Deutscher Bundestag
English    | Français   
 |  Sitemap  |  Kontakt  |  Fragen/FAQ  |  Druckversion
 
Startseite > AUSSCHÜSSE > Archiv > Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft >
14. Wahlperiode
[ zurück ]   [ Übersicht ]   [ weiter ]


DEUTSCHER BUNDESTAG
Ausschuss für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten
14. Wahlperiode
22 38-24 50


Wortprotokoll

der

39. Sitzung

des Ausschusses für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten
(10. Ausschuss)


am Montag, 3. April 2000 Uhr
(Berlin, Reichstagsgebäude, Sitzungssaal 2. N. 024)


Öffentliche Anhörung zu dem
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
Flurbereinigungsgesetzes
- Bundestagsdrucksache 14/2445 -


Vorsitz: Peter Harry Carstensen (Nordstrand), MdB

Einziger Punkt der Tagesordnung SEITE:


Öffentliche Anhörung zu dem

Gesetzentwurf des Bundesrates


Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Flurbereinigungsgesetzes
- Drucksache 14/2445 - 6 - 31


Anlage 1: Sachverständigenliste 32
Anlage 2: Fragenkatalog 33 - 35
Anlage 3: Ausschuss-Drucksache 14/293 36 - 38
Anlage 4: Ausschuss-Drucksache 14/298 39 - 47



Der Vorsitzende begrüßt die Sachverständigen (Anlage 1). Er weist darauf hin, dass der Ausschuss am 15. März 2000 auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion beschlossen habe, zum Gesetzentwurf des Bundesrates eine öffentliche Anhörung durchzuführen. Der Bundesrat halte die im Flurbereinigungsgesetz festgelegte zweistufige Sonderverwaltung unterhalb der Ebene der obersten Landesbehörden, also die Flurbereinigungsbehörden und die oberen Flurbereinigungsbehörden, für nicht mehr zeitgemäß und fordere insbesondere aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung, Aufbau und Organisation der Verwaltung in die alleinige Verantwortung der Länder zu überführen.
Es handele sich damit um organisatorische Fragen beim Vollzug von Bundesgesetzen, die gleichwohl ihre Problematik haben könnten, wie dies nicht nur die Stellungnahme des DBV, sondern auch der Bundesregierung zeige.

Der Vorsitzende bittet die Sachverständigen, jeweils ein kurzes Statement abzugeben, um dann in eine erste Fragerunde einzutreten.

RA Dr. Wolfgang Krüger, DBV, verweist eingangs auf die Stellungnahme des DBV (Ausschuss-Drucksachen 14/289 und 14/293/Anlage 3). Der Gesetzentwurf sei insbesondere damit begründet worden, dass die Flurbereinigung zumindest in einigen Bundesländern nicht mehr die Bedeutung wie früher habe. Der DBV teile diese Auffassung nicht. Wie eine Umfrage bei den Landesbauernverbänden ergeben habe, werde die Flurbereinigung gerade in den nächsten Jahren ein entscheidendes Element als Instrument zur Verbesserung der Agrarstruktur spielen, auch vor dem Hintergrund, dass die Landwirtschaftsbetriebe infolge der Beschlüsse zur Agenda 2000 in einer neuen Wettbewerbssituation stehen und in diesem Bereich entscheidende Beiträge geleistet werden müssen. Auch habe die Umfrage ergeben, dass in den alten Bundesländern in der Regel die Erstbereinigung abgeschlossen sei. In einigen Gebieten stehe diese allerdings auch dort noch aus. Darüber hinaus würden in erheblichem Maße Erfordernisse der Zweitbereinigung anstehen, da die Strukturentwicklung weitergegangen sei. Auch hier stelle die Flurbereinigung ein wesentliches Element der Aufgabenstellung dar.
In den neuen Bundesländern befinde sich die Flurbereinigung erst am Anfang. Hier stehe man mit einigen Flurbereinigungsverfahren in der Fläche, was mit der Aufgabe der Zusammenführung von Boden- und Gebäudeeigentum und mit dem sensiblen Bereich des Interessenausgleiches zwischen den einzelnen Eigentümern verbunden sei. Aber auch die Unternehmensflurbereinigung spiele im Zusammenhang mit den Verkehrsprojekten eine erhebliche Rolle. Vor diesem Hintergrund lehne der DBV die geplante Änderung des Flurbereinigungsgesetzes ab, und zwar auf Grund des wesentlichen Tätigkeitsfeldes der Flurbereinigungsbehörde. So hätten die Flurbereinigungsbehörden die sehr sensible Aufgabe, das Grundeigentum aller Verfahrensbeteiligten, wozu auch Landkreise, Gemeinden und andere öffentliche Körperschaften gehören, unter Wahrung der im Grundgesetz verankerten Eigentumsgarantie neu zu ordnen und entsprechend der Einlage wertgleich abzufinden. Darüber hinaus seien nach treuhänderischen Grundsätzen durch die Flurbereinigungsbehörden die Rechte an Grundstücken eines erheblichen Kreises Betroffener zu behandeln. Wenn man jetzt die entsprechende Sonderverwaltung aufhebe, die keinerlei eigene Interessen verkörpere, sei das Erfordernis der unbedingt notwendigen Neutralität und Objektivität der Flurbereinigungsverfahren in diesem sensiblen Bereich gefährdet.
Auch teile man die in ihrer Stellungnahme zum Ausdruck gebrachte kritische Auffassung der Bundesregierung zu dem Gesetzentwurf. Allerdings werde vom DBV betont, dass bei einer Aufhebung der zwingenden Sonderverwaltung eine gesetzliche Garantie zur Vermeidung der dargestellten Gefahren nicht mehr bestehe. Ein besonderer Aspekt, der gerade auch für den Ernährungsausschuss von Bedeutung sei, betreffe die Tatsache, dass die Flurbereinigungsbehörden mit einer hohen Sachkompetenz ausgestattet seien, die neben den Eigentumsinteressen auch agrarstrukturelle Gesichtspunkte bei den Verfahren mit berücksichtigen. Im Falle einer Aufhebung dieser Sonderverwaltung befürchte man, dass die genannte Sachkompetenz auf Grund von Einsparungszwängen verloren gehe. Sollten diese Kompetenzen auf andere Behörden übertragen werden, befürchte man, dass entsprechende agrarstrukturelle Gesichtspunkte nicht mehr in dem erforderlichen Maße Berücksichtigung finden.

