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April 04/2000
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MEHRHEIT FÜR ÄNDERUNG DES GRUNDGESETZES VERFEHLT

Der Bundestag wird sich weiter mit Tierschutz im Grundgesetz befassen

(re) An der fehlenden Zustimmung der CDU/CSU ist am 13. April im Bundestag der erneute Versuch gescheitert, den Tierschutz als so genannte Staatszielbestimmung in das Grundgesetz (GG) aufzunehmen. Eine entsprechende Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (14/3165) zu einem Gesetzentwurf von SPD und Bündnis 90/Die Grünen (14/282) unterstützten nicht nur die Koalitionsfraktionen, sondern auch F.D.P. und PDS. Für diese Vorlage stimmten aber lediglich 391 Abgeordnete. Zur Änderung des Grundgesetzes wären 446 Stimmen (Zwei-drittel-mehrheit zur Änderung des Grundgesetzes) notwendig gewesen.

Die abgegebenen 205 Nein-Stimmen stammten alle aus den Reihen der Unionsfraktion. Zudem gab es sechs Enthaltungen.

Das Parlament beschloss weiter mit großer Mehrheit, die ursprünglichen Gesetzentwürfe von SPD und Bündnisgrünen (14/282), der F.D.P. (14/207), der PDS (14/279) und des Bundesrates (14/758) nicht für erledigt zu erklären, sondern an die bisher schon damit befassten Ausschüsse zurückzuüberweisen. Das Thema Tierschutz im Grundgesetz bleibt somit auf der Tagesordnung des Parlaments.

Der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zufolge hatte die entsprechende Verfassungsbestimmung (Artikel 20 a GG) künftig lauten sollen: "Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung."

Angemessenen Platz finden

Dazu erklärte Hermann Bachmeier (SPD), der Tierschutz müsse endlich einen ihm angemessenen Platz in der Verfassung erhalten, damit er nicht gegenüber anderen Belangen "schon von vornherein unter die Räder kommt". Die bereits vor Jahren genährte Illusion, der verfassungsrechtliche Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen umfasse auch prinzipiell den Tierschutz, sei mittlerweile längst widerlegt. Auf die drängenden Fragen, die sich bei unnötigen Tierversuchen, quälenden Tiertransporten und im Bereich der Massentierhaltung stellten, gebe der verfassungsrechtliche Schutz der Lebensgrundlagen allein keine Antwort.

Wenn der Tierschutz nun aber endlich seine ihm angemessene Stellung innerhalb der Werteordnung des Grundgesetzes erhalte, würden Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichte dieses Anliegen schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht außer Acht lassen können. Unverständlich sei es deshalb, dass zumindest die Führung der Union einen verfassungsrechtlich legitimierten Tierschutz mit allen Mitteln verhindern wolle, so Bachmeier.

Tierschutz europäisch regeln

Norbert Röttgen (CDU/CSU) erwiderte, auch seine Partei teile die Auffassung, dass der Tierschutz einen grundlegenden Stellenwert in der Gesellschaft habe. Gestritten werde insofern nicht über den Tierschutz selbst, sondern darüber, welche Wege geeignet seien, um diesen hierzulande noch weiter zu verbessern.

Für die Union gebe es zwei Gründe, warum nach ihrer Überzeugung mit einer Grundgesetzänderung kein Beitrag zu einem effektiven Tierschutz geleistet werde, so Röttgen. Zum einen sei eine Staatszielbestimmung in ihrer Allgemeinheit und in der Weite ihrer Formulierung ungeeignet, in der Sache etwas zu bewirken: "Tierschutz ist entweder konkret, oder er ist gar nichts." Zum anderen sei Tierschutz heutzutage nicht mehr national, sondern nur noch europäisch und international machbar. Dem Christdemokraten zufolge ist es deshalb "nicht mehr so wichtig, was in dieser Hinsicht in den nationalen Verfassungen steht". Entscheidend sei vielmehr, was die entsprechende Richtlinie aus Brüssel dazu formuliere. Die Regierung müsse deshalb auf europäischer Ebene aktiv werden und nicht nur "billige Reden halten". Einen von der CDU/CSU mit den gleichen Argumenten eingebrachten Entschließungsantrag (14/3197) wies das Parlament am 13. April mit großer Mehrheit zurück.

Ulrike Höfken (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte Röttgens Rede als "kaum fassbar". CDU und CSU demontierten sich mit ihrer "Betonpolitik" selbst, ungeachtet anders lautender Stimmen in ihren eigenen Reihen. Mit ihrem Nein zur Grundgesetzänderung entscheide sich die Union auch gegen die große Mehrheit der Bevölkerung, argumentierte die Parlamentarierin. Sie verwies darauf, auch der Deutsche Bauernverband, die Bundestierärztekammer und viele prominente Persönlichkeiten teilten das Anliegen der Mehrheit des Parlaments. Die CDU/CSU, so Höfken weiter, untergrabe mit ihrem Nein zur Aufnahme des Tierschutzes in die Verfassung auch die rechtlichen Grundlagen des geltenden Tierschutzgesetzes.

Rainer Funke (F.D.P.) betonte, die Mehrheit des Rechtsausschusses habe einen vernünftigen Weg gefunden. Dieser ermögliche es, die Belange und den Schutz der Tiere deutlich zu machen und so einen Ausgleich zwischen berechtigten Interessen von Menschen und Tieren vorzunehmen. Die Mehrzahl der Menschen in Deutschland, so der Liberale weiter, wolle nicht nur die natürlichen Lebensgrundlagen schützen, sondern habe ein besonderes Verhältnis zu den Tieren, die sie deshalb speziell geschützt sehen wolle. Es müsse deshalb lediglich im Grundgesetz etwas dokumentiert werden, was für die allermeisten Menschen längst tägliche Erfahrung sei.

"Der richtige Schritt"

Für die PDS erklärte Eva Bulling-Schröter, den Tierschutz im Grundgesetz zu verankern, sei der richtige Schritt, um die Freiheit von Forschung und Wissenschaft "endlich gegen den Tierschutz abwägen zu können". Ihr sei unverständlich, so die Abgeordnete weiter, warum die Union den Tierschutz in verschiedenen Landesverfassungen verankert habe, aber immer dann blockiere, wenn es um dessen Aufnahme in das Grundgesetz gehe.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2000/bp0004/0004018
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