Opposition vermisst wirtschaftspolitisches Konzept
Berlin: (hib/VOM) Auf unterschiedliches Echo ist das Jahresgutachten 2001/02 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung am Mittwochvormittag im Wirtschaftsausschuss gestoßen. Die CDU/CSU bemängelte, dass die Bundesregierung kein wirtschaftspolitisches Konzept habe, um auf die konjunkturellen Herausforderungen zu reagieren. Wirtschaftspolitik werde, wenn überhaupt, im Bundesfinanzministerium gemacht. Eine eigenständige Wirtschaftspolitik des Bundeswirtschaftsministeriums finde nicht statt, so die Kritik der Union. Beispielsweise werde nicht genügend thematisiert, dass die Investitionsquote im Haushalt jetzt ein Rekordtief erreicht habe, während der konsumtive Anteil auf "bemerkenswerter Höhe" verharre. Auch in der Steuerpolitik sei keine überzeugende Linie zu erkennen, so die Union. In dieser Situation einfach zu warten was passiert, werde sich bitter rächen. Eine Insolvenzwelle sei zu befürchten. Die Fraktion ermahnte die Regierung, internen und externen Rat nicht in den Wind zu schlagen.
Die Liberalen stießen ins gleiche Horn. Es sei unbestreitbar, dass Deutschland europaweit beim Wachstum den letzten Platz einnehme. Seit Januar steige die Arbeitslosigkeit von Monat zu Monat. Die Kritik des Sachverständigenrates an der fehlenden Reform des Arbeitsmarktes habe die Regierung "außen vor gelassen". Die internationale Vergleichsstudie "PISA" stelle eine Ohrfeige für die deutsche Bildungspolitik dar. Die Stimmung im Mittelstand sei mies, bei den Insolvenzen liege man am "oberen Ende", betonten die Liberalen.
Die Sozialdemokraten teilten das von der Union entworfene "Szenario" nicht. Zwar habe sich die konjunkturelle Lage verschlechtert, im Sachverständigengutachten heiße es aber auch, dass eine allmähliche Verbesserung der Konjunktur sehr wahrscheinlich sei. Die Opposition habe in letzter Zeit immer wieder das Vorziehen der Steuerreform und Konjunkturprogramme gefordert. Der Sachverständigenrat äußere sich skeptisch über eine konjunkturelle Feinsteuerung. Auch sei die Situation nicht so außergewöhnlich, dass sie außergewöhnliche Maßnahmen erfordern würde. Im Übrigen stelle der Sachverständigenrat fest, dass Personengesellschaften keineswegs gegenüber Kapitalgesellschaften benachteiligt würden, wie es immer wieder behauptet werde. Er wende sich ferner gegen ein Vorziehen der Steuerreform und gegen zusätzliche Ausgabenprogramme. Man habe eine stabilitätsorientierte Geldpolitik zu beachten und setze auf eine moderate Lohnpolitik, so die SPD. Weitere Strukturreformen in der Gesundheitspolitik, der Arbeitsmarktpolitik und der Bildungspolitik seien erforderlich. Die Regierung sei dabei, hier zu reformieren und zu modernisieren. 60 Prozent aller Investitionen würden in den Kommunen getätigt. Die Kommunen hätten große Finanzierungsprobleme, so dass man sich Gedanken über deren Finanzausstattung machen müsse. Die Handlungsmöglichkeiten seien zum großen Teil sehr begrenzt. Sehr viel sei schon passiert, einiges müsse noch auf den Weg gebracht werden, so das Fazit der Sozialdemokraten. Bündnis 90/Die Grünen sahen in dem Gutachten eine Bestätigung der Politik der Regierung.