MR Franz-Gerd Stähler, Nordrhein-Westfalen, führt dazu aus, dass es bei dem Gesetzentwurf um die Wiederherstellung des in Artikel 84 GG festgelegten Prinzips gehe, wonach die Länder die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren selbst regeln. Auch bei der hier anstehenden Änderung des Flurbereinigungsgesetzes gehe es allerdings nur darum, die Möglichkeit eigener Organisationsentscheidungen zu eröffnen. Über deren Nutzung könne jeder Landesgesetzgeber eigenständig entscheiden. Die angestrebte Lösung zwinge also kein Land, sich von den Verwaltungsstrukturen zu trennen, die es beibehalten möchte. In Nordrhein-Westfalen halte man jedenfalls die Öffnungsklausel für ein geeignetes Instrument, um auf den seit vielen Jahren zu beobachtenden Aufgabenrückgang bei der Flurbereinigung auch organisatorisch reagieren zu können. Man habe dazu vor sieben Jahren eine umfassende Untersuchung erstellen lassen, die auch in anderen Bundesländern diesen starken und kontinuierlichen sowie unumkehrbaren Aufgabenrückgang, bezogen auf die Flurbereinigung als solcher, belegen, und wonach man in wenigen Jahren zu einer Situation komme, in der die Aufrechterhaltung eigener Behördenstrukturen mehr als problematisch sei.
Dass die bisherige Agrarstruktur habe aufrecht erhalten werden können, verdanke sie eigentlich einem Zuwachs an Aufgaben, und zwar im Wesentlichen Aufgaben des Naturschutzes, so insbesondere die Durchführung von Sonderprogrammen. Dies sei eine Aufgabe, die zwar auch in einem gewissen Zusammenhang mit Aufgaben der Flurbereinigung stehe, was letztlich aber nicht zu Beginn dieser Verwaltungsorganisation der Fall gewesen sei.
Deshalb müssten diese Aufgaben, wenn sie bestehen blieben, unter einem neuen Aspekt gesehen werden. So käme es inzwischen insbesondere auf die Fähigkeit an, unterschiedliche Interessen und Planungen effektiv zu koordinieren.
Daher solle die Öffnungsklausel in Nordrhein-Westfalen die Möglichkeit schaffen, die einer Bezirksregierung die gesamte Agrarstrukturverwaltung zusammenzuführen, wobei der Gesetzentwurf ausdrücklich vorsehe, dass die Eigenständigkeit dieser eigenen Abteilung bei der Durchführung von Flurbereinigungsverfahren gesetzlich garantiert werde. Damit solle auch auf einige Bedenken reagiert werden, die bereits im Vorfeld erörtert worden seien. Als eine wesentliche Verbesserung erwarte man, eine Koordinierung der Bezüge, die die Flurbereinigung zu vielen Aufgaben der Mittelinstanz habe, und zwar Raumordnung, Landesplanung, städtebauliche Entwicklung, Naturschutz und Landschaftspflege, Wasserwirtschaft, Katastawesen und dergleichen.
Diese Aufgaben gehörten aber im Wesentlichen zu den Bündelungsbehörden der Bezirksregierung. Diese Verflechtungen könnten um so besser berücksichtigt werden, je mehr es gelinge, die Agrarordnungsverwaltung unter Wahrung bestimmter fachlicher Eigenständigkeit in diese Bündelungsbehörde zu integrieren.
Eine Sonderbehörde stehe zwangsläufig in der Gefahr, Entscheidungen zu sehr aus der Fachkompetenz zu treffen. Die mit der Integrierung beabsichtigten Synergieeffekte seien daher nicht zu übersehen. Dass die organisatorischen Rückführungsprobleme auf diese Weise am besten gelöst werden könnten, bedürfe keines weiteren Nachweises.
Als Bedenken seien geäußert worden, dass die objektive und neutrale Funktion der Flurbereinigungsverwaltung als unabhängiger Sachwalter von Teilnehmerinteressen und Koordinator von öffentlichen und privaten Interessen gefährdet sei.
Auch für Nordrhein-Westfalen stehe außer Frage, dass diese Funktionen natürlich gewährleistet werden könnten. Dass dies der Fall sei, zeigten auch die sehr unterschiedlichen Lösungen, die in einzelnen Bundesländern für den Aufbau der Agrarstrukturverwaltung getroffen worden seien. Damit meine er nicht in erster Linie das Sondermodell Bayern, sondern vielmehr spreche er davon, dass immerhin in drei Bundesländern die obere Flurbereinigungsbehörde Teil der Bezirksregierung geworden sei. Dem Ministerium sei nicht bekannt geworden, dass durch diese organisatorischen Veränderungen die Objektivität und Neutralität der Agrarstrukturverwaltung gefährdet worden wäre. Angesichts der tatsächlichen Verhältnisse betrachte er es als eine Unterstellung, dass der Verzicht auf die Sonderverwaltung und die Zweistufigkeit zwingend zu einem Objektivitätsverlust und damit zu Interessenkonflikten führen solle. Hierfür gebe es keine Belege. Auch das Land Nordrhein-Westfalen werde sich bei einer veränderten Organisationsstruktur an die inhaltlichen materiellen Regelungen des Flurbereinigungsgesetzes halten, schon um keinen Rechtsbruch zu provozieren. Die Agrarstrukturverwaltung brauche jedenfalls nach Auffassung von Nordrhein-Westfalen unter den sich zur Zeit darstellenden Entwicklungstendenzen nicht für alle Zeiten eine eigene dreistufige Verwaltung. Daher die Bitte an den Ausschuss, den Ländern die Möglichkeit zu geben, die Verwaltungsstrukturen entsprechend den heutigen Notwendigkeiten zu reformieren. Eine rückwärts gewandte Sicht werde die aufgetretenen Probleme nicht lösen, sondern höchstens perpetuieren.

Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch, Juristische Fakultät der Universität Tübingen, stellt eingangs klar, dass die vorgesehene Gesetzesänderung möglicherweise an der Grenze des verfassungsrechtlich Problematischen liege, keinesfalls aber verfassungswidrig sei. Trotzdem sollte sich der Ausschuss darüber im Klaren sein, dass er hier die Bundesinteressen zu vertreten habe. Artikel 84 GG stelle eine Eingriffsschneise in den Hoheitsbereich der Länder dar. Es gehe allerdings darum, dass Bundesgesetze so vollzogen werden können, wie dies der Bundesgesetzgeber beabsichtigt habe. Manchmal sei es durchaus so, dass sich der Wille des Bundesgesetzgebers im Verwaltungsverfahren sowie in der Verwaltungsorganisation artikuliere. Also sei zu überlegen, ob das Flurbereinigungsgesetz materiell auf eine bestimmte Organisation und einen bestimmten Vollzug angewiesen sei. Dies sei der eine Aspekt. Hier könnte man großzügig sein und dem Bundesrat weitgehend entgegenkommen, um den Ländern ihren Hoheitsbereich zurückzugeben.
Auf der anderen Seite sei die Organisation kein Selbstzweck. So habe das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung vertreten, dass der Grundrechtsschutz auch durch Verfahrens- und organisatorische Regelungen gewährleistet sein solle. Auf der Ebene Grundrechtsschutz mittels Organisation komme man in größere Schwierigkeiten, weil man sich hier auf der inhaltlichen Ebene befinde. Hier stelle sich die Frage, ob das sachliche Flurbereinigungsrecht eine bestimmte Struktur der Verwaltungsorganisation erfordere. Sachlich gehe es beim Flurbereinigungsrecht um die Interessen von Grundeigentümern. Diese Interessen würden hier nicht durch Enteignungen massiv beeinträchtigt, sondern durch Verhaltensweisen, die Enteignungen sehr nahe kämen. Die Flurbereinigung habe nur deswegen ihre Legitimation, wenn sie privatnützig betrieben werde im Interesse der landwirtschaftlichen Grundbesitzer. Dies sei der Primärzweck der Flurbereinigung und erfordere auf der behördlichen Gegenseite eine distanzierte und objektive Behörde, da ansonsten die gesamte Flurbereinigung ihre Legitimation verliere.
Dies sei der Grund dafür gewesen, warum sich der Bundesgesetzgeber für eine bestimmte Organisation der Flurbereinigung, und zwar für eine Sonderbehörde, entschieden habe. Hier sei es ihm darum gegangen, durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass die Flurbereinigung einen bestimmten Inhalt habe. Diese Privatnützigkeit der Flurbereinigung sei dann etwas ausgedehnt worden. Die Flurbereinigung diene natürlich auch dem Gemeinwohl, Naturschutz- und Landschaftsinteressen, was selbstverständlich sei. Allerdings müsse der Akzent darauf liegen, dass die Flurbereinigung dem Interessenausgleich der agrarischen Grundeigentümer diene. Dies sei der Grund für die Einführung einer Sonderbehörde.
Nun könne man lange darüber streiten, ob die Neutralität bundeseinheitlich sichergestellt werden müsse. Die Länder werden unisono erklären, dass man alles beim Alten lasse, man nur flexibler sein wolle. Die Frage sei, ob man als Bundesgesetzgeber noch Einfluss hierauf habe und sicherstellen wolle, dass die Organisation auch tatsächlich Neutralität und Distanz gewährleiste, oder ob man das im guten Vertrauen den Ländern überlassen wolle.
Seitens des Bundesrates werde man wahrscheinlich darauf hinweisen, dass es sich bei der entsprechend gebündelten Behörde genauso wie vorher um eine neutrale und distanzierte Behörde handele. Dies sei sicherlich richtig, aber der Bund habe dann nicht mehr selber die Garantie hierfür, da er den Ländern völlig den entsprechenden Entscheidungsspielraum überlasse. Damit habe der Bund eine Legitimation seines Hoheitsbereiches preisgegeben. Aus diesem Grunde habe er Bedenken, die allerdings nicht auf Verfassungsebene angesiedelt seien. Daher sei natürlich auch der Standpunkt vertretbar, dass es sich verfassungsrechtlich um ein bundesfreundliches Verhalten handele, wobei der Bund bei der Umsetzung ein entsprechendes Vertrauen in die Länder setze. Abwegig wäre der Standpunkt, dass die Organisationsänderung zu einer massiven Beeinträchtigung des Eigentums nach Artikel 14 führen würde.
Folgender Aspekt sei allerdings bei einer Änderung noch zu berücksichtigen: Die Sonderstruktur der Flurbereinigungsbehörden als Sonderverwaltung habe sich bisher fortgesetzt bis in die Gerichtsbarkeit, und zwar in Sondersenaten, bei den Oberverwaltungsgerichten sowie beim Bundesverwaltungsgericht. Hier gelte nicht das übliche Laienprinzip, sondern habe man sachverständige Richter, die nach § 139 Flurbereinigungsgesetz aus der Flurbereinigungsverwaltung stammen müssen. Die vorgesehene Änderung des Flurbereinigungsgesetzes müsste daher konsequenterweise auch eine Änderung dieser Vorschrift zur Folge haben, da es nach einer Änderung keine sachkundigen Richter aus der Flurbereinigungsverwaltung mehr gebe. So wäre es absurd, wenn man die Sonderverwaltung abschaffe, die entsprechenden Sonderverwaltungsgerichte aber beibehalte.
Zu dem Argument, die Flurbereinigungsorganisation sei nicht mehr zeitgemäß, entsprechende Aufgaben gebe es in den alten Bundesländern kaum mehr, sei zu fragen, ob die Flurbereinigung insgesamt nicht mehr zeitgemäß sei und jetzt der Zeitpunkt für eine entsprechende Verschlankung des Staates gekommen sei. In den neuen Bundesländern sei die Flurbereinigung sehr wohl zeitgemäß, wo die entsprechende Distanz und Neutralität der Behörden weniger bei der Regelflurbereinigung als insbesondere bei der Unternehmensflurbereinigung benötigt werde. Er gehe davon aus, dass es immer noch Großprojekte und Straßenprojekte gebe, bei denen durch die Flurbereinigung ein agrarischer Ausgleich geschaffen werden sollte. Deshalb wäre er vorsichtig mit dieser Argumentation, diese Flurbereinigung sei nicht mehr zeitgemäß.
Wenn schon der schlanke Staat Ziel entsprechender Bemühungen sei und daher nicht mehr benötigte Behörden abgebaut werden sollen, stehe der Staat unter Darlegungszwang. In diesem Falle bestehe die Neigung, Paketlösungen zu verkaufen, weil jede Behörde, die abgebaut werden solle, fordere, dass auch die andere Behörde abzubauen sei. Hier stelle sich die Frage, ob ausgerechnet die Flurbereinigung in solche Betrachtungen eingebunden werden solle.

