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Dezember 06/1998
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Steuerkonzept der Koalition im Kreuzfeuer der Kritik

(fi) Unterschiedliche Bewertungen der steuerpolitischen Konzeption von SPD und Bündnis 90/Die Grünen sind bei der Verabschiedung des ersten Teils der Steuerreform am 4. Dezember im Bundestag deutlich zutage getreten. Das Parlament stimmte dem "ersten Vorläufer" des von der Koalition vorgelegten Entwurfs eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (14/23) zu (weitere Berichte zur Steuerreform auf den Seiten 24 bis 27). Für die Sozialdemokraten erläuterte Joachim Poß, daß die steuerliche Bemessungsgrundlage durch den Abbau von Vergünstigungen und Sonderregelungen verbreitert wird und dabei auch Gestaltungsmöglichkeiten der Unternehmen bei der Gewinnermittlung an internationale Standards angeglichen werden. Vorgesehen sei, eine dreistufige Steuerreform mit einem Entlastungsvolumen von rund 57 Milliarden DM zu verwirklichen. Davon würden 42 Milliarden DM durch den Abbau von Steuervergünstigungen gegenfinanziert.

Familien entlasten

Es gehe darum, Arbeitnehmer und Familien sowie den Mittelstand zu entlasten. Der Mittelstand profitiere von Tarifsenkungen und der Verringerung des Arbeitgeberbeitrags zur Sozialversicherung. Die steuerliche Begünstigung von Direktinvestitionen werde nicht eingeschränkt. Unternehmerische Verluste blieben weiterhin voll verrechenbar, der Verlustvortrag für aktive Einkünfte aus Unternehmertätigkeit voll erhalten. Der Verlustrücktrag werde bis Ende 2000 für Verluste bis 2 Millionen DM beibehalten.
Erhalten bleibt nach den Worten des SPD-Politikers auch die steuerfreie Wiederanlage von Gewinnen aus dem Verkauf betrieblicher Grundstücke und Gebäude bei Betriebsverlagerung. Sonderabschreibungen und Ansparabschreibungen für kleine und mittlere Betriebe blieben bis Ende 2000 unverändert, für Existenzgründer sogar darüber hinaus. Auch die degressive Absetzung für Abnutzung werde es im Interesse des investierenden Mittelstands weiterhin geben. Hinzugerechnet werden müsse die vorgesehene Senkung der Unternehmensteuersätze auf 35 Prozent.
Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) bestritt demgegenüber, daß der Mittelstand durch die Vorschläge entlastet wird. Schon gar nicht werde die Investitionskraft der Arbeitsplätze bereitstellenden Unternehmen gestärkt. Die Erhöhung des Kindergeldes sei nur bei solider Finanzierung zu verantworten, was nicht der Fall sei. Dadurch, daß über die Finanzierung erst 1999 entschieden werden soll, sorge die Koalition für erhebliche Rechtsunsicherheit. Darüber hinaus gehe das Ganze zu Lasten der Länder, die gerade bei der Kindergeldfinanzierung einen Anspruch auf Mitentscheidung hätten.
Einseitig belastet werden nach Aussage Hasselfeldts auch die Unternehmen. Ihre Investitionskraft werde geschwächt, die Probleme auf dem Arbeitsmarkt verschlimmert. Das Gesamtkonzept werde nicht zu mehr, sondern zu weniger Beschäftigung führen.

Scheingewinne besteuert

Am gravierendsten ist nach Ansicht der Abgeordneten die Streichung der Teilwertabschreibung. Damit würden nicht tatsächlich erzielte oder erzielbare Gewinne, sondern Scheingewinne besteuert. Die Unternehmen würden zu einer falschen Bewertung gezwungen, damit sich die Steuereinnahmen erhöhen. "Katastrophale Auswirkungen" auf den Mietwohnungsbau befürchtet Gerda Hasselfeldt durch die Begrenzung der Verlustverrechnung bei aktiven und passiven Einkommen. Sie glaubt ferner, daß den Familien von der Kindergelderhöhung nichts mehr bleibt, wenn alle steuerlichen Vorschläge auf dem Tisch liegen. Statt dessen müßten die Familien mehr bezahlen.
Christine Scheel (Bündnis 90/Die Grünen) hält die Senkung des Eingangssteuersatzes nach eigenen Worten für notwendig, weil der jetzige Satz gegen das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verstoße. Auch die Erhöhung des Kindergeldes entlaste Familien mit Kindern spürbar. Ihnen würden 1999 insgesamt 5,8 Milliarden DM mehr zur Verfügung gestellt. Die Steuerpolitik sollte nach Ansicht Scheels einen sozial gerechten Familienleistungsausgleich anstreben. Dabei sollte das Kindergeld mittelfristig von der Höhe des Einkommens abhängig gemacht werden. Kindergeldzahlungen seien Staatsaufgabe, deshalb sei die Übertragung dieser Aufgabe von den Arbeitgebern auf die Familienkassen sinnvoll. Noch geschickter wäre die Übertragung auf die Finanzkassen gewesen, so Scheel, doch hätten dies die Länder nicht gewollt.

"Mini-Programm"

Für die F.D.P. verdeutlichte Gisela Frick, daß die Belastungen in erster Linie die Wirtschaft, auch den Mittelstand, träfen. Den "ersten Vorläufer" bezeichnete sie als "Mini-Programm", das bloß die Erhöhung des Kindergeldes und eine "minimale Entlastung des Eingangssteuersatzes um zwei Prozentpunkte in einem ganz kleinen Bereich des Tarifs vorsieht" sowie die Modalitäten bei der Kindergeld-Auszahlung ändert.
Das Gesamtkonzept ist nach den Worten Fricks von einer erheblichen Belastung der Wirtschaft und des Mittelstandes sowie von einer nur relativ geringen Entlastung der Familien gekennzeichnet. Sich davon eine Stärkung der Binnennachfrage zu versprechen, um Investitionen und Arbeitsplätze zu schaffen, sei der "falsche Weg". Die beste Sozialpolitik sei, Arbeitsplätze zu schaffen. Damit würde der Konsum ganz natürlich wieder angekurbelt.
Dr. Barbara Höll (PDS) bemängelte die Höhe des Grundfreibetrags, die mit rund 13.000 DM ab 1999 der Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts nicht entspreche. Der Grundfreibetrag orientiere sich nicht am durchschnittlichen Sozialhilferegelsatz. Nach EU-Maßstab, so die PDS-Politikerin, müßten 1.425 DM monatlich zur Verfügung stehen, um in Deutschland überhaupt über die Armutsgrenze zu kommen. Daher sollte der steuerfreie Grundbetrag ab 1999 auf 15.000 DM festgelegt werden, um im Jahre 2002 schrittweise bei mindestens 17.000 DM anzukommen. Auch bei der Erhöhung des Kindergeldes bleibe die Koalition hinter den Erfordernissen und ihren eigenen Ansprüchen zurück, beklagte die Abgeordnete.
Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9806/9806023
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