ENTLASTUNG KLEINERER UND MITTLERER BETRIEBE GEWÄHRLEISTEN
Bonn: (hib) lw- Deutliche Kritik am Entwurf von SPD und Bündnis 90/Die Grünen für ein Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 (14/23) äußerten am gestrigen Nachmittag Sachverständige im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. In seiner sechsten Sitzung hatte der Ausschuß zu einer nichtöffentlichen Anhörung geladen, um die den Agrarbereich betreffenden Aspekte des genannten Gesetzentwurfes zu beleuchten. Bis auf den Vertreter der Gewerkschaften vertraten alle geladenen Experten die Auffassung, daß die Steuerreform nicht zu einer Entlastung von kleinen und mittleren Betrieben beitrage. Im Gegenteil: In der bisher bestehenden Form werde sie ihnen Kapital entziehen und den Strukturwandel im ländlichen Raum noch beschleunigen. Das bedeute den Verlust von etlichen Betriebe und damit auch Arbeitsplätzen.
Adalbert Kienle vom Deutschen Bauernverband sprach von einer "totalen Verletzung der sozialen Symmetrie". Als Beispiele führte er die Wochenend- und Feiertagsarbeit eines Arbeitnehmers an, die voll unterstützt werde, während man diese Unterstützung dem Landwirt nehme. Auch würden Kleinverdiener zusätzlich belastet. So betrügen die Steuermehrbelastungen bei Wegfall des landwirtschaftlichen Freibetrages und der Steuerermäßigung zum Beispiel bei einem Einkommen von 35.000 DM insgesamt 2.282 DM, während ein Betrieb mit einem Einkommen von 150.000 DM demnächst 86 DM an Steuern spare. Siegfried Scholz vom Zentralverband Gartenbau hob er hervor, daß viele kleine und mittlere Betriebe im ländlichen Raum ein "Stück Alterssicherung" seien. Mit dem Wegfall des bisher üblichen halben Steuersatzes zum 1. Januar 1999 ginge die Hälfte der Altersversorgung verloren. Er appellierte an die Bundesregierung, den Gartenbaubereich, der rund 400.000 Arbeitsplätze stelle, nicht durch "unüberlegte und kurzsichtige Reformen zu gefährden. Seitens des Deutschen Raiffeisenverbandes erklärt Birgit Buth, daß die vorgesehene Abschaffung der Teilwertabschreibung und das Wertaufholungsgebot zu "Scheinabschreibungen" führten. Es müsse ein "Scheingewinn" versteuert werden, obwohl kein Gewinn entstehe. Diese Regelung "höhle die Substanz von Unternehmen aus" und gefährde deren Existenz massiv". Auch verwies sie mit Bezug auf den völlig neuen Aufbau des Paragraphen zur "Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittssätzen" auf die Problematik der kleineren Winzer- bzw. Nebenerwerbswinzerbetriebe. Diese könnten nicht mehr wirtschaftlich arbeiten und müßten wahrscheinlich schließen, wenn die alte 2000 DM-Grenze bei Sonderkulturen nunmehr durch eine 500 DM-Bagattellgrenze ersetzt werde. Karl Giesen von der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände unterstrich mehrfach die Notwendigkeit adäquater Rahmenbedingungen für die Überlebensfähigkeit der Forstwirtschaft, die keine Subventionen erhalte. Es herrsche jetzt schon eine wettbewerbsmäßige "Schieflage" zwischen öffentlichen und privaten Betrieben zu Ungunsten letzterer. Mit der Einführung der Steuerreform würde sich diese Situation weiter zu Lasten der privaten Forstunternehmen verschieben und die Ungleichbehandlung noch verschärfen. Er verwies auf den 1954 geschaffenen "Kalamitätsparagraphen" über die "außerordentlichen Einkünfte" aus der Forstwirtschaft. Dieser müsse unverändert beibehalten werden. Er unterstrich dabei die besonders langen "Produktionszeiten" von bis zu 100 Jahren im Bereich der Forstwirtschaft. Es handele sich hierbei insofern nicht um eine Steuervergünstigung, sondern um "eine der Sache gemäße Tarifvereinbarung", die nicht "aufgeweicht" und außer Kraft gesetzt werden dürfe. Der Gewerkschaftsvertreter, Arndt Spahn, von der IG Bauen-Agrar-Umwelt war der einzige, der die Steuerreform als "positiven Schritt zur Entlastung des Faktors Arbeit in der Land-, Garten- und Forstwirtschaft im ländlichen Raum" bezeichnete. Er vertrat die Auffassung, daß in allen Branchen Beiträge zur "ökologischen-sozialen Wende" adäquat geleistet werden müßten. Dieses dürfe aber nicht dazu führen, Branchen zu gefährden.
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