Wolfgang von Dallwitz, Arbeitsgemeinschaft der Grundbesitzerverbände e. V., führt dazu aus, dass er sich den Ausführungen von Prof. Dr. Ronellenfitsch weitestgehend anschließe. Aus Sicht der land- und forstwirtschaftlichen Grundeigentümer, die die Arbeitsgemeinschaft vertrete, werde besonderer Wert auf die Unabhängigkeit Behörde, die die Flurbeeinigungsverfahren durchführe, gelegt. Dies sei nur durch eine Sonderbehörde möglich. In den neuen Bundesländern sei dieser kostspielige Aufbau dieser Behörden gerade abgeschlossen, die somit jetzt in der Lage seien, entsprechende Verfahren durchzuführen. Dies erfordere allerdings eine entsprechende unabhängige Sonderbehörde. Man könne sich nur der Stellungnahme der Bundesregierung anschließen, wonach sichergestellt sein müsse, dass die Flurbereinigungsverwaltung in der Lage sei, objektiv und neutral die Eigentumsrechte der Teilnehmer zu wahren.
Diesen Anforderungen werde allerdings der vorliegende Gesetzentwurf nicht gerecht. Hierzu bedürfe es weiterer gesetzlicher Vorgaben, damit die Einrichtung entsprechender unabhängiger Behörden durch die Länder sichergestellt sei.

Vermessungsdirektor Karl-Ludwig Völkel, Brandenburg, (Ausschuss-Drucksache 14/298 - Anlage 4) unterstreicht ausdrücklich die rechtlichen Ausführungen von Prof. Dr. Ronellenfitsch. Dem sei nichts mehr hinzuzufügen.
Was die Situation in den neuen Bundesländern betreffe, so habe hier über 40 Jahre DDR-Recht gegolten, wonach das Recht an Grund und Boden keinerlei Rolle gespielt habe. Auf Grund des LPG-Gesetzes war den LPGn erlaubt, uneingeschränkte Nutzungsrechte zu vergeben und den Grund und Boden uneingeschränkt zu nutzen. In den Verfahren zur Flurneuordnung werde erkennbar, dass der Wille, Eigentum zu erwerben, zunehme. Hier gewinne der Aspekt, dass die Flurbereinigungsbehörden mit Grund und Boden treuhänderisch umzugehen haben, besondere Bedeutung. Wenn jetzt, wie vorgesehen, eine Verwaltung, die möglicherweise in der Innenverwaltung angesiedelt sei, mit diesen Eigentumsrechten umzugehen habe, als Verwaltung aber selber das Interesse habe, eigene Planungen durchzusetzen, werde ein Interessenkonflikt unvermeidlich mit der Folge eines Vertrauensverlustes mit den Teilnehmern im Flurbereinigungsverfahren, vor allen Dingen in den neuen Bundesländern. Daher appelliere er ausdrücklich an den Bundesgesetzgeber, das Flurbereinigungsgesetz nicht zu ändern, sondern die bestehende Sonderverwaltung beizubehalten. Nur mit dieser Sonderverwaltungsstruktur könne ein einheitliches Verwaltungsverfahren auch dem Bürger gegenüber gewährleistet sein. Sollte die Sonderverwaltung durch den Gesetzgeber aufgelöst werden und das Verwaltungsmodell Nordrhein-Westfalen eingeführt werden, seien negative Einflüsse auch auf Gerichtsverfahren zu befürchten, da es zu einer Zunahme von Widersprüchen gegen Entscheidungen der Flurbereinigungsbehörden käme. Dies würde auch zu einem Imageverlust der Flurbereinigung insgesamt führen, was auch eine Zunahme von Problemen in entsprechenden Verfahren zur Folge hätte.
Das gleiche Problem bestehe beim sog. Umlegungsausschuss, der neutral und objektiv sei und nicht von der Verwaltung besetzt werde. Es gebe lediglich den Unterschied, dass die Flurbereinigungsverwaltung regelmäßig Planungskompetenzen für das Verfahren habe, der Umlegungsausschuss dagegen nicht. Insofern sei es unerlässlich, diese Flurbereinigungsverwaltung als Sonderverwaltung beizubehalten.
Der letzte Aspekt betreffe die §§ 20, 21 des Verwaltungsverfahrensgesetzes, die die sog. In-Sich-Geschäfte behandeln. Danach dürfe im Verwaltungsverfahren niemand tätig werden, der selbst Betroffener sein könnte. Dies könnte bei einer Verwaltung, so z. B. der Bezirksregierung, wie dies Nordrhein-Westfalen vorsehe, der Fall sein, die nämlich Aufsichtsbehörde über Kommunen und Landkreise sei und regelmäßig auch selber das Interesse habe, entsprechende Maßnahmen durchzusetzen. Gleichzeitig sei die Flurbereinigungsbehörde auch Aufsichtsbehörde über die Teilnehmergemeinschaft, so dass dies faktisch eine In-Sich-Aufsicht bedeuten würde. Daher insbesondere aus Sicht der neuen Bundesländer nochmals die Bitte, von der vorgesehenen Änderung des Flurbereinigungsgesetzes abzusehen, das sich seit 1953 bewährt habe. Das bisher bestehende Instrument sollte im Interesse der Entwicklung der ländlichen Räume insgesamt in der bisherigen Form beibehalten werden.
LMR Dr. Karl-Friedrich Thöne, Thüringen, führt dazu aus, dass die vorgesehene Änderung des Flurbereinigungsgesetzes sowohl aus rechtlichen, aber auch fachlichen und verwaltungsökonomischen Gründen für problematisch erachtet werde. Den rechtlichen Ausführungen von Prof. Dr. Ronellenfitsch könne er sich ebenfalls anschließen. Wichtig sei ihm nochmals der Hinweis auf den Objektivitäts- und Neutralitätsaspekt. Nach seiner Erfahrung auf Grund der Verfahren nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz, das eng an das Flurbereinigungsgesetz orientiert sei, seien die Eigentümer sehr sensibel gegenüber Ankündigungen, die den Eindruck mangelnder Neutralität erwecken. Auch wenn die vorgesehene Änderung nicht verfassungswidrig wäre, stelle sich immer noch die Frage, ob sie auch zweckmäßig sei. Die Stellungnahme der Bundesregierung habe klare Eingrenzungen für die Organisationshoheit der Länder vorgenommen. Die Nutzung des Gestaltungsspielraumes durch die Länder werde sich ebenso unterschiedlich gestalten wie der Verwaltungsaufbau in den Ländern selbst. Dadurch werde keine Rechtssicherheit geschaffen, sondern vielmehr werde einer Rechtsunsicherheit Vorschub geleistet. Es bestehe sogar die Gefahr, dass verfassungswidrigem Handeln Tür und Tor geöffnet werde, und dies bei einer Aufgabe, zu der der zu ändernde Paragraph an anderer Stelle aussage, dass die Länder dieses als besonders vordringliche Aufgabe zu betreiben haben.
Insgesamt würde hier eine eindeutige Regelung in eine Grauzone überführt, was angesichts des bestehenden Antragstaus für Flurbereinigungsverfahren in Thüringen absolut kontraproduktiv wäre. Diese rechtlichen Gründe habe er selbst in seiner achtjährigen Zeit als Referent und Referatsleiter für Flurbereinigung im BML vertreten. Heute gehe es insbesondere um verwaltungsökonomische und fachliche Gründe, weshalb er eine Organisationsänderung für nicht zweckmäßig halte. Er sei Praktiker und habe in Niedersachsen selbst fünf Jahre Flurbeeinigungsverfahren betrieben.
Nordrhein-Westfalen habe die Änderung mit einer Verwaltungsvereinfachung und Verschlankung des Staates auf einen zweistufigen Verwaltungsaufbau unterhalb der Ministeriumsebene begründet. Er sei vielmehr der Auffassung, dass diese Zielrichtung auch auf der Basis des geltenden Flurbereinigungsgesetzes realisierbar sei. Hier gebe es klare Ermächtigungen. So würden Bayern, Sachsen und Thüringen über einen zweistufigen Verwaltungsaufbau mit Ministerien und in Thüringen mit drei Sonderbehörden verfügen. Thüringen habe eine Deregulierung vorgenommen, d. h. alle Aufgaben seien von der unmittelbaren Landesverwaltung auf einen Verband als Körperschaft des Rechts übertragen worden. Außerdem habe man Privatisierung vorgenommen, und zwar in den Bereichen Eigentumsnachforschungen, Grunderwerbsplanungsaufgaben. Diese Organisationsstruktur, die die Verwaltung schlank halte, sei aber weiterhin eine Sonderbehörde für den Kern des hoheitlichen Handelns.
Im Übrigen sei diese Organisationsform vom Landesrechnungshof im Vergleich zu anderen Behörden und Strukturen als höchst effizient bezeichnet worden. Dies sei ein Beweis, wie man auch auf der Basis des bestehenden Flurbereinigungsgesetzes Verwaltungsdiät verordnen könne, ohne die eigentliche Aufgabe selbst in Frage zu stellen.
Was das Sachverstandsprinzip betreffe, so habe man in den neuen Bundesländern bei dem Verwaltungsaufbau festgestellt, zu welchen Problemen fehlender Sachverstand führen könne. Dieses sozusagen knappe Gut des Sachverstandes werde in Thüringen auf drei Behörden konzentriert, und zwar auf die Flurneuordnungsämter. Jede andere Organisationsform, so zum Beispiel die Ansiedlung bei Landkreisen oder Kommunen, würde diesen Bündelungseffekt zunichte machen und angesichts des gewaltigen Aufgabenvolumens zu einer Art Atomisierung führen. Durch die Bündelung der Behörden werde ein Effizienzgewinn erreicht. Sollten dagegen die Aufgaben bei einer Landesbehörde konzentriert werden, wäre dies schädlich und ineffizient, weil darunter die Bürgernähe und Präsenz vor Ort leiden würde.
Eine zunehmend wichtigere Aufgabe der Flurneuordnungsbehörden sei die Auflösung von Landnutzungskonflikten, und zwar zwischen Landwirtschaft, Naturschutz und Gemeinden mit Bebauungsabsichten. Hier komme es zu einer Gratwanderung zwischen den unterschiedlichen Seiten, auch zusätzlich infolge der Beschlüsse zur Agenda 2000 mit der Stärkung der Landwirtschaft auf der einen Seite und der Förderung des ländlichen Raumes auf der anderen Seite. Diese Situation gebe es bundesweit. Seine Erfahrung sei, dass die Vermittlerfunktion der Flurneuordnungsbehörden bei der Auflösung dieser Flächennutzungskonflikte nur akzeptiert werde, wenn eine absolut neutrale und objektive Stelle, nämlich eine als Sonderbehörde organisierte Flurbereinigungsbehörde diese Funktion übernehme. Sollten die Flurbereinigungsbehörden den Gemeinden, Landkreisen, dem Umweltschutz zugeordnet werden, könne man die Arbeit einstellen, da es dann keine Mittlerfunktion mehr gebe.

