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Richtig nette Abfertigung

Bild: Michaela Busch
Michaela Busch.

Bild: Michaela Busch im Gespräch
Mit dem Wagen unterwegs ...

Bild: Kartons und Kisten
Kisten, Kartons und Paletten.

Bild: Michaela Busch mit beladenen Gitterwagen
Michaela Busch liefert aus.

Bild: Michaela Busch mit Walkie-Talkie
Unterwegs mit dem Walkie-Talkie.

Michaela Busch arbeitet in der Warenannahme des Bundestages und sorgt zugleich für Sonnenschein im unterirdischen Erschließungssystem.

An Michaela Busch kommt man nicht vorbei. Keine Chance, Lieferungen über die Warenannahme im Paul-Löbe-Haus in den Bundestag zu bekommen, ohne dass die 42-jährige Rheinländerin einen Blick darauf geworfen und ihre Zustimmung gegeben hat. Also, da stellt man sich doch lieber gleich gut mit ihr. Was ganz einfach ist, denn Michaela Busch wird von ihren Kollegen nicht ohne Grund hin und wieder „Mutter Beimer“ genannt. Sie hat so was an sich: fürsorglich, fröhlich, ein bisschen burschikos, auf jeden Fall energisch. Eine, die zupackt, wenn die großen Autos mit den meist starken Männern kommen und aus- oder eingeladen werden müssen.

Da bleibt sie nicht in ihrer verglasten Kabine sitzen, von der aus man die Park- und Ladefläche gut überblicken kann, und sieht zu, wie die anderen schuften. Wenn über Walkie-Talkie die Nachricht kommt, dass jetzt angeliefert wird, steht Michaela Busch auf und macht sich an die Arbeit. Meist nicht, ohne mit den Fahrern ein wenig rumzualbern, nachzufragen, wie es heute so geht und steht.

Das ist ja überhaupt das Beste an der Arbeit – die vielen Menschen, mit denen man zu tun hat und die man nach einiger Zeit gut kennt. Die hektischen Stunden, in denen es auf der nicht allzu großen Parkfläche zugeht wie auf einem Verschiebebahnhof. Die Dinge, die immer in Bewegung sind. Michaela Busch liebt ihren Job und jeder hier sagt Chefin zu ihr, obwohl sie das gar nicht ist, oder nennt sie „Buschi“. Spitznamen sind nicht unüblich, und wer einen bekommt, gehört dazu.

In einem unterirdischen Erschließungssystem scheint nie die Sonne. Das hat Logik, und man fragt sich, ob es einem so gefallen kann, nie zu wissen, ob der Himmel draußen gerade blau oder grau ist. Aber nein, sagt Michaela Busch, das störe sie gar nicht, und außerdem sei sie ja hin und wieder unterwegs in den Häusern, bringe schnell mal selbst was ans Ziel, wenn die Zeit es zulässt und der Kollege die Stellung hält.

Der Kollege, Bernd Gericke, ist erst seit einigen Monaten hier in der Warenannahme, was es jetzt einfacher macht. Vorher saß Michaela Busch allein im Glaskasten, das schränkt die Bewegungsfreiheit ein. Zu zweit ist es besser. Und für Sonne sorgt Michaela Busch selbst, nicht, weil sie an diesem Tag einen hellblauen Pullover trägt und somit für Farbe sorgt, sondern weil sie einfach gute Laune hat. Bernd Gericke sagt, er kenne sie kaum anders. Auch wenn sie schon mal laut werden könne, wenn etwas so gar nicht klappen will.

„Einen wunderschönen guten Morgen wünsch ich dir, Kollege.“

Dabei tritt sie eigentlich gerade den Gegenbeweis an, denn an diesem Morgen telefoniert sie sich durch die halbe Bundestagsverwaltung, um eine Adressatin zu finden, die offensichtlich keiner kennt: „Einen wunderschönen guten Morgen wünsch ich dir, Kollege. Kennst du Frau R.? Hier steht eine Palette für sie. Könnte das eine Praktikantin sein? Busch hier, guten Morgen, erst mal eine fröhliche Woche und dann was Dienstliches. Ich suche eine Frau R. Gibt es die bei euch?“ Das dauert seine Zeit und ist in diesem Fall nicht von Erfolg gekrönt, trotz geradezu kriminalistischen Gespürs. Aber Michaela Busch ist Optimistin. Wenn Frau R. auf die Lieferung wartet, wird sie sich früher oder später melden. Die Europalette wird erst mal gelagert und vorgehalten.

Angeliefert wird von verschiedensten Firmen. Sie bringen Post, Broschüren und Zeitungen oder Waren für den Betreiber der Kantine und des Restaurants. Geprüft werden muss, ob drin ist, was auf dem Lieferschein steht, dann wird alles eingetragen, vermerkt und weitergeschickt an den richtigen Empfänger und die richtige Stelle.

