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Dezember 11/1999
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REGIERUNGSERKLÄRUNG ZUM EU­GIPFEL IN HELSINKI

"Jetzt steht die Wiedervereinigung Europas auf der Tagesordnung"

(eu) Nach Deutschlands Wiedervereinigung steht laut Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) Europas Wiedervereinigung auf der geschichtlichen Tagesordnung. Beim Gipfel der Staats­ und Regierungschefs der Europäischen Union in Helsinki am 10. und 11. Dezember gehe es deshalb darum, sich über die weiteren Schritte zur Vollendung dieser Entwicklung zu verständigen, erklärte Schröder am 3. Dezember im Plenum des Bundestages. Die Bundesregierung werde in der finnischen Hauptstadt dafür eintreten, eine Aufnahme von Beitrittsverhandlungen der EU auch mit Lettland, Litauen, der Slowakei, Bulgarien und Rumänien zu beschließen.

Die Regierung plädiere zudem mit Nachdruck dafür, der Türkei den Status eines Beitrittskandidaten zu verleihen, so der Kanzler weiter. Europa stehe gegenüber diesem Land in der Verantwortung. Man könne nicht einerseits die strategische Bedeutung der Türkei für Europa immer wieder unterreichen, ihr innerhalb der NATO große Lasten aufbürden, sie als wichtige Regionalmacht hofieren und sie auf europäische Standards verpflichten, wenn andererseits keine Bereitschaft bestehe, Ankara eine klare europäische Perspektive zu öffnen.

Zugleich aber, so Schröder, sei diese Beitrittsperspektive kein Blankoscheck. Die Türkei müsse die politischen Kriterien der EU - Wahrung der Menschenrechte, Achtung und Schutz von Minderheiten sowie eine stabile und rechtsstaatliche Ordnung - erfüllen, um für den tatsächlichen Beginn von Beitrittsverhandlungen in Frage zu kommen. Im Übrigen habe sich der türkische Premierminister Bülent Ecevit ihm gegenüber eindeutig zu den gemeinsamen Werten der EU bekannt, erklärte der Bundeskanzler.

Anstoß für Reformen

Auch Christian Sterzing (Bündnis 90/Die Grünen) begrüßte die Entscheidung, in Helsinki den Kreis der Beitrittsländer, mit denen konkret verhandelt werden soll, zu erweitern. Er bezeichnete es als einen "sehr wichtigen Schritt", den Status der Türkei aufzuwerten. Man habe die Hoffnung, dass Ankara durch diese glaubwürdige Beitrittsperspektive einen Anstoß erhalte, die dringend notwendigen inneren Reformen durchzuführen.

Der Bundestag bekräftigte am 3. Dezember seinen Willen, die Regierung in ihrem Bemühen zu unterstützen, in Helsinki den Kandidatenstatus der Türkei zu formalisieren, um diesem Land eine wirksame Hilfestellung auf seinem Weg hin zu einem demokratischen Rechtsstaat mit funktionierender sozialer Marktwirtschaft zu geben. Auch wenn Ankara in dieser Richtung bereits erste Schritte unternommen habe, seien nach wie vor große Anstrengungen erforderlich, erklärte das Parlament mehrheitlich, indem es einen Entschließungsantrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen (14/2248) billigte.

Auf Sorgfalt achten

Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) unterstrich in der Aussprache, die Entscheidung sei richtig, den Kreis der EU­Beitrittskandidaten von sechs auf zwölf auszuweiten. Diese Erweiterung müsse aber solide geplant und durchgeführt werden. Ansonsten würde der Osten Europas nicht stabilisiert, sondern man liefe Gefahr, durch ihn destabilisiert zu werden. Stoiber erklärte weiter, ein Beitritt von Staaten, deren Volkswirtschaften für den Konkurrenzkampf im Binnenmarkt noch nicht ausreichend gerüstet seien, hätte dramatische Schwierigkeiten für diese Staaten zur Folge, aber nicht nur dort. Er könnte auch das großartige Einigungswerk in einem Jahrzehnt gefährden. Bei den Verhandlungen über Beitritte sei deshalb Sorgfalt wichtiger als Geschwindigkeit. Ein konkreter Beitrittstermin zur EU sei aus seiner Sicht abzulehnen.

Nach dem Willen der CDU/CSU soll sich die Regierung in der finnischen Hauptstadt dafür einsetzen, dass die Erweiterung der EU "zügig" vorangebracht, zugleich aber auch politisch und ökonomisch mit großer Sorgfalt und Umsicht vorbereitet wird. Nur so könne den in der Bevölkerung noch vorhandenen Ängsten vor möglichen Risiken und negativen Folgen einer überhasteten Erweiterung begegnet werden, betont die Fraktion in einem Antrag (14/2233), den das Plenum zur federführenden Beratung an den Europaausschuss überwies. Zur Türkeipolitik der EU erklärt die Union darin, die Absicht, dem Land den Status eines offiziellen Beitrittskandidaten zu verleihen, berge die Gefahr einer gegenseitigen Überforderung und damit einer noch größeren Entfremdung in sich.

Helmut Haussmann (F.D.P.) betonte, zur EU­Osterweiterung gebe es keine Alternative. Die Liberalen befürworteten in einem vom Parlament abgelehnten Antrag (14/2246) außerdem eine "ehrliche und realistische Europaperspektive der Türkei". In seinerjetzigen Verfassung sei das Land aufgrund ungelöster Probleme aber noch nicht beitrittsfähig.

Für die PDS erklärte Uwe Hiksch, auch seine Partei wünsche, dass die Türkei eine klare europäische Perspektive bekommt. Dem Land sei deshalb ein deutliches Signal zu geben, dass es in Europa willkommen ist.

"Ölembargo aufheben"

Gleichwohl müsse die Entscheidung in der Frage des Kandidatenstatus noch einmal verschoben werden, da in der Türkei Demokraten und Gewerkschaften unterdrückt würden. Die PDS sprach sich in einem vom Bundestag ebenfalls zurückgewiesenen Entschließungsantrag (14/2245) zudem dafür aus, der Aufnahme von Verhandlungen mit weiteren sechs Beitrittskandidaten zuzustimmen.

Keine Mehrheit fand auch ein Entschließungsantrag der PDS (14/2280), die Regierung solle sich dafür einsetzen, das Ölembargo der EU gegen Jugoslawien aufzuheben. Auf Beschlussempfehlung des Europaausschusses (14/1288, 14/845) lehnte die Parlamentsmehrheit ferner einen Entschließungsantrag der CDU/CSU zum Europäischen Rat in Berlin im März dieses Jahres (14/675) sowie zur deutschen EU­Ratspräsidentschaft (14/159) ab.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9911/9911037
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