Erläutert wird jetzt eine große Karte, bei der es um eine Unternehmensflurbereinigung geht, auf der die A 4 sowie eine ICE-Trasse abgebildet sind. Es gebe dort mehrere Agrargenossenschaften, Wiedereinrichter, zum Teil auf besten Böden und in sehr guter Marktnähe. Auf Grund des Autobahnbaues stehe man unter einem erheblichen Zeitdruck. Es seien schwierigste Eigentumsfragen zu klären in einem Realteilungsgebiet. Es gehe hierbei um Entschädigungsfragen zwischen Unternehmensträger und landwirtschaftlichem Betrieb, Flächenentzug, überpflügte Wege, Wege auf fremdem Grund und Boden. Weiterhin gebe es unterschiedlichste Nutzungsinteressen, so eine Gemeinde mit Gewerbe- und Baulandabsichten, die gegen die Interessen der Landwirtschaft gerichtet seien. Die Unternehmensträger gerieten in Konflikt zur Gemeinde, zum Teil mit der Landwirtschaft bei schwierigen Entschädigungsproblemen. Auch gebe es Nutzungskonkurrenzen zwischen den landwirtschaftlichen Betrieben und schließlich Eigentümerinteressen, die gegen die Landwirtschaft gerichtet seien, da die Eigentümer auf Grund der Nähe zu Erfurt an der Veräußerung des Eigentums sehr interessiert seien.
Daher zum Schluss die Frage, wer denn sonst als eine neutrale, objektive, sachverständige Sonderbehörde mit eigenständiger Regelungskompetenz, wenn nicht die Flurbereinigungsbehörde zu einer Lösung in der Lage sein solle. Andere Behörden könnten dieser vielfältigen Aufgabenstellung nicht gerecht werden. Gerade die Bündelung bei einer Sonderbehörde sei der Garant für die notwendige Aufgabenerledigung und schaffe noch zusätzlich einen entsprechenden Effizienzgewinn für eine notwendige Beschleunigung sowie die erforderliche Objektivität im Sinne der Eigentümerinteressen.

Der Vorsitzende nimmt Bezug auf den Hinweis, dass die vorgesehene Änderung des Flurbereinigungsgesetzes es den Ländern überlasse, ob sie von den Möglichkeiten zur Änderung der Verwaltungsorganisation Gebrauch machen oder nicht, was auch Auswirkungen auf die jeweilige Agrarpolitik haben werde. Er habe daher die Frage an den DBV, ob infolgedessen nicht mit noch größeren Unterschieden in der Agrarpolitik zwischen den Ländern gerechnet werden müsse, was auch für den Stellenwert der Agrarpolitik in den einzelnen Ländern Bedeutung haben werde.
Weiterhin bittet er MD Stähler (NRW), um Erläuterung der Aussage, wonach die Gefahr bestehe, dass anstehende Fragen aus dem Bereich der Fachkompetenz entschieden werden. Er sei bisher immer der Meinung gewesen, dass Entscheidungen aus der Fachkompetenz bessere Entscheidungen seien.
Weiterhin bittet er Prof. Dr. Ronellenfitsch um Präzisierung der Begriffe ?neutrale Funktion, objektive Behörde, unabhängige Behörde?. Gerade bei Eigentumsfragen gehe es ja darum, dass die zuständige Behörde unabhängig von der jeweiligen Landesregierung entscheide.

Abg. Ulrich Heinrich bezeichnet den Hinweis, dass eine Abschaffung der Sonderverwaltung im Bereich der Flurbereinigung auch eine Abschaffung der entsprechenden Sondergerichte zur Folge haben müsse, als das entscheidende Argument gegen die vorgesehene Gesetzesänderung, da es hier um die Frage der Rechtssicherheit gehe. Gleichwohl habe er an Prof. Dr. Ronellenfitsch die Frage, ob auch nach einer Abschaffung der entsprechenden Sondergerichte eine kompetente Rechtsprechung in diesen sensiblen Eigentumsfragen sichergestellt wäre.

Abg. Kersten Naumann erklärt, dass die Frage der Unabhängigkeit der entscheidenden Behörde für sie ebenso eine große Bedeutung habe. Im Übrigen treffe der Aufgabenrückgang bei den Flurbereinigungsbehörden möglicherweise auf die alten Bundesländer zu, nicht aber auf die neuen Bundesländer, wie dies auch die Vertreter von Brandenburg und Thüringen deutlich gemacht hätten. Daher sei für sie insgesamt die Frage noch offen, was die Gründe für die vorgesehene Gesetzesänderung seien und bittet daher den Vertreter Nordrhein-Westfalens um eine entsprechende Stellungnahme. Auch sei zu klären, mit welchem Beschäftigungsrückgang in der Verwaltung infolge der Gesetzesänderung zu rechnen wäre.

Abg. Ulrike Höfken bittet die Sachverständigen, auch noch einmal auf die schriftlich formulierten Fragen (Anlage) einzugehen. Was die durchaus berechtigte Frage nach der notwendigen Unabhängigkeit der entscheidenden Behörde betreffe, so habe diese Frage natürlich auch schon bisher gegolten.
An Herrn von Dallwitz, Arbeitsgemeinschaft der Grundbesitzerverbände, habe sie die Frage, welche konkreten Vorschläge er habe, um die Einrichtung entsprechender unabhängiger Behörden durch die Länder sicher zu stellen.

