen, sähen sie einen grünen Lenkdrachen, der sich hoch in die Lüfte geschwungen hat. Könnte ein hoffnungsvolles Zeichen sein. Mal sehen.
Später im Büro zeigt der Abgeordnete Fuchs einige Zuschriften zum Thema, die er in den vergangenen Wochen bekommen hat. Die Themen Bauanträge und Verwaltungsvorschriften der Finanzbehörden stehen ganz oben. Aber manchmal sind es auch ganz einfache Bereiche, bei denen man feststellt, dass der Aufwand nicht im Verhältnis zur Aufgabe und zum Nutzen steht. Die jährliche Beantragung eines Schwerbehindertenausweises in Fällen angeborener Behinderung wäre so ein Beispiel. Zu umständlich und zu aufwändig, zumal die Betroffenen ja eigentlich ganz andere Probleme haben, wenn sie ihr Leben organisieren wollen.
Nun bleibt noch eine Stunde Zeit für Büroarbeiten, für den Abend gibt es zwei Einladungen, wobei noch nicht sicher ist, ob Michael Fuchs die zweite wird wahrnehmen können, auch wenn sie erst um 22 Uhr beginnt und im Kalender den schönen Titel „Post-Fest“ trägt. Eigentlich würde der Abgeordnete gern zum Postbahnhof am Ostbahnhof fahren, denn dort wäre Gelegenheit, mit dem einen und anderen auch über Arbeit zu reden. Man wird sehen.
Um 19 Uhr beginnt im China-Club, der sich im Gebäude des Hotels Adlon befindet, ein Empfang. Erwartet wird der chinesische Finanzminister Donald Tsang. Michael Fuchs schafft es, fast pünktlich da zu sein, allerdings bleibt kaum Zeit, sich die zahlreichen Kunstwerke im Haus, vorrangig zeitgenössische chinesische Kunst, anzuschauen.
So oder so – mit oder ohne „Post-Fest“ – wird es ein langer Abend werden, nach einem gut gefüllten Tag. War man dabei, wundert es nun doch, dass alles nur ein Sechstel von einem DIN-A4-Blatt eingenommen hat. Über das, was dieses eine Sechstel an Arbeit – an Reden, Diskutieren, Denken, Aufschreiben – beinhaltet, gibt so ein Kalender natürlich keine Auskunft. Der rastert nur die Zeit. Einen Plan muss man selbst haben.
Text: Kathrin Gerlof
Fotos: studio kohlmeier
Erschienen am 15. Dezember 2004