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Ob öffentliche Kritik oder Umbau der Bundeswehr – der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages vermittelt und moderiert zwischen Gesellschaft, Bundeswehrführung und Soldaten. Mitte April wählte das Parlament den SPD-Politiker Reinhold Robbe in das Amt. Im Interview spricht der neue Wehrbeauftragte über das Bild der Bundeswehr, ihre Integration in die Gesellschaft und seine Aufgaben als Vertrauensperson.
Blickpunkt Bundestag: Warum wechselt man aus der mächtigen Position eines Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses in das Amt des Wehrbeauftragten?
Reinhold Robbe: Das Amt des Wehrbeauftragten gehört zu den interessantesten, die der Deutsche Bundestag zu vergeben hat. Man verabschiedet sich mit der Übernahme des Amtes natürlich aus der operativen Politik. Aber dieses Modell eines Ombudsmanns für Soldaten ist einmalig. So etwas gibt es nur in Deutschland. Man ist unabhängig, nur dem Parlament und dem Souverän verpflichtet, ohne dass einem jemand hereinreden kann.
Blickpunkt: Was haben Sie sich für Ihre Amtszeit vorgenommen?
Robbe: Ich will zunächst einmal Ansprechpartner für alle Soldatinnen und Soldaten sein. Das bedeutet, dass ich in der Truppe präsent sein muss – hier in Deutschland, aber auch an den Einsatzorten im Ausland. Ich möchte deshalb noch bis zum Sommer den Einsatzorten einen Besuch abstatten. Ich will aber auch darauf hinarbeiten, dass die Soldatinnen und Soldaten besser in der Gesellschaft verankert werden. Dies betrachte ich als permanente Aufgabe. Sicherheitspolitik und die Arbeit der Bundeswehr haben in der deutschen Öffentlichkeit nicht den Stellenwert, der ihnen eigentlich zukommt.
Blickpunkt: Der überwiegende Teil der Beschwerden an den Wehrbeauftragten dreht sich um Besoldung und Beförderung. Braucht es für solche Fragen wirklich eine besondere Vertrauensperson der Soldaten beim Bundestag, wie den Wehrbeauftragten?
Robbe: Wenn es allein um solche Beschwerden ginge, bräuchte man den Wehrbeauftragten in der Tat nicht. Aber das ist ja nicht alles. Nehmen sie beispielsweise die Vorfälle in Coesfeld und die Vorwürfe, die Ausbilder würden Wehrpflichtige misshandeln. Von den Betroffenen hat es da zwar keine oder nur sehr wenige Eingaben an den Wehrbeauftragten gegeben. Aber mein Vorgänger hat sich natürlich um die Vorwürfe gekümmert. Als das Ganze in den Medien hochkochte, konnte er auch dazu beitragen, etwas die Aufregung aus der Debatte zu nehmen und zur Versachlichung der öffentlichen Auseinandersetzung beizutragen.
Blickpunkt: Der Wehrbeauftragte hat also auch die Bundeswehr gegen ungerechtfertigte Angriffe aus der Öffentlichkeit in Schutz zu nehmen?
Robbe: Ja, in der Tat, das sehe ich auch als eine Aufgabe.
Blickpunkt: Als das Amt des Wehrbeauftragten geschaffen wurde, stand im Vordergrund, die Konzepte der ‚inneren Führung‘ und des ‚Staatsbürgers in Uniform‘ in der Bundeswehr zu verankern und damit einen Schnitt zur Wehrmacht zu machen ...
Robbe: ... daran arbeiten wir heute noch. Nehmen Sie die Diskussion um die Umbenennung des Geschwader Mölders oder um andere Kasernenumbenennungen. Es wird immer wieder Situationen geben, wo wir von unserer eigenen Vergangenheit eingeholt werden. Aus meiner Sicht ist es notwendig, gerade diese problembeladenen Themen mit den betroffenen Bundeswehrangehörigen offen zu diskutieren.
Blickpunkt: Wie wollen Sie bei der Bewältigung der neuen Aufgaben, etwa beim Umbau der Bundeswehr, helfen?
Robbe: Mit dem Umbau der Bundeswehr von einer Verteidigungs- zu einer Einsatzarmee verlangen wir den Soldaten sehr viel ab. Aber das ist nicht alles. Auch die Wechselfälle des Lebens bilden sich in der Bundeswehr ab. Früher war es beispielsweise gang und gäbe, dass die Ehefrauen der Soldaten ihren Männern dahin folgten, wohin diese gerade versetzt wurden. Heute haben auch Partner der Soldaten oder Soldatinnen einen Beruf. Wenn die Soldaten versetzt werden, müssen sie pendeln. Das belastet gleichermaßen die Soldaten und deren Familien. Ich will mit meiner Arbeit helfen, dass die Soldatinnen und Soldaten trotz dieser Umwälzungen mit ihrer Arbeit zufrieden sind.
Blickpunkt: Als Wehrbeauftragter dürfen Sie kein anderes politisches Amt bekleiden und müssen auch ihr Bundestagsmandat niederlegen. Heißt das, dass Sie sich aus der Parteipolitik verabschieden?
Robbe: Würde ich mein Mandat behalten, wäre ich nicht wirklich unabhängig und könnte meine Kontrollpflichten gegenüber der Bundesregierung aber auch gegenüber dem Parlament nicht ausüben. Insofern ist es vernünftig, dass ich mein Bundestagsmandat niederlegen muss. Aber es ist natürlich so, dass jeder weiß, wo ich politisch herkomme. Ich möchte dieses Amt gern lange ausüben, und für meine Amtszeit werde ich – übrigens ebenso wie der Bundespräsident – mein Parteibuch ganz oben ins Regal legen. Was danach kommt, wird man sehen.
Blickpunkt: Sie haben selbst den Dienst mit der Waffe verweigert und Zivildienst absolviert. Fehlt ihnen da nicht die nötige Erfahrung, um die Probleme der Soldaten richtig einzuschätzen?
Robbe: Diese Frage kommt oft und ich muss sie mir natürlich gefallen lassen. Ich glaube aber, dass ich mich, eben weil ich selbst keinen Wehrdienst geleistet habe, vielleicht intensiver als andere in die Verteidigungspolitik eingearbeitet habe. Ich habe es auch als meine Aufgabe betrachtet, mich intensiv den individuellen Anliegen und Sorgen vieler Soldatinnen und Soldaten zu widmen. Außerdem habe ich mir als Verteidigungspolitiker und als Vorsitzender des Verteidigungsausschusses durch zahlreiche Truppenbesuche ein sehr genaues Bild von der Bundeswehr gemacht. Ich denke, das wiegt die fehlende Erfahrung als Soldat auf.
Das Gespräch führte Matthias
Rumpf
Fotos: Picture-Alliance
Erschienen am 12. Mai 2005