Dr. Wolfgang Krüger, DBV, bestätigt, dass die vorgesehene Regelung eine Öffnungsklausel beinhalte, wonach die Länder also nicht zur Verwaltungsänderung verpflichtet seien. Allerdings habe die Anhörung bisher deutlich gemacht, dass bei einer entsprechenden Regelung nicht sichergestellt sei, in welcher Form das materielle Recht von den jeweiligen Länderverwaltungen umgesetzt werde. In diesem Zusammenhang sei an den Auftrag des Flurbereinigungsgesetzes zu erinnern, für eine Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft zu sorgen, was insbesondere auch die Fragen der Agrarstruktur betreffe.
Der DBV befürchte daher, dass infolge der Öffnungsklausel die Unterschiede in den einzelnen Bundesländern zunehmen und insgesamt die Agrarverwaltung geschwächt werde. Dies sei ein weiterer Versuch, das agrarische Bodenrecht zu schwächen, wie man dies auch bisher, allerdings erfolglos, beim Grundstückverkehrsgesetz versucht habe. Damit würden die Behörden der Agrarstrukturverwaltung durch die Länder zunehmend in Frage gestellt und auch die Belange der landwirtschaftlichen Betriebe, die unter scharfem Wettbewerbsdruck stehen würden, bei den sensiblen Fragen der Eigentumsneuordnung in den Hintergrund geraten. Daher spreche sich der DBV für eine Aufrechterhaltung der bestehenden Sonderverwaltung aus.
Sollte der Aufgabenbedarf der Flurbereinigungsbehörden auch in den alten Bundesländern abnehmen, könne man durchaus im Rahmen der bestehenden Regelung flexibel darauf reagieren. Im Übrigen stehe auch in vielen Ländern die sog. Zweitbereinigung an, weshalb insofern nicht von einem Aufgabenrückgang gesprochen werden könne. So sei z. B. auch eine Zusammenfassung von entsprechenden Sonderverwaltungen denkbar, um zu Einspareffekten zu kommen.

MD Franz-Gerd Stähler, NRW, räumt ein, dass er als Vertreter des Innenministeriums mehr die generelle Sicht bei diesen Fragen der Verwaltungsorganisation vertrete und sich bewusst etwas von den Aufgabenstellungen der einzelnen Sonderzweige der Verwaltung löse. So befasse man sich in Nordrhein-Westfalen insgesamt mit den Sonderverwaltungen, zu denen u. a. auch die Agrarsonderverwaltung gehöre, die auf Dauer in dieser Form nicht weiter bestehen könne. So habe Nordrhein-Westfalen vor sieben Jahren durch das Unternehmen Kienbaum ein Gutachten erstellen lassen. Damals habe die Agrarordnungsverwaltung in Nordrhein-Westfalen insgesamt über ca. 1.000 Beschäftigte verfügt. Die Prognose lautete, dass es in wenigen Jahren nur noch 300 Beschäftigte sein werden, wenn man nur die klassische Sonderverwaltung im Bereich der Flurbereinigung betrachte. Hier handele es sich nicht um die Planung eines Arbeitsplatzrückganges, sondern vielmehr um eine Folge der Entwicklungen in den entsprechenden Strukturen, was jedenfalls die Situation in den alten Bundesländern betreffe. So habe es z. B. in Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren überhaupt kein klassisches Flurbereinigungsverfahren mehr gegeben.

Auf Nachfrage des Vorsitzenden bestätigt er, dass die dargestellte Situation nicht nur Nordrhein-Westfalen, sondern alle alten Bundesländer betreffe.
So sehe man aus Sicht des Landes eine Entwicklung der Agrarordnungsverwaltung in Richtung Naturschutzverwaltung, wobei man die Bezüge zu anderen Verwaltungen auch berücksichtigen wolle. Daher müsse bei anstehenden Entscheidungen eine Abwägung zwischen den unterschiedlichen Aspekten erfolgen und vermieden werden, dass die Entscheidung nur aus der Sicht eines Fachbereiches getroffen werde. Dieses sei der Grund seiner Aussage, dass die Entscheidung nicht aus der Fachkompetenz erfolgen dürfe.
Für die vorgetragenen Bedenken habe er ein gewisses Verständnis, könne sie allerdings nicht teilen, da es an den materiellen Vorschriften keinerlei Änderung geben werde. Auch könne niemand behaupten, dass eine Bezirksregierung in einem Flächenland nicht willens oder in der Lage sei, die rechtlichen Vorschriften angemessen zu berücksichtigen. Dies sollte nicht in Frage gestellt werden. Im Übrigen sei vorgesehen, dass die unteren Flurbereinigungsbehörden als Außenstellen in der Fläche erhalten bleiben, um den Bezug zur Örtlichkeit nicht aufzugeben. Gleichwohl hätten diese Fragen in einem Flächenland wie Nordrhein-Westfalen eine andere Dimension wie in anderen Bundesländern.
Daher die Bitte des Landes, die Möglichkeit zu erhalten, die Fragen der Organisation in eigener Verantwortung zu entscheiden. Kein Land sei gezwungen, dem Modell Nordrhein-Westfalens zu folgen.

Prof. Dr. Ronellenfitsch stellt unter Hinweis auf die vorgesehene Öffnungsklausel die Frage, wieso den Ländern überhaupt die Organisationskompetenz einerseits entzogen, auf der anderen Seite partiell wieder übertragen werde. Dies sei vor dem Hintergrund der Bund-Länder-Konstellation problematisch. Der Bundesgesetzgeber habe die Legitimation, auch eine Regelung über die Bundesorganisation zu treffen, sofern das Gesetz nicht auf andere Weise effizient und grundrechtswahrend ausgelegt werden könne. Dieser Argumentationslast werde der Bund nicht gerecht, wenn er erkläre, er benötige seine Kompetenz nicht, denn die Länder könnten die Regelungen selber treffen.
Im Übrigen sei richtig, dass eine Gefahr der Fachkompetenz bestehe, da jede Fachbehörde dazu neige, aus der eigenen Sicht Projekte zu realisieren und durchzusetzen. Dies führe über zu den Begriffen Neutralität, Objektivität und Unabhängigkeit. Er gehe davon aus, dass eine Bezirksregierung, die an Recht und Gesetz gebunden sei, objektiv und korrekt handele.
Gleichwohl sei es eine Tatsache, dass eine Behörde aus einer gewissen Blickrichtung argumentiere. So sei von einer Straßenbehörde immer zu fragen, ob die Straße planungsrechtlich vernünftigerweise geboten sei oder nicht. Diese Prüfung erfolge aus dem Blickwinkel des Straßenhorizontes. Wenn man sie für geboten erachte, benötige man zur Durchsetzung dieses Projektes Grundstücke. Die Flurbereinigung regele die Raumbeanspruchung. Nicht neutral sei derjenige, der selbst Raum beanspruche für die eigene Verwaltungstätigkeit. Die Flurbereinigungsbehörde führe hier einen Ausgleich durch.
Auch sei richtig, dass es in den vergangenen Jahren in Nordrhein-Westfalen keine Regelflurbereinigung mehr gegeben habe. Bei anderen alten Bundesländern bezweifle er dies, so z. B. hinsichtlich der Rebflurbereinigung in Rheinland-Pfalz. Auch in Baden-Württemberg gebe es noch zahlreiche Regelflurbereinigungen. Zwar seien die kritischeren Flurbereinigungen die Unternehmensflurbereinigungen, bei denen es um die Realisierung von Projekten gehe, wie z. B. Straßenprojekte, Autobahnprojekte und dergleichen. Hierbei sei man bemüht, ohne größere Reibungsverluste zu einer Lösung zu kommen. Der größte Reibungsverlust trete dann ein, wenn eine Enteignung erforderlich werde. Dies könne man durch eine Unternehmerflurbereinigung umgehen, also ein eleganteres Verfahren. Aber zweifellos sei man weder neu-tral, noch objektiv, noch unabhängig, wenn man aus einem bestimmten Blickwinkel von der gleichen Behörde her die Flurbereinigung betreibe. Wenn, wie durch die Änderung vorgesehen, eine Bündelung der Verwaltungsstellen erfolge, seien die dann bestehenden behördeninternen Verbindungen ganz anderer Natur, als dies im Falle einer Sonderbehörde der Fall wäre.
Was die Einwände hinsichtlich des Verwaltungsverfahrensgesetzes betreffe, so sei genau der vorliegende Fall nicht geregelt. So sei man als Behörde ermächtigt, sich selbst Genehmigungen zu erteilen. Dies sei der gewissermaßen böse Schein, der durch das Verwaltungsverfahrensgesetz sogar sanktioniert werde mit der Begründung, dass ein Landratsamt ein eigenes Gebäude genehmigen können müsse, da dies ansonsten niemand machen könnte.
Bei der Flurbereinigung sei jedoch die Situation anders. Hier benötige man eine neutrale Behörde für den erforderlichen Interessenausgleich bei der Raumbeanspruchung von anderen staatlichen Instanzen.
Schließlich habe der Fragenkomplex auch noch eine europäische Dimension. So würden die landwirtschaftlichen Bereiche nicht an den territorialen Grenzen der Bundesrepublik enden. Hier gebe es im europäischen Verbund einen Regelungsbedarf, der ohne Sonderbehörden nicht zu bewältigen sei. Kommunale Behörden im Grenzbereich seien hierzu nicht in der Lage. Auch wenn die Flurbereinigung möglicherweise zur Zeit nicht die Bedeutung wie in der Vergangenheit habe, so könne diese Bedeutung gerade angesichts der Agenda 2000 künftig wieder erheblich zunehmen. Vor diesem Hintergrund die bewährten Strukturen der Flurbereinigung aufs Spiel zu setzen, halte er für problematisch.

