"Globalisierung der Weltwirtschaft - Herausforderungen und Antworten"
Grußwort des Bundestagspräsidenten
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Die am 13. März 2000 konstituierte Enquete-Kommission "Globalisierung der Weltwirtschaft - Herausforderungen und Antworten" hat die Aufgabe, vorhandenes Wissen zu dem Thema Globalisierung der Weltwirtschaft auf- und konkrete Handlungsempfehlungen für Politik und Gesellschaft herauszuarbeiten, um Fehlentwicklungen möglichst zu vermeiden oder zumindest zu begrenzen.
Es steht außer Frage, dass die Globalisierung von Wirtschaft und Technik eine der großen Herausforderungen unserer Zeit ist - eine Herausforderung, die nicht nur die Chance für die Überwindung zahlreicher Krisen bietet, sondern der viele Menschen auch mit Zukunftsängsten begegnen. Der qualitative Sprung der digitalen Revolution einerseits und die offenkundig gewordene Verschiebung des Machtverhältnisses zwischen Kapital und Demokratie andererseits, das zunehmende Auseinanderfallen zwischen dem politischen Handlungsspielraum der Nationalstaaten und globalen Handels- und Finanzströmen setzen die Politik einem hohen Erwartungsdruck aus, den Gesellschaftswandel in der Globalisierung zu gestalten. Denn unter vielen Aspekten dieses Themas wird für die alten Industriestaaten Europas die Frage von Bedeutung sein, wie im globalen Wettbewerb bei fallenden Grenzen und freiem Handel die Ziele des Sozialstaats und die Grundlagen der Gesellschaft zu bewahren sind.
Es geht um nichts weniger als um Strategien der Politik, damit
die Globalisierung auf Deutschland und insbesondere auf die
Entwicklungsstaaten positive und nicht negative Auswirkungen hat -
um hier Ernst Ulrich von Weizsäcker zu zitieren. Vieles wird
sich ändern, aber eine "Globaphobie" können wir uns nicht
leisten - mit einer Antihaltung würden wir uns selbst ins
Abseits stellen. Zur positiven Gestaltung des Wandels werden wir
große Anstrengungen in Forschung und Entwicklung machen und
gleichzeitig jeder Tendenz widerstehen müssen, dass politische
Zielsetzungen wie soziale Gerechtigkeit, menschenwürdige
Arbeitsbedingungen und der Umweltschutz Gegenstand von Angebot und
Nachfrage werden.
Mitgestalten heißt das Schlüsselwort, auch und vor allem
im europäischen Rahmen, um Ziele zu erreichen, die nach einem
Zeitalter der Extreme auch Visionen von einer humaneren Weltordnung
einschließen.
Über die bereits genannten Aspekte des Themas hinaus wird sich die Enquete-Kommission mit überlebenswichtigen Fragestellungen befassen müssen, beispielsweise mit der Neuausrichtung des technischen Fortschritts zur Begegnung der mit wachsender Industrialisierung einhergehenden Zerstörung der Umwelt; aber ebenso - weil untrennbar damit verbunden - mit den Folgen der Verarmung von Kontinenten und Regionen. Eine mögliche Spaltung der Welt in ein Zweiklassensystem, in dem auf der einen Seite die reichen Eliten kooperieren und auf der anderen die ausgeschlossenen Völker in Spannungen und Kriege, Flucht und Vertreibung mündende nationalistische Energien freisetzen, ließe sich vielleicht schon bald nicht mehr lokal begrenzen - ganz abgesehen davon, dass ein Ignorieren dieser Entwicklung in Einer Welt moralisch nicht hinnehmbar wäre.
Auf diese und zahlreiche andere globale Fragen brauchen wir Antworten aus diesem Gremium; wir brauchen diese Antworten und Empfehlungen als Bausteine für ein Konzept, das uns hilft, als exportabhängiges Land in einer Zeit des weltwirtschaftlichen Umbruchs unseren Weg zu finden, damit wir unserer wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Verantwortung gerecht werden.
Der Enquete-Kommission gehören 13 Abgeordnete sowie deren Stellvertreter und 13 Sachverständige (Wissenschaftler und Praktiker) an. Entsprechend dem Anteil der Fraktionen am gesamten Bundestag gehören sechs Abgeordnete der SPD, vier Abgeordnete der CDU/CSU und jeweils ein Abgeordneter den Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, F.D.P. und PDS an.
Ich wünsche der Enquete-Kommission eine sachgerechte und erfolgreiche Arbeit.
Wolfgang Thierse
Präsident des Deutschen Bundestages