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298/2004
Stand: 01.12.2004
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Experten nicht einig in der Bewertung der Reform des Sanktionenrechts

Rechtsausschuss (Anhörung)

Berlin: (hib/HAU) Unterschiedlich bewerten Sachverständige den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung des Sanktionenrechts ( 15/2725). Dies wurde während einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses am Mittwochnachmittag deutlich. Der Entwurf sieht unter anderem vor, dass im Strafrecht die gemeinnützige Arbeit zur Vermeidung von Freiheitsstrafen unter sechs Monaten in stärkerem Maße zur Anwendung kommen soll. Außerdem ist vorgesehen, das Fahrverbot als Hauptstrafe aufzuwerten, wodurch eine Verhängung nicht nur neben, sondern anstelle einer Geldstrafe erfolgen könne. Die mögliche Dauer des Fahrverbots soll auf sechs Monate ausgedehnt werden.

Für den Gefährdeten- und Straffälligenhilfeverein "Freie Hilfe Berlin" begrüßte Wera Barth den Entwurf. Seit über zehn Jahren verfolge ihr Verein das Projekt "Arbeit statt Strafe", welches durch die Gesetzesinitiative unterstützt werde. Es könne so gelingen, die vielfältigen Probleme der Inhaftierung zu vermeiden. Während bei einer Haftstrafe der Verlust von Wohnung und Arbeitsplatz drohe sowie die Gefahr des Einstiegs in kriminelle Karrieren durch Kontakte mit anderen Strafgefangenen bestünde, erbringe der Verurteilte durch seine gemeinnützige Arbeit Leistungen für das Allgemeinwohl und nehme weiterhin am gesellschaftlichen Leben teil. Der Präsident des Landgerichts Konstanz, Olaf Boll, sieht hingegen Probleme bei der Umsetzbarkeit der Vorgaben. Programmatisch noch so wünschenswerte Veränderungen des Sanktionenrechts müssten vor allem auch unter dem Aspekt vollstreckungsrechtlicher Umsetzbarkeit bewertet werden. Angesichts der angespannten Finanzlage der öffentlichen Haushalte sei die Justizpraxis an der Grenze ihrer Belastbarkeit angelangt. Die mit der Umsetzung der Vorlage unzweifelhaft entstehenden Mehrbelastungen seien nicht mehr zu verkraften. Aus Sicht von Christoph Frank vom Deutschen Richterbund hat sich das aktuelle Recht bewährt. Es sei "rechtspolitisch vertretbar" und "ressourcensparend". Gesetzgebungsbedarf bestehe nur als Ergänzung der bisherigen Regelungen. Die gemeinnützige Arbeit habe sich, so Frank, als erzieherische Maßnahme vor allem beim Jugendstrafrecht bewährt. Er habe jedoch Zweifel, ob dies auch bei Erwachsenen anwendbar sei, nicht zuletzt, weil es ein Ressourcenproblem gebe. Schon jetzt könne man die Nachfrage nach gemeinnütziger Arbeit nicht erfüllen.

Der vorliegende Entwurf ergänze das bisherige Sanktionenrecht in sinnvoller Weise, sagte Eberhard Kempf vom Deutschen Anwaltverein. Die neue Ersatzstrafe der gemeinnützigen Arbeit sei wegen ihrer sozialintegrativen Wirkung von kriminalpolitischem Wert. Rechtsanwalt Professor Egon Müller aus Saarbrücken sieht in dem Gesetz einen seit langem fälligen Schritt in die richtige Richtung. Ziel müsse jedoch eine umfassende Reform des Strafrechts sein, sagte er. Im Gegensatz dazu bewertete Roman Poseck vom Hessischen Justizministerium den Entwurf negativ. Er gehe an den praktischen Anforderungen vorbei und verursache hohe Mehrbelastungen für die Justiz. Poseck sprach sich gegen den Ersatz von kurzen Freiheitsstrafen durch gemeinnützige Arbeit aus. So schwäche man lediglich die Abschreckungswirkung ab. Es entstehe bei dem Verurteilten der Eindruck, so schlimm könne es ja nicht gewesen sein. Ebenfalls gegen den Entwurf sprach sich Klaus Weber, ehemaliger Landgerichtspräsident aus Traunstein, aus. Mit Ausnahme der Regelung zum Fahrverbot bestehe seiner Meinung nach überhaupt kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf.

Quelle: http://www.bundestag.de/bic/hib/2004/2004_298/03
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