Wolfgang von Dallwitz, Arbeitsgemeinschaft der Grundbesitzerverbände e. V., weist zur Frage nach der notwendigen Unabhängigkeit der Behörden darauf hin, dass es sich um ein privatnütziges Verfahren unter behördlicher Leitung handele. Die hierfür notwendige Unabhängigkeit garantiere die bisher bestehende Sonderbehörde. Sollten diese Bereiche in die allgemeine Verwaltung eingegliedert werden, befürchte man, dass die Unabhängigkeit nicht mehr gewahrt werde. Von Bedeutung werde hierbei sicherlich auch sein, zu welchem Verwaltungsbereich eine Zuordnung erfolge. Komme es zu einer Zuordnung zur Naturschutzbehörde, habe man Sorge, dass die agrarischen Belange auf Grund des nicht spannungsfreien Verhältnisses zum Umweltbereich nicht ausreichend Berücksichtigung finden.
Diese Bedenken könnten ggf. dann ausgeräumt werden, wenn die Gesichtspunkte, die die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates dargelegt habe, in geeigneter Weise in die Gesetzesänderung Eingang finden. Entscheidend sei hierbei die objektive und neutrale Wahrung der Eigentumsrechte der Teilnehmer sowie die Sicherstellung der Mitwirkungsrechte der Gesamtheit der beteiligten Grundeigentümer. Denkbar wäre sicherlich, wie bereits auch in der Anhörung vorgeschlagen, die teilweise Zusammenfassung von einzelnen Sonderbehörden, um auf diese Weise Verwaltungskosten einzusparen.
LMR Dr. Karl-Friedrich Thöne, Thüringen, widerspricht der Auffassung von MD Stähler, NRW, dass die Bedeutung der Flurbereinigung abgenommen habe. So seien selbst in Nordrhein-Westfalen wieder Verfahren zur Regelflurbereinigung eingeleitet worden. Auch seien Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Bayern und Baden-Württemberg weiterhin Hochburgen der Flurbereinigung. Insofern gebe es keinen Bedeutungsverlust der Flurbereinigung. Dieser Tatsache sei auch Rechnung getragen worden durch die Leitlinien zur Landentwicklung, die im letzten Jahr durch die Agrarministerkonferenz gebilligt worden seien, wobei man ein neues Aufgabenspektrum der Flurbereinigung definiert habe, gerade auch in Blickrichtung Agenda 2000 und entsprechend neuer Rahmenbedingungen. Insofern könne von einem Bedeutungsverlust der Flurbereinigung auch in den alten Bundesländern keinerlei Rede sein.

Vermessungsdirektor Karl-Ludwig Völkel, Brandenburg, weist darauf hin, dass er selber aus der Flurbereinigung Nordrhein-Westfalen stamme. Auch habe er an den erwähnten Gutachten des Unternehmens Kienbaum mitgewirkt. So sei die Situation in Nordrhein-Westfalen derzeit so, dass Flurbereinigungsverfahren nach wie vor erforderlich seien, eine Bearbeitung allerdings nur sehr schleppend erfolge, da es an den erforderlich Beschäftigen mangele.

Abg. Heinrich-Wilhelm Ronsöhr stellt die Frage, wie viel Zeit noch der Abschluss der Flurbereinigungsverfahren in Nordrhein-Westfalen erfordere und wie viele Flurbeeinigungsverfahren in den letzten Jahren eingeleitet worden seien. So gebe es in Niedersachsen in letzter Zeit zunehmend Flurbereinigungsverfahren auf Grund von ICE-Trassen und Autobahnprojekten, zumal Niedersachsen in die Gestaltung der inneren Einheit Deutschlands einbezogen sei. Er bittet daher MD Stähler um Erläuterungen dazu, dass es neuere Entwicklungstendenzen im Bereich der Flurbereinigung gebe.
Auch sehe er einen gewissen Widerspruch darin, dass bei den Behörden künftig eine Bündelungsfunktion vorgesehen sei, andererseits aber auch von einer Wahrung der notwendigen Unabhängigkeit in der Bezirksregierung ausgegangen werde.
Schließlich bittet er die Sachverständigen um Vorschläge dazu, inwieweit die notwendige Unabhängigkeit der Behörden zur Interessenwahrnehmung der betroffenen Grundeigentümer durch entsprechende Korrekturen im Gesetzentwurf sichergestellt werden könne, wie dies auch die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme inhaltlich ausgedrückt habe. Schließlich seien in diesem Zusammenhang die Kosten der Agrarstrukturverwaltung von Interesse, wobei die Situation möglicherweise in Niedersachsen am kostengünstigsten sei, und mit welchen Einsparungen Nordrhein-Westfalen im Zuge der Gesetzesänderung rechne.

Abg. Marianne Klappert stellt an MD Stähler die Frage, ob den in ihrer Stellungnahme geäußerten Bedenken der Bundesregierung mit dem zweiten Modernisierungsgesetz von Nordrhein-Westfalen vollständig Rechnung getragen werden könne.

RA Dr. Wolfgang Krüger, DBV, erklärt, dass das geltende Flurbereinigungsgesetz materiellrechtlich in Verbindung mit der bisherigen Organisationsform die notwendige Unabhängigkeit sichergestellt habe. Insofern gehe es jetzt nicht darum, auf materiellrechtlichem Wege weitere Verbesserungen zu erreichen, sondern vielmehr darum, sicherzustellen, dass das bestehende, ausreichende materiellrechtliche Regelwerk durch eine Verwaltungsorganisation umgesetzt werde, die keinerlei Eigeninteresse habe. Sobald Verwaltungsbereiche mit Eigeninteressen mitwirkten, schaffe dies nicht das notwendige Vertrauen bei den Grundeigentümern. So habe es die bisherige Sonderverwaltung auch verstanden, die naturschutzrechtlichen und strukturellen Belange auch unter dem Blickwinkel einer möglichen Beeinträchtigung der Agrarstrukturen sachgerecht zu berücksichtigen. Daher trete der DBV dafür ein, die bisherige Regelung beizubehalten. Auch habe die Anhörung gezeigt, dass es eine Fehleinschätzung sei, allgemein von einer abnehmenden Bedeutung der Flurbereinigung zu sprechen.

MD Franz-Gerd Stähler, NRW, erklärt, dass er zur Zeit nicht über Zahlen zu früheren oder laufenden Flurbereinigungsverfahren verfüge. Nicht übersehen werden sollte, dass die Gesetzesinitiative von der Landesregierung ergriffen, also auch von der Agrar- und Umweltministerin unterstützt worden sei. Zu den rein fachlichen Fragen könne er keine Antwort geben. Allerdings wolle er deutlich machen, dass sich die Zahl der unterschiedlichen Verfahren der Flurbeeinigung auch unterschiedlich nach oben oder unten entwickelt oder auch geändert hätten. Insgesamt sei jedoch festzuhalten, dass in Nordrhein-Westfalen die entsprechenden Verfahren in bestimmten Zeiträumen rückläufig seien.
Dies habe er mit dem Hinweis auf neue Entwicklungstendenzen deutlich machen wollen, und bedeute auch, dass sich die Flurbereinigungsverwaltung in Nordrhein-Westfalen dem Naturschutz verstärkt geöffnet habe. Diese Ämter würden eine ganze Reihe von EG-finanzierten Naturschutzprogrammen verwalten, was auch mit entsprechenden Grundstücksfragen verbunden sei. Auch sei dies ein Hauptgrund der Gesetzesinitiative, weil man der Auffassung sei, dass dieser Entwicklung Rechnung getragen werden müsse, da sie im Kern keine Flurbereinigungsaufgabe darstelle.

