PARLAMENT DEBATTIERT ENTSCHULDIGUNGSINITIATIVE Schuldenerleichterung für ärmste Entwicklungsländer eingefordert(en) Eine Entschuldungsinitiative anläßlich des Weltwirtschaftsgipfels der G7/G8-Staaten in Köln im Juni dieses Jahres fordern SPD und Bündnis 90/Die Grünen in einem Antrag (14/794), den der Bundestag am 22. April annahm. Neben den Koalitionsfraktionen stimmte auch die F.D.P. für die Vorlage. Die PDS enthielt sich der Stimme, und die CDU/CSU votierte dagegen. Anträge der beiden Fraktionen zu dieser Thematik fanden keine Mehrheit (Union: 14/785; PDS: 14/800). Sozialdemokraten und Bündnisgrüne halten in ihrem Papier fest, beim Treffen der Regierungschefs der wichtigsten Industrieländer unter deutschem Vorsitz sollten zusätzliche Schuldenerleichterungen für die hochverschuldeten ärmsten Entwicklungsländer vereinbart werden. In Vorbereitung des Gipfeltreffens habe die Bundesregierung die "Kölner Schuldeninitiative 1999" ergriffen, um den Menschen in diesen Ländern neue Chancen für nachhaltiges Wachstum, Innovation und eine sozial gerechte und ökologisch verträgliche Entwicklung zu eröffnen. In diesem Zusammenhang seien aber umfassende Eigenanstrengungen der Schuldnerländer "unersetzbar". Mit Annahme des Antrags begrüßt der Bundestag die Vorschläge der Regierung, die Vorlaufzeit für Schuldenerlasse im Rahmen der HIPC-Initiative (heavily indebted poor countries) für die ärmsten hochverschuldeten Länder zu verkürzen und für alle Länder bis zum Jahr 2000 Klarheit über Umfang und Zeitpunkt der Erlasse zu schaffen. Begrüßt wird zudem, daß die Grenzen der Schuldentragfähigkeit bei der Festlegung von Erlaßsummen im Einzelfall präziser zu fassen sind, um damit die Leistungsfähigkeit bzw. das Entwicklungspotential jedes einzelnen von der Verschuldung betroffenen Staates stärker zu berücksichtigen. Nachhaltige Programme Die Bundesregierung wird aufgefordert, in den Entscheidungsorganen von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank künftig verstärkt dazu beizutragen, daß die Strukturanpassungsprogramme dieser Institutionen zu einer wirtschaftlich, sozial und ökologisch nachhaltigen Entwicklung führen. Notwendig sei zudem mehr Transparenz in der Frage des Zugangs zur HIPC-Initiative und für die Festlegung eines zeitlichen Rahmens, in dem eine abschließende Behandlung weiterer in Frage kommender Länder durchgeführt wird. Eine weitere Forderung des Parlaments zielt darauf ab, zehn Jahre nach dem Fall der Mauer gegenüber hochverschuldeten armen Ländern, die politische, wirtschaftliche, soziale und ökologische Reformen durchführen, im Einzelfall die Bereitschaft zum Erlaß der Ex-DDR-Forderungen zu erklären. Zu prüfen sei dabei eine Umwandlung in sogenannte Gegenwertfonds für Vorhaben der Armutsbekämpfung oder der Verbesserung der Umwelt- und Bildungssituation sowie der Stärkung der Demokratie. IWF soll zahlen Darüber hinaus soll sich die Bundesregierung dafür einsetzen, daß der IWF einen "angemessenen" finanziellen Beitrag zur HIPC-Initiative leistet. Hierbei sei an die Bereitschaft diverser anderer Staaten und den Vorschlag des IWF aus dem Jahre 1998 anzuknüpfen, seinen Beitrag gegebenenfalls durch Rückgriff auf die Goldreserven zu finanzieren. Die Abgeordneten erwarten zudem von der Bundesregierung, daß diese sich dafür stark macht, die notwendige Liberalisierung des Welthandels auch den ärmsten, zumeist hochverschuldeten Ländern durch Verbesserung der volkswirtschaftlichen Effizienz zugute kommen zu lassen. In diesem Sinne soll die Regierung im Rahmen der zukünftigen Verhandlungsrunde in der Welthandelsorganisation (WTO) dafür Sorge tragen, daß Handelshemmnisse im Sinne der ärmsten Entwicklungsländer verringert werden. Die CDU/CSU-Fraktion hatte in ihrem Antrag verlangt, die von der Bundesrepublik Deutschland maßgeblich initiierte Initiative zur Entschuldung ärmster Entwicklungsländer (HIPC) "konsequent" fortzuführen. Ein Schuldenerlaß solle jedoch wie bisher erst grundsätzlich nach einer Frist von sechs Jahren gewährt werden, um die Nachhaltigkeit der eingeleiteteten Reformanstrengungen nachweisen zu können. Nach den Vorstellungen der Union sollte der Bundestag zudem die Regierung auffordern, auch zukünftig Entschuldungsmaßnahmen im bilateralen und multilateralen Bereich grundsätzlich an Bedingungen wie die Einhaltung der Menschenrechte, die Entwicklungsorientierung staatlichen Handelns, die Schaffung einer sozialgebundenen marktfreundlichen Wirtschaftsordnung sowie Maßnahmen zur Reduzierung der Armut und der Analphabetenrate zu knüpfen. In ihrem Papier wiesen die Oppositionsabgeordneten darauf hin, Schuldenerleichterungen seien für die hochverschuldeten Entwicklungsländer ein "wichtiger und richtiger Schritt", um ihnen und ihren Regierungen Spielräume für entwicklungsorientierte Politik zurückzugeben. Nachhaltig sei eine solche Entschuldung jedoch nur dann, wenn damit auch die strukturellen Ursachen der Verschuldung in Angriff genommen würden. Schulden lähmen Entwicklung Einen umfassenden Schuldenerlaß für einen Neuanfang für die Entwicklungsländer hatte die PDS in ihrem Papier verlangt. Die Fraktion erläuterte, das Ende der Schuldenkrise, das für Mitte der neunziger Jahre von IWF und Weltbank prognostiziert worden sei, sei nicht eingetreten. Nicht nur in den ärmsten Staaten, die seit 1982 "ununterbrochen in der Schuldenfalle sitzen", sondern auch in vielen hochverschuldeten Staaten niedrigen und mittleren Einkommens lähmte Überschuldung jegliche Entwicklung bzw. würfe sie in ihrer Entwicklung weit zurück. Die Bundesregierung sollte deshalb vom Parlament aufgefordert werden, den Rahmen bilateraler Handlungsmöglichkeiten für einseitige Maßnahmen zum Schuldenerlaß "voll auszuschöpfen", das heißt sofortige bilaterale Schuldenerlasse für die ärmsten Länder über die Vereinbarungen des Pariser Clubs hinaus sowie unverzügliche bilaterale Schuldenerlasse für Entwicklungsländer nach Naturkatastrophen und vergleichbaren Notfällen zu ermöglichen. |