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Theodor Kubeck arbeitet als Bote in der Verwaltung des Bundestages. Er ist immer auf Achse und spart anderen so viele Wege.
Theodor Kubeck hat Humor und bringt die Leute gern zum Lachen. Ihm geht die Arbeit leichter von der Hand, wenn er es schafft, anderen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Das ist oft ganz einfach. Man trifft Herrn Kubeck auf dem Gang, sagt „guten Morgen“ und bekommt zur Antwort: „Gut, dass wir drüber geredet haben.“ Dann grinst man ein wenig in sich hinein und denkt: „Klar, so kann man es auch sehen.“
Im Paul-Löbe-Haus ist der Bote Kubeck bekannt wie der berühmte bunte Hund. Meist läuft der 56-Jährige mit einer Sackkarre oder dem beeindruckend großen Hubwagen, der aussieht wie ein Gabelstapler, durch die Häuser, beispielsweise wenn er dem Besucherdienst oder den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Öffentlichkeitsarbeit Broschüren, Zeitschriften, Prospekte, Umlaufmappen, Briefe und Pakete bringt.
Mindestens vier Mal am Tag wird Post geholt und verteilt – hausinterne und die so genannte Post-Post, die mit dem gelben Auto gekommen ist. „Wir transportieren alles“, sagt Theodor Kubeck, und das klingt fast wie ein netter und Vertrauen erweckender Werbeslogan. Müsste noch „Anruf genügt“ drunter stehen, denn Boten sind wie ein schneller Einsatzdienst und jederzeit dafür da, anderen die Arbeit zu erleichtern und Wege zu ersparen.
Die richtige Zentrale, die Botenmeisterei, befindet sich im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus. Aber eine der kleinen „Einsatzzentralen“ ist im Erdgeschoss des Paul-Löbe-Hauses untergebracht. „Botenmeisterei“ steht auch hier an der Tür, und zugeordnet ist der Bereich dem Parlamentsassistenzdienst. Das Telefon ist immer besetzt. Vor allem in Sitzungswochen hat, wer hier sitzt und alle Anrufe entgegennimmt, organisatorische Höchstleistung zu vollbringen. Schließlich sind fast immer fast alle Boten irgendwo im Hause unterwegs. Man kann es sich ein bisschen wie bei einer Taxirufzentrale vorstellen. Ein neuer Auftrag kommt rein und einer der Boten wird losgeschickt, ihn zu erledigen. Ist das Telefon mal nicht besetzt, kann man Theodor Kubeck auf seinem Beeper eine Bitte um Rückruf hinterlassen. Erreichbarkeit ist also immer garantiert.
In Sitzungswochen, sagt Theodor Kubeck, läuft er gut und gern bis zu zwanzig Kilometer am Tag. Sitzungswochen seien anstrengend und schön zugleich, denn es gebe für ihn nichts Schöneres als volle Häuser mit vielen Menschen. Mit jedem könne man schnell zwei, drei Worte wechseln, denn irgendwann kenne man ja fast jedes Gesicht, sei jeder Botengang ein Heimspiel.
Und wenn Theodor Kubeck zwischendurch in die Botenmeisterei kommt, sind da nette Kolleginnen und Kollegen, mit denen das Arbeiten Spaß macht. Solche, wie Edgar Dick zum Beispiel, den man sonst nur im Frack kennt, weil er beim Plenarassistenzdienst arbeitet, der aber gern auch als Bote einspringt, wenn Unterstützung gefragt ist. Jetzt ist gerade eine Kollegin krank und eine Vertretung wurde gebraucht. Edgar Dick arbeitet schon zwanzig Jahre im Bundestag, ein freundlicher Rheinländer, mit dem der Mecklenburger Kubeck gern ein bisschen rumalbert. Aber so unterschiedlich scheinen die Temperamente und der Sinn für Humor gar nicht zu sein. Nun gut, Theodor Kubeck redet ein wenig mehr, aber Edgar Dick kann gut kontern.
Theodor Kubeck ist erst seit vier Jahren im Bundestag, er war vorher beim Bundesversicherungsamt und ganz früher mal Landmaschinen- und Traktorenschlosser. Er hat kurze Zeit als Traktorist gearbeitet und war dann viele Jahre Kraftfahrer. Das passt auch gut zu dem Mann mit dem rot karierten Hemd und der exakt geschnittenen grauen Bürstenfrisur, die er seiner Frau verdankt. „Die ist vom Fach“, sagt er und streicht sich über die Haare, „Friseurin nämlich.“ Auf seinem Hausausweis sieht Theodor Kubeck ein wenig grimmig aus, wie er da so unter seinen schwarzen Augenbrauen in die Welt guckt. „Das bin ich gar nicht“, sagt er und lacht. „Ich laufe nie eingeklappt durch die Gegend.“ Glaubt man sofort.
