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Im Bundestag hat die Energiepolitik
Hochkonjunktur. Wie ist es um die Zukunft der Energie bestellt:
prima Klima oder dicke Luft?
Darüber führte BLICKPUNKT BUNDESTAG ein
Streitgespräch mit der stellvertretenden Vorsitzenden der
FDP-Fraktion, Birgit Homburger, und dem umweltpolitischen Sprecher
von Bündnis 90/Die Grünen, Winfried Hermann. Das
Gespräch führte Sönke Petersen.
Blickpunkt Bundestag: In Deutschland bleiben Wirtschaftslage und Arbeitsmarkt angespannt. Muss da der Klimaschutz zurückstehen?
Winfried Hermann: Wir befinden uns mitten im Klimawandel und laufen weltweit in die Klimakatastrophe. Deswegen darf es beim Klimaschutz keine Pause geben. Jedes Zögern ist hochgefährlich und kann uns teuer zu stehen kommen. Das wissen wir von den Hochwasserkatastrophen, Dürren und Stürmen. Natürlich muss man, wenn es wirtschaftlich schlecht geht, überlegen, wie man Umwelt- und Klimaschutz vernünftig gestaltet. Unsere Antwort heißt: Gerade durch die ökologische Modernisierung können Wachstumsimpulse und neue Arbeitsplätze entstehen. Ökonomie und Ökologie sind kein Widerspruch.
Birgit Homburger: Natürlich ist Klimaschutz nicht nur etwas für Schönwetterzeiten. Allerdings muss man ihn effizient organisieren. Wir Liberale sind für die Förderung erneuerbarer Energien. Wir wollen im Netz eine bestimmte Menge an regenerativer Energie haben, wobei es uns nicht so sehr darauf ankommt, ob dies Wasserkraft, Windkraft, Biomasse oder Photovoltaik ist. Wir möchten gern einen Markt zwischen den regenerativen Energieträgern kreieren, so dass wir durch Wettbewerb die Kosten senken und die Nutzung erneuerbarer Energien zu günstigen Preisen sicherstellen können. Wir wollen nicht, dass die Politik die Preise und die Technik vorgibt.
Blickpunkt: Verschlechtert eine ambitionierte Klimaschutzpolitik die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft?
Hermann: Das Gegenteil ist der Fall. Volkswirtschaften, die technische Innovation gewagt und beispielsweise in das Sparen von Ressourcen und Energie investiert haben, haben mittel- und langfristig Konkurrenzvorteile. Nehmen Sie als Beispiel die Ökosteuer, die Druck auf die Kfz-Industrie ausgeübt und zu sparsamen Motoren geführt hat, die jetzt auf dem Markt Erfolg haben.
Homburger: Moment mal. Das können Sie doch nicht auf die Ökosteuer zurückführen. Das war ein langer Prozess, der lange vor der Ökosteuer eingeleitet wurde. Aber noch einmal zur Wettbewerbsfrage: Natürlich steht die deutsche Wirtschaft im internationalen Wettbewerb. Da ist es schon wichtig, ob die deutsche Industrie teurere Energie kaufen muss als ihre Wettbewerber. Das macht sich bei energie-intensiven Branchen erheblich bemerkbar. Deshalb müssen wir die Energieversorgung wettbewerblich organisieren, weil nur so Kosten reduziert werden können.
Blickpunkt: Hat Wirtschaftsminister Wolfgang Clement insofern beim Emissionshandel zu Recht für die Interessen der Wirtschaft gekämpft?
Hermann: Der Zertifikatshandel ist ja ein marktwirtschaftliches und wettbewerbkonformes Instrument. Zudem ist der Sinn des Emissionshandels ja, CO2-intensive Sektoren zurückzudrängen. Insofern dient der Handel durchaus dem Klimaschutz. Problematisch wird es, wenn man versucht, bestimmte Branchen durch Sonderregelungen zu schützen.
Homburger: Ich sehe es anders. Jürgen Trittin und den Grünen ging es an dieser Stelle um Strukturpolitik mit einem Instrument, das für Strukturpolitik nicht taugt. Trittin wollte über technische Vorgaben auch noch eine Verschiebung im Energiemix zwischen den Energieträgern vorgeben. Darum ging der Streit. Der Emissionshandel ist, wenn er richtig organisiert wird, gut für die Umwelt und für Arbeitsplätze, weil mit ihm das klimapolitische Ziel zu geringsten Kosten erreicht wird.
