Erklärungen nach Paragraph 31 der Geschäftsordnung
Anlage 1
Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Jürgen Augustinowitz (CDU/CSU)
zur Abstimmung über die Anträge zum Parlaments- und
Regierungssitz (Tagesordnungspunkt 15)
Anlage 2
Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten
Brigitte Baumeister (CDU/CSU) zur Abstimmung über die Anträge
zum Parlaments- und Regierungssitz (Tagesordnungspunkt 15)
Anlage 3
Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten
Dr. Heinrich Kolb (FDP) zur Abstimmung über die Anträge
zum Parlaments- und Regierungssitz (Tagesordnungspunkt 15)
Anlage 4
Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten
Uwe Lambinus, Walter Kolbow, Susanne Kastner (alle SPD) zur Abstimmung
über die Anträge zum Parlaments- und Regierungssitz
(Tagesordnungspunkt 15)
Anlage 5
Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten
Dr. Norbert Lammert (CDU/CSU) zur Abstimmung über die Anträge
zum Parlaments- und Regierungssitz (Tagesordnungspunkt 15)
Anlage 6
Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten
Dr. Reinhard Meyer zu Bentrup (CDU/CSU) zur Abstimmung über
die Anträge zum Parlaments- und Regierungssitz (Tagesordnungspunkt
15)
Anlage 7
Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten
Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP) zur Abstimmung über die
Anträge zum Parlaments- und Regierungssitz (Tagesordnungspunkt
15)
Anlage 8
Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten
Dr. Hermann Schwörer und Dr. Andreas Schockenhoff (beide
CDU/CSU) zur Abstimmung über die Anträge zum Parlaments-
und Regierungssitz (Tagesordnungspunkt 15)
Anlage 9
Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten
Heinz Schenken (CDU/CSU) zur Abstimmung über die Anträge
zum Parlaments- und Regierungssitz (Tagesordnungspunkt 15)
Anlage 10
Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten
Dr. Klaus-Dieter Uelhoff (CDU/CSU) zur Abstimmung über die
Anträge zum Parlaments- und Regierungssitz (Tagesordnungspunkt
15)
Anlage 11
Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten
Dr. Ruprecht Vondran (CDU/CSU) zur Abstimmung über die Anträge
zum Parlaments- und Regierungssitz (Tagesordnungspunkt 15)
Wortlaut der Erklärungen
Anlage 1
Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Jürgen Augustinowitz (CDU/CSU)
zur Abstimmung über die Anträge zum Parlaments- und
Regierungssitz (Tagesordnungspunkt 15)
Ich bin für Berlin als Sitz von Parlament und
Regierung. Gegen die Trennung von Parlament (in Berlin) und Regierung
(in Bonn) habe ich erhebliche Bedenken. Wenn ich trotzdem diesem
Antrag zustimme, so nur deshalb, um eine Entscheidung gegen Berlin
zu verhindern.
Anlage 2
Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Brigitte Baumeister (CDU/CSU) zur
Abstimmung über die Anträge zum Parlaments- und Regierungssitz
(Tagesordnungspunkt 15)
Nachdem der Kompromißantrag Geißler,
die Teilung durch Teilen zu überwinden, keine Mehrheit gefunden
hat, bin ich um der Glaubwürdigkeit willen davon überzeugt,
für Berlin stimmen zu müssen. Ich stimme für Berlin,
da Bonn nicht bereit war, dem Kompromiß zuzustimmen.
Anlage 3
Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Heinrich Kolb (FDP) zur Abstimmung
über die Anträge zum Parlaments- und Regierungssitz
(Tagesordnungspunkt 15)
Die Diskussion der letzten Wochen hat deutlich gemacht,
daß die Zahl der Argumente, die für Bonn oder Berlin
sprechen, endlich ist.
Nachdem sich für die heutige Debatte mehr als
einhundert Redner zu Wort gemeldet haben, ist davon auszugehen,
daß alle diese Argumente hinreichend vorgetragen werden.
