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Debatte
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Wortlaut der Reden

Burkhard Zurheide, FDP Gernot Erler, SPD >>

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Entscheidung über die Frage, wo der Deutsche Bundestag seinen Sitz nimmt, sei eine Generationenfrage, so hört man, auch heute: Die Alten wollten zurück nach Berlin, um an zweifelhafte Traditionen anzuknüpfen, während die fortschrittlichen jungen Leute für die Lösung der Moderne seien. Jugendlicher Zeitgeist gegen antiquierte Tradition?

Meine Damen und Herren, so einfach darf man es sich nun wirklich nicht machen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)

Natürlich ist es richtig, daß wir Jungen -- jedenfalls in der Bundesrepublik -- in und mit der Bonner Republik aufgewachsen sind. Selbstverständlich trifft es zu, daß für uns Jüngere, die wir nie etwas anderes kennengelernt haben als eine faktische Hauptstadt Bonn, diese Stadt ein Synonym für Demokratie ist.

Aber ist es denn nicht auch richtig, daß wir immer wieder daran erinnert worden sind, das Ziel deutscher Politik müsse die Wiederherstellung der deutschen Einheit sein? Gehörte dazu nicht auch immer, daß nach der angestrebten Wiedervereinigung der Sitz des deutschen Parlaments selbstverständlich und unverzüglich nach Berlin zu verlegen sei?

Soll nun heute dies alles, was ja auch in Lehrplänen, nach denen wir ausgebildet wurden, enthalten war, leere Floskel, hohles, nicht ernst gemeintes Gerede gewesen sein? Nein, meine Damen und Herren, die Bereitschaft und die Fähigkeit der jungen Generation, in historischen Zusammenhängen zu denken, die geschichtliche Dimension wichtiger politischer Fragen zu erkennen und entsprechend zu handeln, sind vorhanden. Genau deswegen ist die heute zu treffende Entscheidung keine Generationenfrage. Ich möchte herzlich darum bitten, mit diesem Argument nicht zu operieren.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU und des Bündnisses 90/GRÜNE -- Wolfgang Roth [SPD]: Es gibt 31jährige Alte!)

Berlin war die Hauptstadt eines erstmals vereinten Deutschlands, das sich im Laufe der Zeit demokratisierte und das nach 1918 den Versuch unternahm, sich als Republik mit parlamentarischer Demokratie zu organisieren, was im Prinzip gelungen ist.

Es trifft ja zu, daß Berlin auch die Hauptstadt Deutschlands war, als die Nationalsozialisten herrschten. Nur: Spricht das wirklich gegen Berlin? War Berlin, Berlin allein, schuld an der Nazi-Diktatur? Nein, meine Damen und Herren, Berlin ist ein Symbol, ein junges Symbol, für das Streben der Deutschen, in einem einzigen Staat zu leben, friedlich, demokratisch und in sozialer Gerechtigkeit. Berlin ist nicht nur ein Symbol für die Überwindung der Teilung Deutschlands, in Berlin spiegelt sich in gleicher Weise die Beendigung der Teilung Europas wider.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

In Europa haben sich die Verhältnisse gewaltig verändert. Und wenn wir es noch so sehr wünschten: Es wird nicht möglich sein, einfach so weiterzumachen wie bisher, zu glauben, unsere liebgewonnene Bonner Republik sei eben nur ein bißchen größer geworden, aber auch nicht mehr.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU und des Bündnisses 90/GRÜNE)

Nein, meine Damen und Herren, um uns herum verändert sich die Welt in atemberaubendem Tempo. Europa wächst zusammen. Wo wenn nicht in Berlin ließe sich dies besser erleben? Wo wenn nicht in Berlin, im Schnittpunkt Europas, käme die Idee eines vereinten Europas besser zum Ausdruck?

Insoweit geht es bei der heute zu entscheidenden Frage nicht darum, irgend jemandem irgend etwas nehmen zu wollen. Es handelt sich um eine Frage, die eine tiefe geschichtliche Dimension hat. Sie reicht ebenso in die Vergangenheit wie in die Zukunft. Aus diesem Grunde bitte ich Sie, mit Ihrer Stimmabgabe dafür zu sorgen, daß der Sitz des deutschen Parlamentes in Berlin sein wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU, der SPD und des Bündnisses 90/GRÜNE)

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe, sage ich für diejenigen, die vielleicht jetzt schon auf die Abstimmung warten: Zur Zeit stehen noch weitere 20 Redner und Redne- rinnen auf der Liste, so daß Sie sich bitte darauf einstellen, daß wir noch Ruhe im Saal brauchen.

(Zuruf von der SPD)

-- Noch 20 sind mir zur Zeit gemeldet.

Es spricht jetzt der Abgeordnete Gernot Erler.

Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_072
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