Blickpunkt: Was ist für Sie die Begründung für erneuerbare Energien: der Klimaschutz oder die Notwendigkeit, für Energien wie Öl und Kohle rechtzeitig Ersatz zu haben?
Hermann: Ganz vorn steht der Klimaschutz. Denn wenn es in hundert Jahren die prognostizierte Klimakatastrophe gibt, können wir uns alle anderen Überlegungen sparen. Erneuerbare Energien geben natürlich auch mehr Sicherheit, weil sie uns unabhängiger von konventionellen Energien machen, die durch Verknappungen überdies teurer werden. Erneuerbare Energien sind einheimische Energien, die uns sicher von Wind und Sonne geliefert werden.
Homburger: ... wenn sie denn scheint und der Wind bläst. Wir unterscheiden uns nicht im grundsätzlichen Ziel der Förderung erneuerbarer Energien, sondern darin, wie sie gefördert werden sollen. Was wir möchten, ist ein Energiemix, der uns weder abhängig macht von einer einzigen Energieart noch von bestimmten, möglicherweise instabilen Regionen der Erde.
Hermann: Würden wir auf Dauer bestimmte Einspeisepreise für erneuerbare Energien garantieren und nichts daran ändern, hätten Sie mit Ihrer Effizienzbesorgnis Recht. Wir haben aber in allen Bereichen Degressionsfaktoren vorgesehen, die die Effizienz dieser Energien deutlich steigern. Das gilt gerade auch für Windenergie, die sich durchaus langfristig dem Wettbewerb stellen muss.
Blickpunkt: Bei der Windenergie scheint die Stimmung umzukippen. Ist der Siegeszug der erneuerbaren Energien schon vorbei?
Homburger: Es gibt Probleme mit den Standorten. Gegen Windmühlen an guten Windstandorten ist überhaupt nichts zu sagen. Aber leider hat bei der Windenergie eine Überförderung stattgefunden, so dass sich heute Windparks an Stellen befinden, die ungeeignet sind und zu Recht Proteste aus der Bevölkerung hervorrufen. Wer Klimaschutz und erneuerbare Energien will, muss dies mit und nicht gegen die Bürger machen. Deshalb ist es unsinnig, pauschal und überall Windenergie zu fördern, wie es die Neuregelung des Erneuerbaren Energiengesetzes mit dem Wegfall des Referenzwertes vorsieht.
Hermann: Natürlich gibt es Konflikte und natürlich muss man Landschafts- und Naturschutz berücksichtigen. Dies ist aber vor allem eine Frage der Kommunen, die ja die Baugenehmigung erteilen. Vom Bund her wollen wir künftig gute Standorte, vor allem im Meer vor der Küste, deutlich begünstigen. An Land werden sich schlechte Standorte und ineffektive Anlagen künftig nicht mehr rechnen.
Homburger: So einfach stimmt das nicht. Rot-Grün setzt weiterhin falsche Anreize in der Windenergie. Und auch bei den Offshore-Anlagen gibt es ja durchaus Probleme, etwa: Wie bekomme ich die vor der Küste gewonnene Energie an Land? Wenn Sie Leitungen durchs geschützte Wattenmeer legen müssen, wird das ganze nicht nur sehr teuer, sondern hinsichtlich des Umweltschutzes auch sehr problematisch. Hier ist noch vieles unausgereift.
Blickpunkt: Was darf Ökostrom kosten? Bleibt es bei dem einen Euro, mit dem die Verbraucher pro Haushalt und Monat bislang die erneuerbaren Energien subventionieren?
Homburger: Das ist doch nichts anderes als eine Milchmädchenrechnung zur Beruhigung der Öffentlichkeit. In Wahrheit sind die Kosten abhängig vom Verbrauch und belasten trotz aller Sonderregelungen Arbeitsplätze in energieintensiven Branchen.
Hermann: Wobei, wie bei der Ökosteuer, stromintensive Bereiche durch eine Härtefallregelung geschont werden. Grundsätzlich finde ich es auch richtig und gerecht, dass wir neue Technologien, die wir nach vorn schieben wollen, um sie konkurrenzfähig gegenüber den alten zu machen, die jahrzehntelang mit Milliarden hoch subventioniert wurden, nun über eine bestimmte Zeit und in Maßen fördern. Insgesamt macht die Summe zirka zwei bis drei Milliarden Euro pro Jahr aus. Das ist vertretbar angesichts der großen Herausforderungen des Klimaschutzes.
Das Gespräch führte Sönke
Petersen.
Fotos: Nicole Maskus
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