Ich verzichte daher auf mündlichen Vortrag, möchte jedoch
mein Abstimmungsverhalten wie folgt erläutern:
Erstens. Ich gehöre der Nachkriegsgeneration
an und bin in meinem Entscheidungsverhalten nicht prädisponiert
wie etwa Abgeordnete, die aus Bonn oder Berlin stammen. Allerdings
ist festzuhalten: Seit ich politisch denke, habe ich Bonn als
-- zugegebenermaßen funktionsfähiges -- Provisorium
verstanden. Seit ich als Abgeordneter des Deutschen Bundestages
zur Stellungnahme in der Frage des zukünftigen Parlaments-
und Regierungssitzes aufgefordert werde, habe ich mich für
Berlin ausgesprochen.
Zweitens. Eine Trennung von Regierung und Parlament
halte ich nicht für praktikabel. Insbesondere scheint mir
die Arbeit in den Ausschüssen durch eine Trennung unzumutbar
beeinträchtigt zu werden.
Drittens. Einen Zweifel an der zukünftigen Hauptstadt
Berlin mit allen damit verbundenen Funktionen im Rahmen der Vision
des vereinigten Deutschlands habe ich nie empfunden und auch von
deutschen Politikern nie gehört.
Viertens. Berlin ist in den letzten Jahrzehnten als
Symbol der deutschen Teilung verstanden und in vielen wichtigen
Reden führender Persönlichkeiten hochgehalten worden.
Bis jetzt ist nur die politische Teilung überwunden,
die Teilung Deutschlands besteht jedoch als wirtschaftliche, soziale
und mentale Teilung fort. Das wird nirgendwo deutlicher als in
Berlin. Berlin bleibt für mich auch weiterhin Symbol dieser
Teilung sowie des Wunsches und der Notwendigkeit, sie zu überwinden.
Fünftens. Die Überwindung der fortbestehenden
Teilung Deutschlands ist die zentrale Aufgabe des nächsten
Jahrzehntes, vielleicht gar der nächsten Generation.
Sechstens. In den sechs Monaten meiner bisherigen
Tätigkeit in Bonn, nach einigen Aufenthalten in Berlin und
auf Grund unternehmerischer Tätigkeit in Sachsen-Anhalt habe
ich den Eindruck gewonnen: In Bonn werden die Probleme, die sich
aus der wiedergewonnenen deutschen Einheit ergeben, nicht hinreichend
greifbar.
Das Parlament sollte der »Temperaturfühler«
der Nation sein. Ein Temperaturfühler muß dort installiert
werden, wo »klimatische Veränderungen« am meisten
spürbar sind. Das Parlament muß daher seinen Sitz in
Berlin nehmen.
Siebtens. Mit der Wiederherstellung der deutschen
Einheit hat sich Deutschland verändert, und es wird sich
zukünftig verändern. Mit einer Entscheidung für
Berlin wird dokumentiert, daß man sich diesen Veränderungen
stellt. Eine Entscheidung für Bonn würde den Erwartungen
der Bürger im Osten unseres Landes, soweit ich sie aus zahlreichen
Besuchen erkenne, nicht gerecht werden.
Achtens. Als das wesentliche Bedenken der Bonn-Befürworter
habe ich in den letzten Wochen das Argument der Bedrohung von
Arbeitsplätzen und der wirtschaftlichen Entwicklung in der
Region Köln-Bonn aufgenommen. Bei allem Verständnis
für die Sorgen und Ängste der Betroffenen: Vor dem Hintergrund
des viel umfassenderen strukturellen Umbruchs im Osten kann und
darf dies nicht eine Entscheidung pro Bonn begründen.
Neuntens. Über die Politik in Deutschland wird
oft gesagt, sie taktiere und operiere, anstatt strategisch zu
entscheiden. Die heutige Entscheidung ist eine strategische Entscheidung.
Bonn kann -- davon bin ich überzeugt -- nicht
Regierungssitz sein, wenn Berlin wirklich Hauptstadt ist.
Zehntens. Die Entscheidung heute zu treffen und nicht
in die Zukunft hinauszuschieben, ist richtig. Denn beide Städte
brauchen Klarheit, auch vor dem Hintergrund der in beiden Städten
zu treffenden Investitionsentscheidungen.
