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Volker Beck ist Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. In seinem Büro findet man ihn nur selten. Er ist fast immer unterwegs.
Einen schönen Gruß von uns allen, wir fangen schon mal an“, sagt der Abgeordnete Volker Beck ins Handy. Die anderen sieben Leute im Raum rufen durcheinander, dass sie die Grüße an Biggi unterstreichen und sich wundern, wo sie denn nun bleibt, obwohl man sie doch vor ein paar Minuten noch gesehen hat? Dann kommt die Gesuchte zur Tür herein und sagt: „Mir musst du eine SMS schicken, Volker, das klappt am besten.“ Die Abgeordnete Birgitt Bender ist da, die Runde somit vollständig, und die Beratung zum Gendiagnostikgesetz kann endlich beginnen.
Zu diesem Zeitpunkt ist der Tag von Volker Beck schon fast vorüber. Er war lang für den Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Ein Montag ist es noch dazu, nach einem Sonntag, an dem er nicht ruhen konnte, sondern viel gearbeitet hat. Drei große Termine standen tags zuvor im Kalender des Abgeordneten und der dritte am Abend ließ nicht zu, dass er, wie sonst üblich, bereits am Sonntag nach Berlin reisen konnte. Das sei nun, gesteht der 44-Jährige, überhaupt nicht angenehm: so früh am Morgen in die Hauptstadt zu fliegen, gleich ins Büro zu hetzen und von da an bis in den späten Abend hinein keine Pause mehr zu haben. Ankommen am Sonntagabend, egal wie spät, und sich noch einlassen können auf die Stadt und die kommende Sitzungswoche – das sei auf jeden Fall besser.
Sei es drum, in dieser Woche ging es halt nicht, und den mit Terminen voll gepackten Montag hat Volker Beck auch so gut überstanden. Obwohl es sich an diesem Tag bei fast allen Terminen um „Mühen der Ebene“ handelte und nichts wirklich den Vermerk „erledigt und zu den Akten“ verdient. Das ist das Los eines Parlamentarischen Geschäftsführers: die Dinge immer im Fluss zu halten, sich aber damit arrangieren zu müssen, dass sie ihre Zeit brauchen.
An diesem Montag also wird der Abgeordnete, wenn alles gut läuft, gegen 23 Uhr in seiner Wohnung in Berlin-Mitte sein, spät genug, denn der Dienstag fängt auf jeden Fall um acht mit dem ersten Termin an.
Nach der Beratung über das Gendiagnostikgesetz, die am Montagabend um halb neun beendet ist, steht noch eine Gesprächsrunde der Parlamentarischen Linken der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf der Tagesordnung. Dann hat der Arbeitstag sein Ende. Dreizehn Stunden zuvor begann er im Bundestagsbüro und mit dem ersten Termin des Tages.
Kurz vor neun am Morgen ist Volker Beck da. Um sechs hatte ihn der Wecker in Köln aus dem Bett gerissen, da war es noch zu früh für ein richtiges Frühstück. Mit einer Tasse Tee ging es zum Flughafen. Im Flugzeug, das um 7 Uhr 15 startete, blieb wenigstens Zeit für die erste Zeitungslektüre. In Berlin-Tegel musste er feststellen, dass dies ein weiterer kalter Frühlingstag wird. Dafür allerdings ist der Abgeordnete gerüstet, er trägt einen Mantel über dem dunklen Nadelstreifenanzug und sorgt mit seiner Krawatte für jenes leuchtende Hellblau, das dem Himmel wieder einmal fehlt.
Um neun beginnt der Geschäftsführende Vorstand der Fraktion zu beraten. Die Runde findet in einem Besprechungsraum des Jakob-Kaiser-Hauses statt, von dem aus man auf die Brücke schauen kann, die zwei Häuser des Bundestages über die Spree hinweg miteinander verbindet. Die Symbolik stimmt also. An der Runde nehmen fünf Fraktionsmitglieder teil – die beiden Fraktionsvorsitzenden, der erste Parlamentarische Geschäftsführer und seine beiden Stellvertreterinnen. Sie findet an jedem Montagmorgen einer Sitzungswoche statt und dient vor allem der Vorbereitung des „Koalitionsfrühstücks“ am Dienstag. Das heißt, es stehen immer gewichtige und oft schwergewichtige Themen auf dem Programm. Heute geht es um die Diskussion um das Waffenembargo gegen China, den Sachstand in einem großen Militärprojekt und den Ablauf der Gedenkfeier zum 60. Jahrestag der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus.
Nach dem Termin beweist Volker Beck zum ersten Mal, dass stimmt, was ihm nachgesagt wird: Erstens, er telefoniert unglaublich viel und zweitens, wenn man ihm auf den Fersen bleiben will, muss man schnell sein. Dass seine hoch gewachsene und schlanke Gestalt nicht zu übersehen ist, erleichtert allerdings die Verfolgung. Und eigentlich ist Volker Beck auch nicht zu überhören, denn obwohl er sich einer leisen und sehr ruhigen Sprache bedient, strahlt er doch immer jene Autorität aus, die Aufmerksamkeit bekommt, ohne sie ständig einfordern zu müssen.
Um kurz nach halb elf geht es vom Bundestag zum Parteirat, der in einem Haus am Platz vor dem Neuen Tor tagt, unweit der Charité. Hier debattieren die Mitglieder des Gremiums über die Auswertung des Länderrates, auf dem auch Volker Beck am Wochenende war. Es geht um Dieselrußfilter, um die Umsetzung der Beschlüsse des Jobgipfels und um die geplante Anhörung des Außenministers im Untersuchungsausschuss. Draußen tummeln sich die Medienvertreter, verschwinden zwischendurch in ihren Ü-Wagen oder im Bistro nebenan, um kurz vor Ende der Beratung ihre Kamerateams wieder in Stellung zu bringen.
