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Debatte
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Wortlaut der Reden

Gudrun Weyel, SPD Christian Schmidt (Fürth), CDU/CSU >>

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die öffentlichen Diskussionen der letzten Wochen und die starke Emotionalisierung haben leider zu einigen gedanklichen Schieflagen geführt, die auch heute leise anklangen.

Es ist falsch, daß die Bonn-Befürworter gegen die deutsche Einheit sind; wir sind für die deutsche Einheit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Es ist der falsche Eindruck entstanden, daß die Bonn-Befürworter kein Verständnis für die Menschen in den neuen Bundesländern und in Berlin und ihre Sorgen haben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Im Gegenteil!)

Wir verstehen sehr wohl, daß dort diese Sorgen vorhanden sind und daß viele Leute meinen, mit einer Entscheidung für Berlin werde sich da schnell sehr viel ändern. Aber es stellt sich die Frage: Ist das richtig? Ich habe den Eindruck, daß hier falsche Hoffnungen erweckt worden sind,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

die davon ausgehen: Wenn wir heute für Berlin entscheiden, wird morgen -- nicht im wörtlichen Sinne -- der wirtschaftliche Aufstieg in Berlin und in den neuen Bundesländern sofort beginnen. Auch dies ist falsch. Denn alle wissen, eine Entscheidung heute bedeutet, daß erst einmal eine Planungsphase erforderlich ist und daß anschließend noch lange Zeit vergeht, bis die Planungen umgesetzt werden und das Parlament wirklich nach Berlin kommen kann.

Ich möchte mich meinem Vorredner anschließen. Warum reden wir eigentlich nur von Berlin, und warum reden wir nicht auch von Leipzig, von Weimar, von Rostock und anderen Städten? In diese Debatte könnte man auch die Verlagerung des Sitzes anderer Verfassungsorgane, z. B. höchster Bundesgerichte, durchaus einschließen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr wahr!)

Noch eines: Wir entscheiden hier nicht für die Abgeordneten, die heute hier sitzen. Wir alle wissen, daß das, was wir heute entscheiden, die Abgeordneten dieser Legislaturperiode überhaupt nicht betrifft. Wir entscheiden vielmehr für diejenigen, die im nächsten oder vielleicht auch erst im übernächsten und in folgenden Bundestagen sitzen.

(Beifall der Abg. Ingrid Matthäus-Maier [SPD])

Bis dahin werden die neuen Bundesländer eine positive Entwicklung hoffentlich bereits hinter sich haben. Bis dahin wird auch Berlin eine eigene Entwicklung haben, und da traue ich der Stadt Berlin sehr viel zu.

(Beifall des Abg. Rudi Walther [Zierenberg] [SPD])

Ich traue ihr eine Entwicklung zu, die aus ihrer Brückenlage nach Osteuropa hin vehemente wirtschaftliche Impulse ermöglicht, begleitet von einer guten kulturellen Entwicklung.

(Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)

Die Stadt Berlin, die wir als Abgeordnete vielleicht in zehn Jahren betreten, wird eine andere sein als die, über die wir heute reden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Dr. Günther Müller [CDU/CSU])

Dann frage ich mich, welchen Stellenwert haben Parlament und Regierung in einer solchen blühenden Metropole, die auf diese Einrichtungen überhaupt nicht mehr angewiesen ist? Ich frage mich auch: Wie laut müssen wir als Parlament dann eigentlich sein, um in solch einer Stadt mit einer so großen Ausstrahlung überhaupt noch gehört zu werden?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Günther Müller [CDU/CSU])

Ich befürchte, wir müssen dann auch in manchem überziehen, um überhaupt bemerkt zu werden.

Das Parlament wird -- je nach Planung -- in einer Situation sein, die seine Arbeitsweise beeinflußt. Die erste Möglichkeit ist, daß wir in einem zusammengehörigen Komplex untergebracht sind. Dann entsteht so etwas wie eine Gettowirkung, und die Behauptung, wir nähmen dort am pulsierenden Leben der Bevölkerung teil, ist schlicht falsch.

(Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Eben!)

Die zweite Möglichkeit ist, daß wir tatsächlich über den gesamten Innenbereich von Berlin verstreut sind; ich erinnere an die Lage der heute in den Ausstellungen gezeigten Gebäude. Dann, muß ich allerdings sagen, bekommen wir ein Parlament der langen Wege, der Verkehrsstaus usw. Angesichts dessen frage ich mich, ob unsere Arbeitsfähigkeit in dem heutigen Umfang noch gewährleistet wäre.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen sind für meine Entscheidung für Bonn zwei Punkte ausschlaggebend. Es bedarf guter Arbeitsbedingungen für ein Parlament, das seinen eigenen Stil entwickelt hat und sehr arbeitsintensiv ist. Es braucht die Möglichkeiten dazu, damit es vernünftige Entscheidungen treffen kann.

Ich denke darüber hinaus an die Situation der Menschen, die hier -- d. h. für mich: im Umfeld des Parlaments und der Regierung -- arbeiten. Ich gebe gerne zu, in diesem Zusammenhang spielt für mich auch eine Rolle, daß der Norden von Rheinland-Pfalz sehr stark davon betroffen wäre.

(Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das ist etwas Schlimmes!)

Bonn gibt seinen Einwohnern, aber auch einem weiten Umfeld Brot und Arbeit. Ich fürchte, eine Metropole Berlin würde den neuen Ländern eher Menschen und Wirtschaftskraft entziehen.

Deswegen lassen Sie uns gemeinsam von Bonn aus das Zusammenwachsen der neuen Bundesländer fördern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster hat der Abgeordnete Christian Schmidt das Wort.

Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_077
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