Ich werde mich in der Abstimmung für Berlin
als Parlaments- und Regierungssitz aussprechen.
Anlage 4
Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Uwe Lambinus, Walter Kolbow, Susanne
Kastner (alle SPD) zur Abstimmung über die Anträge zum
Parlaments- und Regierungssitz (Tagesordnungspunkt 15)
Wir stimmen für Bonn als Sitz des Deutschen
Bundestages und der Bundesregierung.
Unser Abstimmungsverhalten begründen wir wie
folgt:
Wir wollen ein Deutschland in der Tradition der in
den letzten Jahrzehnten in Bonn formulierten Politik
-- der Aussöhnung mit unseren Nachbarn im Westen
und Osten,
-- der bundesstaatlichen föderativen Ordnung,
-- der Grundwerte, die im Bonner Grundgesetz niedergelegt
sind.
Wir wollen keine örtliche Anknüpfung deutscher
Politik an die in der früheren Reichshauptstadt Berlin formulierte
und praktizierte Politik
-- des wilhelminischen Kaiserreiches,
-- der mißlungenen Weimarer Republik,
-- des menschenverachtenden Naziregimes,
-- der kommunistischen Gewaltherrschaft.
Unsere Entscheidung richtet sich nicht gegen Berlin
und die Berliner.
Der Freiheitswille und die Leidensbereitschaft der
Berliner haben unsere uneingeschränkte Hochachtung. Auch
aus diesem Grunde werden wir im Rahmen unserer Möglichkeiten
alles tun, um Berlin zur echten kulturellen und wirtschaftlichen
Metropole des wiedervereinigten Deutschland werden zu lassen.
Aber -- auch föderativ organisierte -- gesamtstaatliche
politische Macht wieder nach Berlin verlagern, nein, dafür
können wir unsere Stimme nicht geben.
Anlage 5
Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Norbert Lammert (CDU/CSU) zur
Abstimmung über die Anträge zum Parlaments- und Regierungssitz
(Tagesordnungspunkt 15)
Es gehört für mich zu den schmerzlichen
Erfahrungen der jüngsten, besonders glücklichen deutschen
Geschichte, daß kurz nach Überwindung der Teilung Deutschlands
die notwendige Entscheidung über den Sitz von Parlament und
Regierung neue Trennungen, neue Enttäuschungen, neue Verletzungen
zu verursachen scheint. Mich hat betroffen gemacht, welche Leidenschaft
und welche Verbitterung, welche Gräben gelegentlich auch
diese unvermeidliche Auseinandersetzung in den vergangenen Monaten
hat entstehen lassen.
Ich hätte es deshalb begrüßt -- wie
viele andere auch --, wenn es gelungen wäre, eine einvernehmliche
Lösung über den Sitz der Verfassungsorgane innerhalb
und außerhalb der Hauptstadt Berlin zu finden, die eine
breite Mehrheit mit friedenstiftender Wirkung gehabt hätte.
Diese Bemühungen, für die es offensichtlich überall
große Sympathien gab, sind gescheitert.
Ich selbst gehöre zu denen, die gegen den respektablen
Versuch gestimmt haben, durch Aufteilung von Bundesregierung und
Bundestag auf Bonn und Berlin einen Kompromiß zu finden
und damit vielleicht einen solchen Konsens zu ermöglichen.
Dabei hatte und hat für mich die Sicherung der Funktionsfähigkeit
unseres parlamentarischen Regierungssystems Vorrang vor der vergleichsweise
weniger bedeutsamen Frage des Standortes politischer Entscheidungsorgane
und auch vor einem noch so wünschenswerten Konsens.
Eine Fehleinschätzung bei der Standortfrage
können wir allemal eher verkraften als einen Irrtum über
die Funktionsbedingungen unseres demokratischen Systems. Der eine
Irrtum wäre bedauerlich, der andere verhängnisvoll.
Ich behaupte nicht, daß eine räumliche Trennung von
Parlament und Regierung notwendigerweise scheitern muß;
aber niemand kann verläßlich und verbindlich die großen
Risiken ausschließen, die mit einer solchen Lösung
offensichtlich verbunden sind.