Volker Beck allerdings muss vor den angekündigten Statements für Presse und Fernsehen weg zum nächsten Termin, in das Bundesministerium des Innern an die Spree. Im Auto telefoniert der Abgeordnete wieder und im Ministerium trifft er dann vor dem Fahrstuhl Herrn Körper, mit dem er auch verabredet ist. Man redet sich schon mal ein wenig warm und nach drei Minuten schlägt Herr Körper vor, die Treppe zu nehmen, denn die Fahrstühle seien offensichtlich wegen der türkischen Staatsgäste blockiert. Elf Stockwerke, kein Problem. Die ganze Beratungsrunde, die sich inzwischen vor den Fahrstühlen eingefunden hat, macht sich auf den Weg. Im elften Stockwerk dann reden nur noch zwei Leute. Einer davon ist Volker Beck. Die anderen schweigen und atmen etwas laut.
Die Beratung findet zu jenem Thema statt, das auch am Abend auf der Agenda steht: ein geplantes Gendiagnostikgesetz, mit dem geregelt werden soll, wie künftig mit Informationen umgegangen wird, die durch Gentests gewonnen werden, wer sie nutzen und abfragen darf und wer nicht, wie der Einzelne geschützt werden kann und welche Interessen berücksichtigt werden müssen. Bis das Gesetzesvorhaben zum Entwurf gereift sein wird, ist noch ein schwieriger Weg zu bewältigen. Diskussionsbedarf besteht in vielen Gremien.
In dieser Runde geht es um die künftigen Regelungen in Bezug auf Landesbeamte – deshalb die Beratung mit Experten vom Innenministerium. Noch redet man über „Zukunftsmusik“, aber was jetzt nicht vernünftig geregelt wird, kann später Probleme verursachen. Wie zum Beispiel sollen künftig mögliche Interessen von Arbeitgebern oder Versicherungen an Auskünften über potenzielle Angestellte oder Kunden behandelt werden? Wie soll und darf die Forschung mit gewonnenen Daten umgehen, auf welchem Weg darf sie sie gewinnen?
Wie auch immer ein Gesetz das alles regeln wird, es betrifft dann viele Menschen und ihr ganz privates Leben. Denn es macht einen großen Unterschied, ob die Ergebnisse eines Gentests, etwa im Rahmen einer pränatalen Diagnostik, Privatsache bleiben oder von Dritten und für ganz andere Zwecke abgefordert werden können. Über all das muss man diskutieren und vernünftige Regelungen finden.
Eine wirkliche Annäherung oder gar ein Kompromiss kann in dieser Beratung, die in luftiger Höhe stattfindet, nicht gefunden werden. Andererseits sind alle Argumente für und wider eine explizite Ausweitung des Gesetzes auf Landesbeamte auf den Tisch gekommen und abgewogen worden. Auf dieser Basis kann an einem Entwurf weiter- und vor allem besser gearbeitet werden.
Volker Beck fährt zurück und telefoniert im Auto. Wie gehabt. Um 14 Uhr hat ein koalitionsinternes Fachgespräch begonnen, das sich mit ersten Erfahrungen bei der Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes befasst. Die Akten zu diesem Thema nehmen im Büro des Abgeordneten Beck ein komplettes großes Regalfach ein. Es war ein langer Weg bis zur Verabschiedung des Gesetzes und Volker Beck hat im Vermittlungsausschuss für seine Fraktion die Verhandlungen geführt. Auch jetzt, da das Gesetz in Kraft ist und umgesetzt wird, gibt es noch Diskussionsbedarf. Das Fachgespräch ist gut besucht, und es entsteht eine rege Diskussion im großen Saal. Hin und wieder, wenn die Tür sich öffnet, dringen lautstarke Statements nach draußen, die große Leidenschaft für das Thema vermuten lassen.
Volker Beck muss um 15 Uhr schon wieder gehen, denn dann beginnt die Runde des Fraktionsvorstandes, bei der die Sitzungswoche detailliert vorbereitet und durchgesprochen wird. Nach zwei Stunden ist man fertig und der Erste Parlamentarische Geschäftsführer Beck hat Zeit für ein wenig Büroarbeit. Vor allem aber für Telefonate. Die trübste Aussicht des Tages hat sich nicht bewahrheitet. Ins Büro scheint eine helle Frühlingssonne und malt Kringel auf Wände und Möbel.
Vielleicht tut sie das auch schon länger, und nur der Sitzungsmarathon hat verhindert, dass man es wahrnimmt und sich darüber freuen kann. Dies sei, sagt Volker Beck, ein ganz großes Manko in Sitzungswochen. „Die Termine lassen sich nicht entflechten, egal wie sehr man sich müht, man rennt einfach von einem wichtigen Tagesordnungspunkt zum nächsten. Und es gibt Tage, da schafft man es nicht einmal, die aktuelle Nachrichtenlage mitzubekommen.“ Im Büro hat die derzeitige Heimatstadt des Abgeordneten, geboren ist er in Stuttgart, gebührend Platz bekommen, ein Foto von Köln an der Wand und ein Papp-Dom im Regal signalisieren auch Verbundenheit mit der rheinischen Metropole.
Die Bürozeit von Volker Beck dauert bis kurz vor sieben. Dann geht es weiter – mit dem Thema Gendiagnostikgesetz. Das heißt, nicht gleich – denn erst mal muss der Schlüssel für den Raum und dann auch noch Birgitt Bender gefunden werden. „Einen schönen Gruß von uns allen, wir fangen schon mal an“, sagt der Abgeordnete Beck ins Telefon.
Text: Kathrin Gerlof
Fotos: studio kohlmeier
Erschienen am 30. Mai 2005