Deutscher Bundestag
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November 04/1998
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"Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne"

Der 14. Deutsche Bundestag

von Herbert Rhiel-Heyse

H. Riehl-Heyse

Der Politiker, der nicht sehen würde, daß seine Profession in den letzten Jahren, beileibe nicht nur in Deutschland, einen enormen Bedeutungsverlust und leider auch einen gewissen Ansehensverlust erlitten hat, würde sich heftig in die eigene Tasche lügen. Es gibt eine Reihe von Gründen für diese Entwicklung, und sie sind oft beschrieben worden: Vieles hat damit zu tun, daß die Menschen die Politik (und also vor allem auch das Parlament) in einer komplizierter gewordenen Welt mit zu hohen Erwartungen befrachten. Das wiederum hängt auch damit zusammen, daß viele Politiker - vor allem in den immerwährenden Wahlkämpfen - diese Erwartungen gegen besseres Wissen in die Höhe schrauben. Wenn es auch dann noch, zum Beispiel, nicht gelingt, die Vollbeschäftigung wiederherzustellen, so wie sie in den besten Jahren der Nachkriegszeit die Regel war, dann ist beim Wahlvolk die Enttäuschung um so größer.

Neues Vertrauen

Hat der neugewählte 14. Deutsche Bundestag Chancen, diese Vertrauenslücke zur Politik wenigstens teilweise wieder zu schließen? Für eine solche positive Entwicklung gibt es, denke ich, ein paar Indizien. Unverkennbar ist schon einmal, daß der soeben beendete Wahlkampf auf allen Seiten bei weitem weniger ideologisch und großsprecherisch geführt worden ist, als man es vorher befürchten mußte. Natürlich haben alle Parteien für ihre Programme geworben und eine Wende zum Besseren versprochen, wenn sie nur gewählt werden würden mit möglichst großer Mehrheit; auffällig war trotzdem, wie selten diesmal das Paradies auf Erden angekündigt worden ist - und wie wenig umgekehrt der unmittelbare Absturz ins Elend für den Fall an die Wand gemalt worden ist, daß die falsche Seite den Sieg davon trüge. Entsprechend unaufgeregt verlief dann auch die Stabsübergabe: Wenig Euphorie bei den Siegern, viel Gelassenheit bei den Verlierern. Insgesamt war dieser dritte Machtwechsel in der Geschichte der Bundesrepublik der normalste, am wenigsten aufgeladene. Und ein schöner Beweis für das selbstverständliche Funktionieren demokratischer Regeln.

Gegenseitiger Respekt

Worauf es nun vor allem ankäme, läßt sich ganz gut beschreiben mit den Fingern einer Hand: Zum einen müßte es dem neugewählten Parlament gelingen, die schöne Unaufgeregtheit des Machtwechsels in die ganze Legislaturperiode hinüberzuretten: Das hieße, daß die Abgeordneten sich allzu unrealistischer Versprechungen ebenso enthalten müßten wie der allzu enervierenden Polemik, von der sich inzwischen herumgesprochen haben müßte, daß sie immer mehr Bürgern auf die Nerven geht. Der gegenseitige Respekt, der beispielsweise zwischen dem alten und dem neuen Bundeskanzler in den Tagen des Übergangs mit Händen zu greifen war, würde der ganzen politischen Klasse nur gut tun.

Neue Chancen

Was ebenfalls zur Hoffnung Anlaß gibt, ist die Tatsache, daß der neue Bundestag es aus objektiven Gründen einfacher haben wird, Politik zu machen als sein. Mit unterschiedlichen Mehrheiten im Bundestag und im Bundesrat war nur ganz schwer konstruktive Politik zu betreiben; der Wille zum Konsens aber, der unter diesen Umständen notwendig gewesen wäre, wurde von Monat zu Monat geringer, je näher eben der Termin der nächsten Wahl rückte. Es war kein Zufall, daß "Reformstau" zum Wort des Jahres 1997 wurde. Und natürlich erst recht kein Zufall, daß die einzelnen Parteien sich gegenseitig die Schuld daran gaben, daß nichts so recht voranging.

Politik in Zeiten der Globalisierung

Wie immer man das Wahlergebnis werten mag - unbestreitbar ist, daß die Blockade jetzt erst einmal aus der Welt ist; das hat den Vorteil (und vielleicht irgendwann den Nachteil für die Regierenden), daß man sich auf sie in den nächsten Jahren nicht mehr hinausreden kann. Was man unter diesen Umständen erhoffen kann, nach Jahren, in denen auch eine gewisse Mutlosigkeit und fast Resignation zu spüren war, das wäre so etwas wie die Wiederentdeckung der Politik. Die müßte beginnen mit einer präzisen Bestandsaufnahme dessen, was nationale Politik in den Zeiten der Globalisierung noch leisten kann, und was sie nicht kann.
Probleme, die im wesentlichen global oder im europäischen Rahmen zu lösen sind - die Harmonisierung der Zins- oder der Umweltpolitik zum Beispiel - müßten als solche bezeichnet, zuhause breit diskutiert und dann auf den internationalen Konferenzen so entschieden werden, daß sich der deutsche Wahlbürger ein Bild davon machen kann, was seine Politiker in seinem Namen beschlossen haben; die zahllosen nationalen Projekte aber, von der Steuerreform bis zur Sanierung des Rentensystems, müßten so schnell und so mutig wie möglich angegangen werden. Mut wird ohnehin vielleicht die wichtigste parlamentarische Tugend der nächsten Jahre sein, vor allem der Mut zur ehrlichen und schonungslosen Offenlegung der Situation. Er würde sich sogar lohnen: Nichts wird das Vertrauen der Deutschen in ihr Parlament schneller wieder herstellen als das Gefühl der Wähler, von seinen Politikern ernst genommen zu werden.

Die Rolle der Medien

Den Anspruch darauf, ernst genommen zu werden, hat freilich auch umgekehrt das Parlament gegenüber dem von ihm repräsentierten Volk. Daß die öffentliche Debatte über den Bundestag (und die anderen Parlamente der Republik) in den letzten Jahren stark an Niveau eingebüßt hat, ist leider eine Tatsache, an der man nicht vorbeikommt und die viel mit einer Art Medien zu tun hat, die sich immer stärker auf Personality-Geschichten konzentriert, zu Lasten einer qualifizierten Berichterstattung über komplizierte Sachthemen und sperrige Inhalte. Von der unspektakulären, aber kräftezehrenden Alltagsarbeit des Parlamentariers, von den Mühen der Ebene erfährt der Normalbürger immer weniger; dafür erregt er sich dann wieder umso mehr, wenn in ohnehin immer größer werdenden Abständen das Bundestagspräsidium es wagt, das Thema Diätenerhöhung in die Debatte zu werfen.

Mehr Selbstbewußtsein

Auch das wäre ein Wunsch, den man dem neuen Bundestag gerne mit auf den Weg geben würde: Daß er sich das nötige Selbstbewußtsein zurückerwirbt, um solche Debatten durchzustehen, ohne sich ununterbrochen dafür zu rechtfertigen, daß es ihn überhaupt gibt. Ein Selbstbewußtsein im übrigen, das er auch im Umgang mit allen möglichen, in der Verfassung gar nicht vorgesehenen Gremien - Koalitionsrunden, Küchenkabinetten und Parteivorständen - gut gebrauchen könnte.
Jedem Anfang, sagt der Dichter, wohnt ein Zauber inne. Das hei
Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9804/9804004
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