Bei der Abwägung der vielfältigen politischen
und historischen Aspekte von sehr grundsätzlicher Bedeutung
und mancher sehr pragmatischer, gleichwohl beachtlicher Gesichtspunkte
sozialer und finanzieller Folgewirkungen werde ich daher für
Bonn als Sitz von Parlament und Regierung stimmen. Nach meinem
Verständnis, das ich von Deutschland und von Europa habe,
bin ich überzeugt, daß Bonn als eine Stadt, die sich
als Metropole nicht eignet, gerade deshalb als Sitz von Regierung
und Parlament für die Zukunft des wiedervereinigten Deutschland
in einem freien und ungeteilten Europa eine ebenso glückliche
Lösung ist, wie sie es in der Vergangenheit -- in mehr als
40 Jahren funktionierender Demokratie -- unbestritten war.
Wenn die Mehrheit des Bundestages anders entscheidet,
dann werde ich ganz selbstverständlich, ohne Vorwürfe
und ohne Enttäuschung gerne und mit ungebrochenem Engagement
meine politische Arbeit in Berlin fortsetzen -- wenn mir die Wähler
dazu Gelegenheit geben.
Anlage 6
Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Reinhard Meyer zu Bentrup (CDU/CSU)
zur Abstimmung über die Anträge zum Parlaments- und
Regierungssitz (Tagesordnungspunkt 15)
Berlin ist unsere Hauptstadt, in der auch Bundestag,
Bundesrat und Bundesregierung ihren Sitz nehmen. Dafür bin
ich seit 30 Jahren eingetreten und werde auch am 20. Juni 1991
im Bundestag dafür stimmen. Berlin war für mich immer
Deutschlands politischer Mittelpunkt, für Millionen Menschen
im Osten mehr als 40 Jahre Symbol der Freiheit und Hoffnung auf
ein menschenwürdiges Leben.
Der Bundestag hat in vielen politischen Beschlüssen
und feierlichen Bekenntnissen -- am 30. September 1949 erstmalig,
am 15. Februar 1990 letztmalig -- unterstrichen, »nach der
Herstellung der Einheit Deutschlands Parlament und Regierung als
notwendige hauptstädtische Funktionen nach Berlin zu verlegen«.
Mit der Entscheidung für Berlin bleibe ich glaubwürdig
und bekenne mich zur gesamtdeutschen Geschichte wie zu einem geschichtlichen
Neuanfang. Es ist ein besonderer Beitrag zum politischen Zusammenwachsen.
Berlin als Symbol der Teilung -- nun ein Symbol für die wiedergewonnene
Einheit in Frieden und Freiheit.
Anlage 7
Erklärung nach § 31 des Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP)
zur Abstimmung über die Anträge zum Parlaments- und
Regierungssitz (Tagesordnungspunkt 15)
Meine Stimmabgabe für Bonn als Parlaments- und
Regierungssitz möchte ich auf diesem Wege kurz begründen:
Erstens. Bonn steht für die längste Phase
stabiler Demokratie in der deutschen Geschichte, Bonn ist das
Symbol für die Westbindung und die europäische Integration
unseres Vaterlandes. Die Bonner Republik hat dem deutschen Volk
einen beispiellosen wirtschaftlichen Wohlstand gebracht. Bewährtes
sollte nicht ohne Not aufgegeben werden.
Zweitens. Durch die Wiedervereinigung Deutschlands
stehen wir vor Herausforderungen und Problemen in den neuen Bundesländern,
die von ihrer Größe her vergleichbar sind mit dem Wiederaufbau
nach dem Zweiten Weltkrieg. Vor diesem Hintergrund brauchen wir
in den nächsten Jahren eine effektive Bundesverwaltung nötiger
denn je. Die Effektivität würde jedoch zwangsläufig
leiden, wenn sämtliche Ministerien mit Zigtausenden von Bediensteten
sukzessive nach Berlin umziehen müßten. Ein solcher
Umzug wäre im übrigen auch der Motivation der bisher
in Bonn tätigen und in dieser Region verwurzelten Beamten
abträglich.
