SONDERAUSSCHUSS "MASSSTÄBEGESETZ/FINANZAUSGLEICHSGESETZ"
Kommunen beklagen "Willkür" der Länder beim Griff in ihre Kassen
(fi) Heftige und deutliche Kritik am Verhalten der Länder im Zuge der Verhandlungen über die Fortführung des Solidarpaktes haben Vertreter der kommunalen Spitzenverbände am 9. November im Sonderausschuss "Maßstäbegesetz/Finanzausgleichsgesetz" geübt. Die gleich lautenden Entwürfe von SPD und Bündnis 90/Die Grünen (14/7063) und der Bundesregierung (14/7256) für ein Solidarpaktfortführungsgesetz enthielten in einigen Punkten Regelungen, die nicht akzeptiert werden könnten.
Nach dem Gesetzentwurf sei geplant, die westdeutschen Kommunen an der Finanzierung des "Solidarpakt II" für den Zeitraum von 2005 bis 2019 durch die um 29 Prozentpunkte erhöhte Gewerbesteuerumlage zu beteiligen. Die Vertreterin des Deutschen Städtetages hielt dagegen eine Erhöhung um lediglich 16 Prozentpunkte für angemessen.
Das Vorhaben, die Gewerbesteuerumlage für den gesamten Zeitraum in dieser Höhe beizubehalten, stehe in der "schlechten Tradition der Beteiligung der Kommunen an der Finanzierung der deutschen Einheit". Dem Bundestag könne es nicht egal sein, in welch kritische Situation die Städte in den nächsten Jahren gerieten. Bis heute hätten die Länder keine nachvollziehbare Berechnungsgrundlage geliefert.
"Skandalöser Vorgang"
Der Deutsche Städtetag sprach in diesem Zusammenhang von einem "Raubzug in die Kassen der Kommunen" und einem "skandalösen Vorgang". Er appellierte an die Abgeordneten, ihrer Gesamtverantwortung gerecht zu werden und zu überlegen, ob ein solcher, ausschließlich aus der Finanznot der Länder begründeter "Griff in die kommunalen Kassen" mitgetragen werden könne. Die Spitzenverbände hätten in einem Brief an Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) von einem "beispiellosen Akt der Willkür" gesprochen.
Der Deutsche Landkreistag sprach sich dafür aus, die Solidarpaktumlage zumindest degressiv auszugestalten. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund forderte den Ausschuss auf, sich des Themas anzunehmen, da er sich in einer Art "Schiedsrichterrolle" befinde. Zumindest sollten die offensichtlichen Unklarheiten von Länderseite so weit wie möglich aufgeklärt werden.
Kein Schiedsrichter
Die Sprecher der Fraktionen machten deutlich, dass das Parlament in dieser Frage keine "Schiedsrichterrolle" übernehmen könne. Die SPD sagte, es handele sich bei dem Gesetzentwurf um Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern, bei denen sich das Parlament und die Kommunen in einer Statistenrolle befänden. Der Bund müsse sich mit den Ländern verständigen, um eine tragfähige Lösung zu bekommen. Der Gesetzgeber könne allenfalls die Erwartung äußern, dass es zu Neufestsetzungen kommt, wenn sich die Berechnungsgrundlagen zwischen 2005 und 2019 verändern. Mehr als ein solches "Signal" dürfe aber nicht erwartet werden.
Die CDU/CSU beklagte, dass das Bundesfinanzministerium keine Berechnungsgrundlagen vorlege. In letzter Zeit seien Lasten "kommunalfeindlich" von oben nach unten verteilt worden, etwa die Erlöse aus dem Verkauf der UMTS-Lizenzen. Von einer "kommunalfreundlichen Regierungspolitik" könne man nicht sprechen. Die Bundesregierung machte in der Sitzung deutlich, dass sie über die von der Opposition gewünschten Zahlen nicht verfüge, um die Angemessenheit von 29 Prozentpunkte nachvollziehen zu können.
Bündnis 90/Die Grünen kündigten an, dass im Frühjahr eine Kommission zur Gemeindefinanzreform ihre Arbeit aufnehmen werde, was vom Deutschen Städtetag mit Erleichterung aufgenommen wurde. Die Fraktion räumte ein, dass sich die Länder mit dem Bund zu Lasten der Gemeinden verbündeten. Es sei kontraproduktiv, wenn die Kommunen unter dem Druck der Ereignisse ihre Investitionen massiv reduzierten. Auch die PDS sprach sich dafür aus, die Finanzverfassung neu zu ordnen. Es stelle sich langfristig die Frage, ob es richtig sei, die Kommunen den Ländern zuzuordnen. Selbst an eine eigene "kommunale Kammer" wäre zu denken.
Der Bundestag hatte den Gesetzentwurf der Bundesregierung (14/7256) mit der Stellungnahme des Bundesrates und der Gegenäußerung der Regierung am 8. November an den Sonderausschuss überwiesen. Zur Begründung heißt es in dem Entwurf, Ziel sei es nach wie vor, die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in Deutschland anzugleichen. Angesichts des Aufholprozesses der neuen Länder gelte es, langfristig verlässliche Planungsgrundlagen zu schaffen und die Nachfolgeregelung für den bis 2004 konzipierten Solidarpakt frühzeitig zu verabschieden.
Länderautonomie achten
Der Bundesrat hat sich in seiner Stellungnahme gegen "zu weitgehende Vorgaben" bei der Einhaltung der Haushaltsdisziplin im Rahmen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion ausgesprochen. Die EU-rechtlichen Verpflichtungen rechtfertigten keine weitergehenden Eingriffe in die Autonomie der Länder. Dazu erklärt die Regierung, der vorgesehene Haushaltsausgleich beschränke die Haushaltsautonomie der Länder nicht in unzulässiger Weise.