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Debatte
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Wortlaut der Reden

Dr. Hermann Scheer SPD Brigitte Schulte (Hameln), SPD >>

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine persönlichen Emotionen waren und sind auf Berlin gerichtet, und das wird auch so bleiben. Ich bin in Berlin großgeworden, meine Mutter lebt dort, und ich gehöre noch heute meinem früheren Sportverein in Berlin an.

Meine politischen Beweggründe lassen mich jedoch für Bonn votieren,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

weil ich nach langer persönlicher Überlegung der Meinung bin, daß psycholgische Beweggründe kein haltbarer Boden für wichtige politische Entscheidungen sind. Nun sind sicherlich die Motive derjenigen, die für Bonn sprechen, sehr unterschiedlich. Das gleiche gilt natürlich für Berlin.

Meine Motive sind die folgenden. Ich halte es zwar für sehr, sehr perfide, wenn versucht wird, Berlin alle Negativseiten der deutschen Geschichte anzulasten, wie das auch bei einigen Rednern heute geschehen ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dies könnte ich niemals akzeptieren. Es gibt aber einen politischen Grund historischer Art, der mich für Bonn votieren läßt, und der besteht darin, daß ich mir sehr schwer vorstellen kann, daß der künftige Versammlungsort des deutschen Parlaments den Namen »Reichstag« tragen soll.

(Zurufe)

-- Ich habe gesagt, es mag unterschiedliche Motive geben, aber dies ist mein Motiv. Ich möchte den Namen Reichstag

(Jochen Feilcke [CDU/CSU]: Das ist doch der gleiche wie in Stockholm!)

deshalb nicht als Namen der Tagungsstätte für den Deutschen Bundestag -- --

(Große Unruhe -- Glocke des Präsidenten)

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Abgeordneter, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Neumann zu beantworten?

Dr. Hermann Scheer (SPD): Bitte.

Volker Neumann (Bramsche) SPD: Herr Kollege, wären Sie bereit, für Berlin zu stimmen, wenn wir den Reichstag in Bundestag umbenennen?

(Heiterkeit und Beifall)

Dr. Hermann Scheer (SPD): Ich beanspruche überhaupt nicht, daß mein Motiv für jeden gelten soll; ich habe das vorhin ausdrücklich gesagt.

(Zurufe von der CDU/CSU: Beantworte doch einmal die Frage! -- Frage beantworten!)

Aber man kann ein Gebäude nicht einfach umbenennen. Es tur mir leid, das geht nicht.

(Lachen -- Anhaltende Unruhe)

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Dr. Hermann Scheer (SPD): Ich sage noch einmal: Ich beanspruche nicht, daß das Argument, das mich persönlich bewegt -- es ist eine persönliche Entscheidung wie die jedes einzelnen anderen auch --, von jedem getragen wird. Ich jedenfalls kann mir nicht vorstellen, daß der Name des künftigen zentralen Versammlungsortes des Deutschen Bundestages »Reichstag« sein soll, weil der Reichstag mit der Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz seine historische Funktion für mich verspielt hat. Das ist mein Beweggrund.

(Dr. Hans-Jochen Vogel [SPD]: Kroll-Oper! - Weitere Zurufe von der SPD)

Ich weiß sehr wohl, daß diese Entscheidung in der Kroll-Oper getroffen worden ist. Ich beziehe mich auf den Begriff »Reichstag« mit dem gleichen Recht, wie sich viele im letzten Jahr zu Recht dagegen gewehrt haben, daß das wiedervereinigte Deutschland mit dem Etikett »Viertes Reich« versehen wird. Das ist mein politisches Motiv. Ich beanspruche, um es noch einmal zu sagen, nicht, daß es von allen getragen oder übernommen wird.

Ein zweites Motiv ist für mich das folgende -- --

(Fortgesetzte große Unruhe)

-- Entschuldigung, Herr Präsident, aber vielleicht können Sie für Ruhe sorgen.

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Ich habe viel Verständnis für diesen Wunsch. Aber ich kann nicht jeden einzelnen bitten, ruhig zu sein. Die Damen und Herren Abgeordneten haben ihre Reden in erfreulichem Umfang zu Protokoll gegeben, d. h., sie wollten nicht reden, jedenfalls nicht vom Rednerpult aus.

(Heiterkeit und Beifall)

Ich wäre dankbar, wenn sie sich auch im Saal so verhalten würden.
Herr Abgeordneter Scheer, versuchen Sie es bitte noch einmal.

(Heiterkeit)

Dr. Hermann Scheer (SPD): Herr Präsident, ich habe meine Rede nicht schriftlich vorbereitet, und da es für mich persönlich eine sehr schwierige Entscheidung ist, will ich diese Entscheidung entsprechend dem Recht, das mir als einem Abgeordneten zusteht, hier begründen können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Bündnisses 90/GRÜNE)

Das ist doch wohl ein selbstverständliches parlamentarisches Recht!

Mein zweiter Beweggrund besteht darin, daß ich mich wiederum sehr mit denen verbunden fühle, insbesondere mit denen in den fünf neuen Ländern, die es als unverhältnismäßig empfinden, daß 100 000 bedrohte Arbeitsplätze in der Debatte jetzt scheinbar höher bewertet werden als bereits mehrere 100 000 verlorene Arbeitsplätze in verschiedensten Regionen der fünf neuen Länder.

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Abgeordneter Scheer, nun muß ich Sie bitten, langsam zum Schluß zu kommen. Ich bin Ihnen hinsichtlich Ihrer Redezeit schon außerordentlich entgegengekommen. Da Sie frei sprechen, wird es Ihnen ja nicht allzu schwerfallen, langsam zum Ende zu kommen.

Dr. Hermann Scheer (SPD): Herr Präsident, ich rede jetzt vielleicht gerade zwei Minuten.

(Lachen und lebhafter Widerspruch)

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Abgeordneter, wir haben eine Uhr, die ich, soweit erforderlich, immer angehalten habe. Sie haben jetzt um mehr als eine Minute überzogen. Ich wäre wirklich dankbar, wenn Sie zum Schluß kämen.

Dr. Hermann Scheer (SPD): Gut, ich komme zu meinem zweiten Punkt und will den nun abschließen.

(Lachen und Zurufe)

-- Es tut mir leid; ich werde mich nicht aus der Ruhe bringen lassen.

Mein zweiter Beweggrund besteht darin: Ich kann das, was ich soeben über die unterschiedliche Bewertung bedrohter Arbeitsplätze ausgeführt habe, sehr wohl nachempfinden. Nur, es geht in Bonn darum, daß es sich um die Arbeitsplätze derer handelt, die im politischen Nervenzentrum der Bundesrepublik arbeiten. Ich halte es für höchst problematisch, wenn

-- statt daß die Probleme, die wir zu bewältigen haben, gelöst werden -- diese Administration inklusive Parlament in den nächsten zehn Jahren ihre innere Orientierung zu einem erheblichen Teil auf einen Umzug richten müßte. Dies würde ich für falsch halten.

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Herr Abgeordneter Scheer, Sie haben mehr als einhundert Vorredner gehabt, und die haben sich an die Zeit gehalten. -- Danke schön.

Da der Abgeordnete Oostergetelo seine Rede zu Protokoll gegeben hat,
(Beifall im ganzen Hause)
kann ich den Abgeordneten Möller aufrufen.

Dr. Franz Möller CDU/CSU:
Auch ich gebe meine Rede zu Protokoll.

(Beifall im ganzen Hause)

Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg: Nun erteile ich der Abgeordneten Frau Schulte das Wort.

Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_102
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