Drittens. Die für eine Verlagerung des Parlaments-
und Regierungssitzes nach Berlin notwendigen Finanzmittel in Höhe
eines zweistelligen Milliardenbetrages können in den fünf
neuen Bundesländern weit sinnvoller verwandt werden als im
ohnehin schon boomenden Berlin.
Viertens. Berlin leidet bereits heute unter wachsenden
Problemen mit seiner Infrastruktur. Auf absehbare Zeit wird es
sowohl auf den Schienen und auf den Straßen wie auch von
der Luft aus nicht so leicht zu erreichen sein, wie dies für
einen Parlaments- und Regierungssitz notwendig wäre. Auch
die Verkehrsprobleme innerhalb der Stadt nehmen zu. Darüber
hinaus fehlen in Berlin bereits jetzt über 100 000 Wohnungen;
die Miet- und Grundstückspreise ziehen rasant an.
Alle diese Probleme würden sich durch den Zuzug
von rund 50 000 Bundesbediensteten, Tausenden von Diplomaten und
weiteren Tausenden von Verbandsvertretern, jeweils zuzüglich
ihrer Familienangehörigen, dramatisch verschärfen. Ich
habe daher ernsthafte Zweifel, ob die Verlegung des Parlaments- und Regierungssitzes überhaupt den objektiven Interessen Berlins diente.
Fünftens. Aus meinen genannten Beweggründen
heraus ergibt sich, daß ich eine Verlegung des Parlaments-
und Regierungssitzes nach Berlin allenfalls langfristig -- hiermit
meine ich einen Zeitraum, der weiter greift als die bisher genannten
fünf bis fünfzehn Jahre -- für akzeptabel hielte.
Da eine solche langfristige Option nicht zur Abstimmung steht
-- und bedauerlicherweise wohl auch keine Mehrheit fände
-- stimme ich heute, am 20. Juni 1991, für die Beibehaltung
Bonns als Sitz des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung.
Anlage 8
Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Hermann Schwörer und Dr.
Andreas Schockenhoff (beide CDU/CSU) zur Abstimmung über
die Anträge zum Parlaments- und Regierungssitz (Tagesordnungspunkt 15)
Uns wäre ein fairer Kompromiß zwischen
Bonn und Berlin am liebsten gewesen. Diesen sehen wir in dem Vorschlag
Dr. Geißler, der die Regierung in Bonn belassen und das
Parlament nach Berlin geführt hätte. Nachdem gegen unsere
Stimmen dieser Teilungsvorschlag abgelehnt wurde, haben wir unsere
Stimmen dem Berlin-Antrag gegeben.
Wir haben dies getan, obwohl wir die Stadt Bonn und
ihre Bewohner in vielen Jahren Abgeordnetentätigkeit liebgewonnen
haben. Wir haben es auch getan, obwohl wir aus unseren Wahlkreisen
viele Aufforderungen bekommen haben, für Bonn zu stimmen.
Unsere Entscheidungsgründe:
Erstens. Die Sorge im Wahlkreis, die Verlagerung
nach Berlin, würde riesige zusätzliche Kosten bedeuten,
ist unberechtigt. Der Umzug soll sich auf 10 bis 15 Jahre verteilen.
So sagen es selbst die Berliner. Die Größenordnung
von ca. 4 bis 6 Milliarden DM jährlich für Berlin müßte
in jedem Fall aufgebracht werden und wenn auch nur als Ausgleich
für das Belassen von Regierung und Parlament in Bonn. Finanziell
ist also der Unterschied nicht groß.
Zweitens. Viel wichtiger ist aber die Tatsache, daß
der Bundestag im Wort steht.
a) »Wir haben 45 Jahre lang davon gesprochen,
daß Berlin die Hauptstadt des wiedervereinigten Deutschlands
ist.«
b) Im Einigungsvertrag von 1990 heißt es: »Die
deutsche Hauptstadt ist Berlin.« Dafür haben die allermeisten
gestimmt. Zur Hauptstadt gehört mindestens das Parlament,
so wie es der Geißler-Antrag vorsah. Würden wir diese
Aussagen jetzt, nach dem Zustandekommen der Einheit, nicht wahrmachen,
würden wir unseren Versprechungen und Zusagen untreu werden.