Eine Runde mit dem zeitweiligen Team Kubeck-Dick durch das Paul-Löbe-Haus und das Reichstagsgebäude ist eine kurzweilige Angelegenheit. Drei große graue Plastikbehälter passen auf die Sackkarre, an deren Griffen vorsorglich eine Menge roter Gummibänder hängen, für den Fall, dass lose Papiere schnell für den Transport gebündelt werden müssen. Jetzt werden erst einmal Broschüren für den Besucherdienst geholt – „Einblicke-Ausblicke“, in diesem Fall die englische Version „Insights-Outsights“. Ein dicker Stapel der Zeitschrift „Das Parlament“ kommt dazu. Auf dem Weg geht man noch in der Poststelle vorbei. Die Briefe, die hier angekommen sind, werden im Büro in die einzelnen Fächer verteilt, um dann möglichst schnell beim richtigen Empfänger zu landen. Heute, da keine Plenarsitzung stattfindet, ist nicht allzu viel gekommen.
Theodor Kubeck kennt fast immer den kürzesten Weg vom Absender zum Empfänger, allerdings ist nicht jeder kurze Weg für den etwas sperrigen Hubwagen geeignet – da wählt man doch lieber die Strecke, auf der sich die Türen automatisch öffnen und die Fahrstühle groß genug sind. „Das mit der Orientierung hat ein wenig gedauert. Die Benummerung in den Häusern ist aber auch schwierig“, sagt Theodor Kubeck und grinst über das erfundene Wort „Benummerung“. „Erste Zahl Stockwerk, zweite Zahl Kamm oder Haus, dritte und vierte Zahl Zimmernummer. Irgendwann hat man es intus.“
Als Theodor Kubeck im Bundestag anfing, war das Paul-Löbe-Haus noch eine Baustelle. Heute ist er jeden Tag von Neuem begeistert über die Einblicke und Ausblicke, die sich in dem Haus immer wieder auftun. Überhaupt die Architektur, darüber kann er viel und lange reden und oft. Wenn sich auf seinem Weg ein besonders schöner Durch- oder Ausblick auftut, bleibt er einen Moment stehen und lässt sich verführen. „Am schönsten ist es, hier oben auf der Galerie des Paul-Löbe-Hauses entlangzulaufen, wenn unten Gewusel ist. Überhaupt finde ich das Beste an diesen Häusern, dass die Menschen sich sehen. Schauen Sie nur mal dahin“, sagt Herr Kubeck und zeigt auf ein Fenster, durch das man auf das Kanzleramt sehen kann. „Ist doch wunderbar, oder?“
Nach der Runde, zu der auch ein Gang in die unterirdischen Gefilde des Gebäudes gehörte, weil dies manchmal der beste Weg ist für den großen Hubwagen, der bis zu 1.200 Kilo trägt, geht es wieder ins Büro, um zu schauen, ob neue Aufträge gekommen sind und um die Post in die Fächer zu verteilen.
Hinter dem Schreibtisch von Theodor Kubeck hängen ein paar Sehnsüchte an der Wand – blaues Meer, heller Strand, grüne Palmen und Himmel, so weit das Auge schauen kann. „Will ich überall hin“, sagt Herr Kubeck und lächelt. „Aber wenn dafür die Zeit nicht reicht“, wirft Edgar Dick ein, „geht er in seinen Garten. Der ist doch Kleingärtner mit Leib und Seele. Und gegessen haben wir die Sachen auch schon, die er da so groß züchtet. Gar nicht schlecht, die Tomaten.“
Theodor Kubeck schweigt bescheiden und verteilt Notfallbonbons an alle Anwesenden. Tomaten gibt es erst wieder im Sommer. An der Wand hängt ein Schlüsselkasten, in dem Schlüssel für Sitzungsräume des Paul-Löbe-Hauses aufbewahrt werden. Auch die Schlüsselvergabe gehört zu den Aufgaben in der Botenmeisterei. Auf einem Schreibtisch liegen die Dienstpläne der Woche, für jeden Tag einer. Darauf sind für den Boten-, Räum- und Hilfsdienst sowie für den Ausschussassistenzdienst alle Bereiche und Arbeiten und die entsprechenden Zuständigkeiten verzeichnet. Für den Laien nicht auf den ersten Blick verständlich. Da steht zum Beispiel „Frack- und Flaggenstelle“ – hier werden die Fracks und die Flaggen nicht etwa gewaschen und gepflegt, sondern verteilt an die, die sie brauchen.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von „Möbel/Umzüge/Logistik“ kümmern sich darum, dass für jede Sitzung oder Veranstaltung das richtige und ausreichend Mobiliar vorhanden ist. Dann gibt es noch „Reinigung/Projektoren/Leinwände“ und „Boten allgemein“. Letzteres ist klar und nennt auch die meisten Namen, mehr als dreißig jeden Tag. Boten allgemein sind all die, die tun, was Theodor Kubeck macht. Den ganzen Tag auf Achse sein, anderen Wege abnehmen, Zeit sparen, Logistik bereitstellen.
Einen uralten Berufsstand vertreten sie, auf den noch heute niemand verzichten mag und kann. Boten haben, kann man lesen, sogar einen eigenen Schutzpatron – den Erzengel Gabriel. Ob der heute noch für den Berufsstand zuständig ist, weiß man nicht, schließlich haben sich die Zeiten sehr geändert. Nur die Berufsbezeichnung ist geblieben. „Gut, dass wir drüber geredet haben“, würde Theodor Kubeck an der Stelle vielleicht sagen. Und jemanden zum Lächeln bringen.
Text: Kathrin Gerlof
Fotos: studio kohlmeier
Erschienen am 15. März 2005