Hinsichtlich der von der Bundesregierung geäußerten Bedenken in ihrer Stellungnahme könne von Nordrhein-Westfalen festgestellt werden, dass die notwendige Objektivität der erforderlichen Verfahren infolge der Gesetzesänderung keine Beeinträchtigung erfahre. Auch habe es bei dem in gewisser Weise mit dem Flurbereinigungsverfahren vergleichbaren Enteignungsverfahren in der Bündelungsbehörde bisher keinerlei Probleme hinsichtlich des notwendigen Interessenausgleiches gegeben. Im Übrigen habe Nordrhein-Westfalen auch keinerlei Interesse daran, im Zuge der Gesetzesänderung in gerichtliche Auseinandersetzungen wegen möglicher nicht rechtmäßiger Verhaltensweisen gezogen zu werden. Insofern sehe Nordrhein-Westfalen keinerlei Schwierigkeiten, den von der Bundesregierung vorgetragenen Bedenken Rechnung zu tragen.
Hinsichtlich der vorgesehenen Bündelungsfunktion sei zu differenzieren. Bündelung bedeute, dass man in einer bestimmten Region versuchen wolle, gegenläufige Interessen im Konsens einer Lösung zuzuführen. Dies sei im Flurbereinigungsverfahren zwar grundsätzlich, aber nicht im Detail möglich, da hier die Eigentumsgarantie mit hineinspiele. Deshalb sehe der Gesetzentwurf vor, dass eine gesonderte Abteilung geschaffen werde, die Flurbereinigungsverfahren eigenständig behandele. Hier solle keine innerbehördliche Weisung möglich sein. Dass gleichwohl die Fachaufsicht des Landwirtschafts- und Umweltministeriums nach wie vor wie bisher gewahrt bleibe, sei selbstverständlich.

Auf Frage des Abg. Heinrich-Wilhelm Ronsöhr erklärt MD Stähler, dass die Fachaufsicht über die Bezirksregierung von denjenigen Ressorts wahrgenommen werde, die in der Bündelungsbehörde fachlich vertreten seien, so z. B. das Umweltministerium, das Gesundheitsministerium, das Innenministerium. Diese Ressorts würden auch die Dienstaufsicht in personeller Hinsicht wahrnehmen, soweit es sich um Fachpersonal handele. Auch daran werde sich nichts Entscheidendes ändern.

Der Vorsitzende stellt die Frage, ob für Nordrhein-Westfalen neben der offiziellen Begründung der vorgesehenen Änderung des Flurbereinigungsgesetzes auch die dort erfolgende Entwicklung der Agrarordnungsverwaltung hin zur Naturschutzverwaltung ein weiterer Grund für die Gesetzesnovelle sei.

MD Franz-Gerd Stähler, NRW, antwortet darauf, dass man das anstehende Problem nicht auf die Agrarordnungsverwaltung beschränken dürfe. So sei u. a. vorgesehen, ebenso wie die Agrarordnungsverwaltung auch die Bergverwaltung sowie die Versorgungsverwaltung einer entsprechenden Änderung zu unterziehen. Insofern sei dies insgesamt als ein Versuch zu werten, Sonderentwicklungen in der Verwaltung, in deren Fortdauer man aus Landessicht letztlich keinen Sinn mehr sehe, in eine größere Einheit einzubeziehen. Hierüber bestehe auch Konsens mit den übrigen Fachministerien, diese Bereiche neu zu ordnen. Wie die Umsetzung im Einzelnen erfolgen werde, sei jetzt noch nicht absehbar. So werde man in den ersten Jahren überwiegend damit beschäftigt sein, diese Sonderverwaltungen in die Mittelinstanz einzubauen.

Der Vorsitzende erweitert seine Frage dahingehend, ob es neben den angegebenen verwaltungstechnischen Gründen (Verwaltungsvereinfachung, Synergieeffekte) auch vor dem Hintergrund der Konstellation der Ministerien und der Agrarpolitik in Nordrhein-Westfalen politische Gründe für die Novelle gebe.

MD Franz-Gerd Stähler, NRW, erklärt, dass ihm dazu nichts bekannt sei.

Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch, Juristische Fakultät der Universität Tübingen, antwortet auf die Frage nach den Flurbereinigungsgerichten, dass die bestehenden Verwaltungs- und Zivilgerichte ausreichen würden, eine effektive Rechtskontrolle in Fragen der Flurbereinigung durchzuführen, auch wenn es keine Flurbereinigungssenate und entsprechende Sondergerichte mehr gebe. Allerdings sei es bemerkenswert, dass bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit das sog. Laienprinzip gelte, also beisitzende Richter dem Gericht angehörten, während nur bei den Flurbereinigungsgerichten Sachverständige der Spruchkammer angehörten, da man die Flurbereinigung als Sondermaterie betrachte. Dies sei der einzige Bereich in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, wo diesem Gesichtspunkt Rechnung getragen werde. Diese Sachverständigen seien Angehörige des höheren Flurbereinigungsdienstes, die neben den Berufsrichtern dem Gericht angehörten. Dies könne jederzeit geändert werden und sei auch kein Verstoß gegen den effektiven Rechtsschutz.
Wenn jedoch die Flurbereinigungsverwaltung abgeschafft werde, sei eine logische Konsequenz auch die Abschaffung der Flurbereinigungskammern bei den Verwaltungsgerichten, da diese ansonsten nicht mehr entsprechend besetzt werden könnten.
Diese Sonderregelung im Bereich der Flurbereinigung bis hin in die Gerichtsbarkeit verdeutliche die Notwendigkeit der entsprechenden Neutralität für den Interessenausgleich in Fragen der Raumbeanspruchung vor der Schwelle der Enteignung. Die Flurbereinigung sei viel zu wichtig, um sie zum Spielball zeitgebundener Diskussionen zu machen.
Wenn jetzt ein möglicher Kompromiss gesucht werde, sehe er diesen nicht darin, die von der Bundesregierung in ihrer Stellungnahme formulierten Vorgaben in den Gesetzestext aufzunehmen, da dies eine Selbstverständlichkeit sei, zu der die Länder bereits nach dem materiellen Flurbereinigungsrecht verpflichtet seien. Entscheidende Frage sei, wie die Länder dies sicherstellten und ob der Bund den Ländern vertraue, dies dem materiellen Recht entsprechend umzusetzen. Wenn der Bund dies Vertrauen nicht habe, so wie in der Vergangenheit, dann müsse der Bundesgesetzgeber erklären, dass die Flurbereinigung einen besonderen Regelungsbereich darstelle, der dementsprechend eine Sonderverwaltung in Distanz, Unabhängigkeit und Neutralität erfordere. Dies sei allerdings das geltende Recht.

Wolfgang von Dallwitz, Arbeitsgemeinschaft der Grundbesitzerverbände e. V., appelliert an den Gesetzgeber, im Gesetz sicherzustellen, dass die Unabhängigkeit der entscheidenden Behörden gewahrt bleibe. Andernfalls habe er Bedenken, dass angesichts der Entwicklung in der Agarordnungsverwaltung in Richtung Naturschutzverwaltung in Nordrhein-Westfalen ein so vielschichtiges Verfahren wie das Flurbereinigungsverfahren in der notwendigen Unabhängigkeit durchgeführt werde. Von einem Privateigentümer land- und forstwirtschaftlicher Flächen könne man nicht erwarten, dass er das Vertrauen habe, dass auch von Naturschutzbehörden die ökonomischen Interessen der Grundeigentümer ausreichend berücksichtigt werden.

Vermessungsdirektor Karl-Ludwig Völkel, Brandenburg, stimmt den Ausführungen von Prof. Dr. Ronellenfitsch zu, dass sich das bisherige Flurbereinigungsgesetz, wie auch die Vorgängergesetze bewährt haben, die alle mit einer Sonderverwaltung durchgesetzt worden seien. So werden im bestehenden Flurbereinigungsverfahren Landnutzungskonflikte erfolgreich gelöst und die verschiedenen Interessen am Raum ausgeglichen. Diese Arbeit könne allerdings nur eine Sonderverwaltung leisten, die selbst kein eigenes Interesse an Flächen habe und an der Durchsetzung eigener Planungen. Dies gebiete in der Mittelinstanz, insbesondere aber in der unteren Instanz eine Sonderverwaltung. Ein Vergleich mit der Bergverwaltung und der Versorgungsverwaltung sei nicht gerechtfertigt, weil es hier um Eigentumsrechte Dritter gehe, die einen besonderen Schutz genießen.
Im Übrigen sei bemerkenswert, dass die Finanzverwaltung als Sonderverwaltung auch nicht in Frage gestellt werde, die auch mit ganz bestimmten Rechten Dritter zu tun habe, vergleichbar der Flurbereinigungsverwaltung. Daher sollte das Flurbereinigungsgesetz mit seiner Sonderverwaltung erhalten bleiben.

Der Vorsitzende stellt die Frage, wie die entsprechenden Abstimmungen über den Gesetzentwurf im Agrarausschuss sowie im Umweltausschuss des Bundesrates erfolgt seien und ob sich die Vertreter der hier anwesenden Bundesländer dort ebenso eingelassen hätten wie in dieser Anhörung.

Abg. Matthias Weisheit knüpft daran die Frage, ob nach den Ausführungen der Vertreter von Brandenburg und Thüringen damit gerechnet werden müsse, dass nach einem entsprechenden Beschluss des Bundestages der Gesetzentwurf vom Bundesrat abgelehnt werde.