Glaubwürdigkeit ist ein hohes Gut in der Politik.
Drittens. Berlin muß zum Zeichen dafür
werden, daß wir bereit sind zu teilen und dem Osten unseres
Vaterlandes jede mögliche Hilfe auf seinem schweren Weg zu
gleichen Lebensbedingungen zu geben. Die Probleme dort sind so
groß, daß kein Zeichen unterlassen werden darf, daß
den Menschen Mut machen kann und ihnen zeigt, daß Deutschland
auch geistig zur Einheit finden kann. Wenn in den neuen Bundesländern
sich ein Erfolg zeigt, werden wir alle davon profitieren.
Viertens. Für Bonn muß im Fall des Weggangs
von Parlament und Regierung ein Ausgleich gefunden werden. Wir
alle haben dieser Stadt für 40 Jahre guter Regierungszeit
viel zu verdanken. Genügend Ersatzarbeitsplätze und
eine neue Verwendung der Regierungs- und Parlamentsbauten müssen
das Tempo der Umsiedlung nach Berlin entscheidend mitbestimmen.
Anlage 9
Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Heinz Schemken (CDU/CSU) zur Abstimmung
über die Anträge zum Parlaments- und Regierungssitz
(Tagesordnungspunkt 15)
Ich stimme für Berlin, obwohl ich vor Monaten
eine erste Initiative für Bonn unterschrieben hatte.
Als bergischer Abgeordneter war es mein Bemühen,
die deutsche Geschichte, die sich in vier Jahrzehnten mit Bonn
verbindet, einzubinden in eine mögliche Konsenslösung,
eine Konsenslösung, die sich zwischen den Befürwortern
Bonns und Berlins hätte ergeben müssen. Dies hat nach
meiner Auffassung nicht zu dem gewollten Erfolg geführt.
Jetzt bei der Entscheidung Bonn oder Berlin kann ich mich dem
geschichtlichen Auftrag für Berlin nicht entziehen.
Durch die Wiedervereinigung meines Vaterlandes steht
die Stadt Berlin, die die schicksalshafte Geschichte der Deutschen
durch die Teilung erleiden mußte, nicht gegen Bonn zur Entscheidung
an. Berlin kann nach den gescheiterten Versuchen, zu einem Konsens
zu kommen, jetzt nicht zum Feigenblatt eines unerfüllten
Auftrages auf Grund der historischen Versprechen degradiert werden.
Das Vertrauen in die Politik wird damit nicht gestärkt, das
gerade in dieser Frage einer besonderen Bewährungsprobe unterliegt.
Das Vertrauen wird zerstört; denn es liegt in dem gegebenen
Wort aller Politiker zur Einheit Deutschlands und zur Überwindung
der Teilung der alten Deutschen Hauptstadt. Hier treten die regionalen
und strukturpolitischen Fragen auf dem Hintergrund des geschichtlichen
Auftrages an die zweite Stelle.
Ich habe volles Verständnis für die Sorgen
der Bürger in der Bonner Region. Die Sonderlasten Bonns können
durch einen Bonnvertrag mit finanziellem Ausgleich und Zuteilung
neuer Funktionen und Institutionen ausgeglichen werden.
Anlage 10
Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Klaus-Dieter Uelhoff (CDU/CSU)
zur Abstimmung über die Anträge zum Parlaments- und
Regierungssitz (Tagesordnungspunkt 15)
Im Einigungsvertrag ist Berlin als Hauptstadt Deutschlands
bestätigt worden. Sie wird es kulturell und wirtschaftlich
sein, aber auch mit herausragenden politischen Funktionen als
Ort der Bundesversammlung, wichtiger Bundestagssitzungen und vielfacher
nationaler Repräsentation.
Der Bundestag hat sich im Laufe der vergangenen 40
Jahre mehrfach für eine Verlegung der leitenden Bundesorgane
nach Berlin ausgesprochen, sobald die Einheit in Freiheit hergestellt
ist. Hat der Bundestag deshalb sein Entscheidungsrecht eingebüßt?
