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Sie war die erste Präsidentin des Deutschen Bundestages – doch Annemarie Renger sieht es gelassen: „Ich habe in dieser Zeit erreicht, was ich wollte. Es ist bewiesen, dass eine Frau das kann!“
Als jüngstes von sieben Kindern am 7. Oktober 1919 in Leipzig geboren, stammt sie aus einer Familie mit sozialdemokratischer Tradition. Die Bindungen reichen zurück bis zu dem früheren Reichstagspräsidenten Paul Löbe, nach dem heute ein Bundestagsneubau in Berlin benannt ist. 1924 zieht die Familie nach Berlin, wo Annemarie Renger zunächst das staatliche Augusta-Lyzeum besucht. 1933 muss sie die Schule jedoch wegen ihrer politischen Einstellung verlassen und beginnt eine Lehre zur Verlagskauffrau.
Nach Kriegsende lernt sie den SPD-Parteivorsitzenden Kurt Schumacher kennen, wird seine Privatsekretärin und engste Vertraute. Nach seinem Tod 1952 tritt Annemarie Renger selbst in die aktive Politik ein und wird ein Jahr später in den Bundestag gewählt, in dem sie ununterbrochen bis 1990 Mitglied ist. In dieser Zeit gehört sie unter anderem dem Innenausschuss, dem Entwicklungshilfeausschuss und dem Auswärtigen Ausschuss an und ist von 1969 bis 1972 als eine der vier Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD zuständig für Finanzen, Personal, Ausschussbesetzungen und die Sicherung der Präsenz in Plenum und Ausschüssen.
Mit der Wahl zur Präsidentin des Deutschen Bundestages am 13. Dezember 1972 erreicht Annemarie Rengers politische Karriere ihren Höhepunkt. Sie ist nicht nur die erste Frau, sondern auch die erste Sozialdemokratin in diesem Amt, das sie bis 1976 ausübt. Nach der Wahl von Karl Carstens zum neuen Bundestagspräsidenten 1976 bleibt sie bis 1990 Vizepräsidentin.
Bei den ersten gesamtdeutschen Wahlen zum Bundestag 1990 tritt Annemarie Renger nicht mehr an. Sie wird Präsidentin des Deutschen Rats der Europäischen Bewegung. 1991 wird sie zudem zur Präsidentin der Vereinigung ehemaliger Mitglieder des Deutschen Bundestages und des Europäischen Parlaments gewählt. 1993 erscheinen ihre Memoiren „Ein politisches Leben“.
Annemarie Renger feiert in diesem Jahr ihren 85. Geburtstag. An Ruhestand denkt die Trägerin des Großen Bundesverdienstkreuzes aber noch lange nicht. Sie ist Vorsitzende von rund zwanzig Organisationen und hat auf ihrem Schreibtisch noch immer mehr Anfragen, „als ich annehmen kann“.
Text: Georgia Rauer
Foto: picture-alliance
Erschienen am 01. November 2004