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Juni 06/2000
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ANHÖRUNG DES RECHTSAUSSCHUSSES

Vorschläge zur Beschleunigung von Strafverfahren fanden geteiltes Echo

(re) Ein geteiltes Echo hat unter Sachverständigen ein Gesetzentwurf der CDU/CSU zur Beschleunigung von Strafverfahren (14/1714) gefunden. Dies geht aus den vorliegenden schriftlichen Stellungnahmen der Experten zu einer Anhörung des Rechtsausschusses am 7. Juni hervor.

So stellt Professor Stephan Barton von der Universität Bielefeld fest, entgegen der Behauptung der Union gebe es keine gravierende Tendenz zu längeren Strafverfahren. Auch sei einer anders lautenden These der Abgeordneten zum Trotz die tatsächliche Inanspruchnahme von Rechtsmitteln (Berufung und Revision) durch Beschwerdeführer in den letzten Jahren keinesfalls gestiegen. Das Gegenteil sei vielmehr der Fall.

Der Sachverständige kritisierte darüber hinaus das Argument der Oppositionsfraktion, der dreistufige Instanzenzug im Bereich der kleineren und mittleren Kriminalität sei ineffizient. Im Gegenteil handele es sich bei der Berufung um ein "hoch effizientes Rechtsmittel". Die Existenz einer zweiten Tatsacheninstanz erlaube es den Amtsgerichten, die Masse der Fälle zügig und informell zu bewältigen. Dies habe eine einschlägige Untersuchung gezeigt.

"Gesamtreform erforderlich"

Kritisch äußert sich auch Professor Gerhard Fezer aus Hamburg: Ein Gesetzgeber, der – um der bedrängten Strafverfolgungspraxis zu helfen – die Strafprozessordnung (StPO) weiterhin nur in zahlreichen einzelnen Stellen ändern wolle, müsse zwangsläufig scheitern. Ein solches Vorhaben ignoriere die "grundsätzliche Strukturschwäche" der StPO, die sich in den letzten 20 bis 30 Jahren immer deutlicher gezeigt habe. Statt das zunehmende Auseinanderbrechen des Strafverfahrens noch weiter zu fördern, muss nach Ansicht des Sachverständigen eine Gesamtreform der Strafprozessordnung in Angriff genommen werden.

Fezer wirft die grundsätzliche Frage auf, aufgrund welcher Prämisse man es für unbedenklich oder sogar erstrebenswert halten könne, dass die Strafgerichte über ihre eigene Befangenheit weitgehend selbst entschieden, Umfang und Art der Beweisaufnahme unabhängig vom Willen der Prozessbeteiligten bestimmten und nicht mehr zu einer gesetzmäßigen Verfahrensweise gezwungen würden. Möglich sei eine solche Bewertung nur dann, wenn man gegenüber dem Gericht durchsetzbare Verfahrensrechte im Grunde generell für entbehrlich erachte, weil man davon ausgehe, dass die Gerichte in ihrem Streben nach Gerechtigkeit schon von sich aus für eine ausreichende Berücksichtigung der Belange von Prozessbeteiligten Sorge tragen würden. Dies sei aber problematisch, so Fezer.

Auch Professeor Felix Herzog von der Humboldt-Universität zu Berlin vertritt die Auffassung, solange an dem Ziel des Strafverfahrens festgehalten werde, ein auf materieller Wahrheit beruhendes gerechtes Urteil zu finden, müsse für den Prozess eine angemessene Zeit eingeräumt werden. Beschleunigung dürfe sich nicht als Bedrängung von Verfahrensbeteiligten darstellen. Schon gar nicht dürfe die Pflicht, sich zu beeilen, wesentlich der Verteidigung auferlegt werden. Die Wahrheitsfindung könnte sonst zum Opfer der Beschleunigung werden, zeigt sich der Experte überzeugt.

"Flickschusterei" kritisiert

Herzog ist ebenfalls der Meinung, das Strafverfahrensrecht bedürfe dringend der Modernisierung. Dieses Ziel lasse sich aber nicht mit punktuellen Änderungen erreichen. Die Strafprozessordnung sei nach Art der "Flickschusterei – ohne Konzept, in zum aufgeregter Anlassgesetzgebung, mit monströsen Kompromissformel-Normen" – novelliert worden. Die Bundesregierung sollte deshalb eine umfassende Reform des Strafverfahrensrechts noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg bringen.

Rechtsanwalt und Notar Eberhard Kempf aus Frankfurt am Main lässt den Ausschuss wissen, es erscheine "untunlich", die mit dem Gesetzentwurf der CDU/CSU eingebrachten Vorschläge zu Änderungen im strafprozessualen Rechtsmittelrecht losgelöst von den Plänen der Bundesregierung zu einer Justizreform im Strafprozess zu behandeln.

Erstaunlich sei auch, so der Sachverständige, dass der Gesetzentwurf, der bereits auf Vorarbeiten der 13. Wahlperiode zurückgreife, zwischenzeitlich veröffentlichte einschlägige Gutachten zur Thematik nicht zur Kenntnis nehme. Auch Uwe Ewald von der Kriminologischen Forschungsstelle Berlin kritisiert "verkürzte Problemformulierung" in dem Gesetzentwurf der CDU/CSU und hält mehr Differenzierung anhand der jüngst veröffentlichten Gutachten für notwendig.

"Aus Praxissicht vernünftig"

Hingegen befürwortet Erhard Becker, Leitender Oberstaatsanwalt in Aschaffenburg, die vorgeschlagenen Regelungen im Wesentlichen und argumentiert dabei aus der Sicht der Praxis. Die Vorschläge der CDU/CSU seien weitgehend kleine Schritte, die in ihrer Gesamtheit ohne eine Minderung der Rechte von Verfahrensbeteiligten durchaus zu einer Beschleunigung der Strafverfahren beitragen könnten. Die praktischen Auswirkungen dürften sich allerdings in Grenzen halten, so der Experte.

Positiv äußert sich auch Klaus Weber, Präsident des Landgerichts Traunstein: Aus Sicht eines Praktikers sei die Tatsache, dass sich der vorliegende Entwurf auf punktuelle Änderungen beschränke, die ohne Eingriffe in die Struktur der Strafverfahren vorgenommen werden könnten, vernünftig, auch wenn dies aus Sicht eines Professors ein "Herumdoktern" sein möge. Die Praxis, so Weber, ziehe auch aus kleinen Schritten des Gesetzgebers Nutzen und wolle darauf nicht verzichten.

Grundsätzlich für begrüßenswert hält auch Generalstaatsanwalt a.D. Heinrich Kintzi aus Braunschweig die Intention des Entwurfs. Der Beschleunigungsgrundsatz habe im Strafverfahren einen hohen Stellenwert. Er sei nicht Selbstzweck, sondern diene allgemeinen Belangen der Rechtsgemeinschaft und denen der Verfahrensbeteiligten. Einen "kurzen Prozess", der schutzwürdige Belange und legitime Verteidigungsrechte des Beschuldigten verkürze, dürfe es aber nicht geben.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2000/bp0006/0006042
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