Durch die friedliche Revolution in der damaligen DDR ist 1989
eine neue Situation mit politischen und wirtschaftlichen Umständen
entstanden, aus denen neue Konsequenzen gezogen werden müssen.
Aus gutem Grund ist deshalb im Einigungsvertrag auch ausdrücklich
ein gesonderter Beschluß über den Sitz von Parlament
und Regierung vorgesehen worden.
Ich bin aus historischen, politischen und wirtschaftlichen
Gründen gegen einen generellen Umzug des Parlaments, dem
die Regierung zu folgen hätte, und für eine bundesstaatliche
Aufgabenteilung zwischen Berlin und Bonn.
Bonn steht für den demokratischen Neubeginn
und nach 42 Jahren inzwischen auch für die demokratische
Tradition der Bundesrepublik Deutschland. Von Bonn gingen wesentliche
Impulse für die europäische Gemeinschaft freier Völker
aus. Auch im Ausland sieht man in dieser Stadt ein Symbol für
eine dem Frieden und der Versöhnung verpflichtete Politik.
Dem Föderalismus der Bundesrepublik und der
in Jahrhunderten gewachsenen dezentralen Struktur unseres Landes
ist mit Bonn besser gedient als mit Berlin.
Bereits heute kämpft Berlin mit den Problemen
der Wohnungsnot, der Mietenexplosion und des drohenden Verkehrsinfarkts.
Ein Umzug der Verfassungsorgane mit ihren Mitarbeitern würde
diese Probleme schier unlösbar werden lassen. In Bonn ist
die erforderliche Infrastruktur vorhanden, bereits im Bau oder
in der Planung; der Zuwachs durch die Abgeordneten aus den fünf
neuen Bundesländern ist bereits jetzt bewältigt.
Der Aufwand, den die milliardenhohen Kosten und die
Reibungsverluste eines langjährigen Umzugs nach Berlin verursachen
würden, ist besser in den neuen Bundesländern investiert
als in einen Parlaments- und Regierungssitz Berlin. Ohnehin erlebt
diese Stadt heute schon einen beispiellosen Run von Investoren.
Der erhoffte Olympiastandort im Jahre 2000 wird dies weiter beschleunigen.
Bonn als Parlaments- und Regierungssitz für
die Verankerung im Westen und Berlin als Hauptstadt für die
Öffnung nach Osten, dies sind die Pfeiler der Brücke,
auf der wir uns in Zukunft bewegen sollten.
Anlage 11
Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Ruprecht Vondran (CDU/CSU) zur
Abstimmung über die Anträge zum Parlaments- und Regierungssitz
(Tagesordnungspunkt 15)
Berlin steht für den Selbstbehauptungswillen
des deutschen Volkes. Hier war die Freiheit besonders gefährdet,
hier ist sie erfolgreich verteidigt worden.
In Bonn sind die Grundlagen für eine lebenstüchtige
Demokratie erarbeitet worden. Hier wurden die Entscheidungen getroffen,
die die Deutschen in die Völkergemeinschaft zurückgeführt,
ihnen Sicherheit und Wohlstand gebracht und am Ende auch die Wiedervereinigung
ermöglicht haben. Die Namen beider Städte haben Symbolkraft.
Das macht die Entscheidung so schwer.
Ich gebe meine Stimme für Berlin, weil heute
zugleich über die Glaubwürdigkeit deutscher Politik
entschieden wird. Diese Glaubwürdigkeit ist ein knappes und
wertvolles Gut. Vier Jahrzehnte sind alle Parteien, insbesondere
die Christlich Demokratische Union, dafür eingetreten, daß
Berlin die Hauptstadt eines in Freiheit wiedervereinigten Deutschland
wird. Auf dieses Wort muß Verlaß sein.
Mit dieser Entscheidung verbinde ich die Hoffnung,
daß die Europäische Gemeinschaft in den nächsten
Jahren nach Osten erweitert wird, und den Wunsch, daß die
selbstbewußte Bescheidenheit, der Sinn für Maß
und Mitte und die stille Effizienz, die die Bonner Politik auszeichnen,
den Transport nach Berlin unbeschadet überstehen.