Abg. Ulrike Höfken weist hierzu darauf hin, dass jedenfalls im Innenausschuss des Bundesrates das Land Thüringen gegen den Gesetzentwurf gestimmt habe.

Vermessungsdirektor Karl-Ludwig Völkel, Brandenburg, antwortet, dass Brandenburg im Agrarausschuss des Bundesrates gegen den Gesetzentwurf gestimmt habe.

MR Arwed Blomeyer, LV Sachsen-Anhalt, ergänzt dazu, dass der Agrarausschuss des Bundesrates anders über den Gesetzentwurf abgestimmt habe als das Plenum. Dies zeige, dass es auf der fachlichen Ebene wie auch im Innenausschuss, Umweltausschuss und Agrarausschuss des Bundesrates unterschiedliche Voten gegeben habe.

Der Vorsitzende erklärt, dass dies seine Einschätzung bestätige, dass hierbei unterschiedliche Zielsetzungen in den einzelnen Politikbereichen eine Rolle gespielt hätten. So sei es für den Agrarausschuss bemerkenswert, dass der Umweltausschuss im Bundesrat anders votiert habe als der dortige Agrarausschuss.
Was die Stimmungslage im Bundestag betreffe, so werde die heutige Anhörung hierfür sicherlich von besonderer Bedeutung sein, da sie entgegen üblicher Anhörungen eine eindeutige Richtung vorgebe.

Vermessungsdirektor Karl-Ludwig Völkel, Brandenburg, bestätigt nochmals, dass aus Sicht des Landwirtschaftsministeriums die vorgesehene Gesetzesänderung nicht befürwortet werde.

LMR Dr. Karl-Friedrich Thöne, Thüringen, weist darauf hin, dass Thüringen im Innenausschuss, im Agrarausschuss wie auch im Umweltausschuss des Bundesrates gegen den Gesetzentwurf gestimmt habe.
Was die Zahl der Flurbereinigungsverfahren betreffe, so gebe es in Thüringen ca. 5.000 Verfahren auf rund 4 Mio Hektar. Damit habe es dort noch nie so viele Verfahren seit dem Zweiten Weltkrieg wie heute gegeben. Hierzu habe nicht allein die Entwicklung in den neuen Bundesländern beigetragen, sondern auch ein Trend in den alten Bundesländer, der 1994 mit einer Gesetzesänderung des Flurbereinigungsgesetzes eingeleitet worden sei. Danach sei das vereinfachte Verfahren nach § 86 zur Auflösung von Flächennutzungskonflikten geöffnet und damit auch der Trend zu vereinfachten und schnellen Verfahren eingeleitet worden.
Was die Kostensituation betreffe, so sei Thüringen nach einem Vergleich des Landesrechnungshofes mit anderen Behördenstrukturen als effizienteste Verwaltung eingestuft worden. Da auch Niedersachsen die Verfahren auf der Basis des geltenden Gesetzes durchführe, sei die Verwaltung dort ebenfalls sehr kostengünstig und entsprechend anerkannt.

Abg. Ulrike Höfken weist auf die Schwierigkeiten hin, dass die hier anstehende Reform im Bereich der Flurbereinigung Teil einer Gesamtverwaltungsreform sei, die vom Ausschuss nicht abschließend beurteilt werden könne. Ungeachtet dessen sei der Ausschuss hier von seiner fachlichen Seite her gefragt. Weiterhin erklärt sie, dass sie die Ausführungen von Prof. Dr. Ronellenfitsch zu den verfassungsrechtlichen Aspekten der Novelle so verstanden habe, dass sich als Anforderungen aus dem Grundrechtsschutz für die Ausgestaltung der Behörden- und Verfahrensstruktur die Begriffe Unabhängigkeit, Distanz und Neutralität ergeben würden. Daher stelle sich die Frage, welchen Spielraum die Länder hierbei noch hätten. Ihrer Auffassung nach gebe es dann nur die Alternative der bestehenden oder einer leicht modifizierten Regelung, was bei dem Gesetzentwurf auch zu berücksichtigen wäre.

Abg. Ulrich Heinrich erklärt, dass er ähnlich wie der Vorsitzende auch die politische Komponente der Gesetzesinitiative sehe, die formal technisch begründet werde. Dies zeigten die unterschiedlichen politischen Bewertungen in den Ausschüssen des Bundesrates, was auch bei dem weiteren Gesetzgebungsverfahren im Bundestag beachtet werden sollte.

Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch, Juristische Fakultät der Universität Tübingen, antwortet, dass Abg. Ulrike Höfken das Problem insofern auf den Punkt gebracht habe, als die Länder faktisch aus verfassungsrechtlichen Gründen gezwungen seien, die Flurbereinigungsverwaltung in der bestehenden Form beizubehalten. Dann bliebe lediglich eine deklaratorische klarstellende Regelung im Flurbereinigungsgesetz, sozusagen als ein Wink an die Länder, die hinsichtlich der Organisationsgestaltung gleichwohl noch über einen gewissen Spielraum verfügten.
Gleichwohl stelle sich die Frage, ob der Bundesgesetzgeber nicht gehalten sei, dafür Sorge zu tragen, dass die verfassungsrechtlichen Anforderungen, die sich aus dem sachlichen Inhalt eines Gesetzes ergeben, auch von den Ländern eingehalten werden. So gehe es darum, dass eine Regelung sowohl inhaltlich als auch verfahrensrechtlich und organisatorisch komplett sei. Die Alternative wäre, dass der Bund den Ländern vertraue. Sollte die Umsetzung durch die Länder nicht korrekt erfolgen, könne der Bund mit der Verfassungsaufsicht eingreifen.
Hierzu sei festzustellen, dass die Verfassungsaufsicht des Bundes seit dem Bestehen der Bundesrepublik Deutschland noch nie sehr wirksam gewesen sei. Faktisch sei die Verfassungsaufsicht vom Bundesverfassungsgericht wahrgenommen worden, das dann entsprechende landesrechtliche Regelungen kassiert habe.
Wenn der Bundesgesetzgeber allerdings überblicke, dass er auch organisatorische Regelungen treffen müsse, um Unabhängigkeit, Distanz und Neutralität zu gewährleisten, dann gehöre eine Festlegung auf die Beibehaltung der Sonderverwaltung im Bereich der Flurbereinigung zu dem Aufgabenbereich des Bundesgesetzgebers.
Zwar wäre die vorgesehene Änderung nicht per se verfassungswidrig, wie er dies am Anfang bereits ausgeführt habe, aber gleichwohl gehöre es zum guten Stil eines Bundesgesetzgebers, eine komplette, effektive und grundrechtskonforme Regelung zu treffen, anstatt alle Bereiche auf die Länder zu übertragen.

Abg. Ulrike Höfken stellt die Frage, ob eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht nicht auszuschließen wäre, falls ein Land z. B. eine Zuordnung der bisherigen Flurbereinigungsbehörden zu den dortigen Naturschutzbehörden vorsehe.

Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch, Juristische Fakultät der Universität Tübingen, bestätigt, dass in diesem Falle eine Klage vor dem BVerfG nicht auszuschließen wäre. Wie diese Klage ausgehen würde, wäre natürlich offen und hinge auch von der Art der Zuordnung der Behörden ab. So könnte man z. B. die Flurbereinigungsbehörden weitgehend weisungsunabhängig von dem jeweiligen Landesministerium stellen, jedenfalls in der fachlichen Aufsicht. Auch wäre eine organisatorische Trennung vom Umweltministerium in der Weise möglich, dass die Flurbereinigungsbehörde ebenso agieren könnte wie bisher. Insofern sei es den Ländern möglich, dies verfassungskonform zu gestalten. Gleichwohl stelle sich die Grundsatzfrage, ob der Bundesgesetzgeber das Risiko eingehen sollte, diese Entscheidungen den Ländern zu überlassen mit der Gefahr, dass es zu zahlreichen gerichtlichen Auseinandersetzungen komme.
Zu betonen sei nochmals, dass die Flurbereinigung eine spezifische Aufgabe darstelle, die die Privatnützigkeit gewährleisten solle. Werde dieser Bereich einem bestimmten Ministerium zugeordnet, wecke dies dort Begehrlichkeiten. Wenn es dann um Eigentumsfragen gehe, würden die Gerichte sehr sensibel reagieren. Entsprechende Entwicklungen sollte der Bundesgesetzgeber im Vorgriff vermeiden durch entsprechende organisatorische Regelungen, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügten.

Als Berichterstatter wird abschließend Abg. Ulrich Heinrich benannt.


Der Vorsitzende dankt den Sachverständigen und schließt die Sitzung um 13.00 Uhr.
Quelle: http://www.bundestag.de/ausschuesse/archiv14/a10/a10_sitz_39
Seitenanfang [TOP]
Druckversion Druckversion