Michaela Busch arbeitet erst seit 2001 im Bundestag. Ihr Mann ist schon länger hier, beim Fahrdienst. Da hat sogar schon sein Vater gearbeitet. Dass nun beide, Michaela Busch und ihr Ehemann, im hohen Haus tätig sind, hat etwas mit dem Umzug zu tun und allem, was sich damit änderte. „Mein Mann hat mich herverpflanzt“, sagt Michaela Busch und grinst dabei. Ganz so kann es auch nicht gewesen sein, denn die Frau wirkt nicht, als ließe sie sich gegen ihren Willen irgendwo hinverpflanzen. Nein, sie war neugierig und hatte selbst Lust auf Veränderung, das gibt sie zu. Berlin gefällt ihr, und auch die beiden Söhne, 13 und 18 Jahre alt inzwischen, haben sich gut eingelebt in der großen Stadt.

In Bonn hat Michaela Busch als stellvertretende Filialleiterin bei Edeka gearbeitet, in einer kleinen Filiale, fast ein Familienbetrieb. Gelernt hat sie Fleischfachverkäuferin und Metzgerin. „Ein halbes Schwein schlepp ich locker“, sagt sie und erzählt, dass sie so was Ähnliches auch beim Bewerbungsgespräch im Bundestag geäußert hat. „Damit die wissen, dass ich was wegschaffe.“

Der Anfang im Bundestag war gut und einfach. Die Warenannahme im Paul-Löbe-Haus gab es noch nicht, also hat Michaela Busch im Botendienst gearbeitet und in der Poststelle und auf die Art und Weise die Verwaltung und die Häuser kennen gelernt.

Während sie das erzählt, kommen immer wieder Lieferungen. Dann steht sie auf, geht raus, nimmt die rot-weiße Kette von der Ladefläche und dirigiert die Wagen an die richtige Stelle. „Na mein Schatz, was bringste denn heute für uns?“ Die meisten Männer überragen sie um ein oder gar zwei Köpfe, aber Respekt haben sie alle und für Scherze und ein paar nette Worte sind sie immer zu haben.

Auf die Frage, was Michaela Busch gern tut, wenn sie gerade nicht arbeiten muss, sagt sie: „Lesen, rumblödeln, Garten und Haus pflegen, Fußballtraining, Bernd ärgern.“ Bernd, der Kollege, guckt dabei gelassen in die Luft. Frau Busch kann so was sagen, er weiß ja, wie es gemeint ist. Fußball trainiert sie übrigens zwei Mal in der Woche. Der Bundestag hat jetzt eine Frauenmannschaft, und da kann man gespannt sein, wie weit die es bringen wird.

In Sitzungswochen, vor allem wenn im Hause große Veranstaltungen stattfinden, geht es hier unten in der Warenannahme manchmal wie in einem Taubenschlag zu. Mehr als fünf Parkplätze stehen nicht zur Verfügung, und Frau Glaser, oben an der Einfahrt, muss koordinieren, wie viele Fahrzeuge nach unten kommen dürfen. Und unten sorgt dann Michaela Busch für die richtige Reihenfolge. Klappt alles wie am Schnürchen. Sie kann sich vorstellen, sagt sie, hier noch lange zu arbeiten, aber auch woanders im Bundestag.

„Na mein Schatz, was bringste denn heute für uns?“

Inzwischen ist ein wenig Ruhe eingekehrt, vormittags kommen die meisten Lieferungen. Jetzt können Papiere sortiert und kann noch eine Geschichte erzählt werden. Die von dem dritten Kind, das hier im Bundestag arbeitet. Zufälle gibt es, da kommt selbst Michaela Busch ins Staunen. „Mit 16 habe ich in Bonn als Babysitterin gearbeitet, mich um einen kleinen Jungen gekümmert, was kein Problem war, denn meinen jüngeren Bruder hatte ich sowieso immer im Schlepptau. Ja und der Junge arbeitet jetzt hier im Bundestag bei einem Abgeordneten. Hat am Anfang eine Zeit lang bei mir gewohnt und jetzt eine eigene Wohnung.“

Von allen Kindern – den zwei eigenen und dem Ziehkind – liegen Fotos auf dem Schreibtisch von Michaela Busch. Und natürlich auch eins vom Ehemann.

Alle sind richtig angekommen in Berlin. Nur zu Karneval und im September kommt eine kleine Sehnsucht. Karneval muss man jetzt halt in der Hauptstadt feiern und findet zum Glück im Bundestag eine ganze Reihe Gleichgesinnter.

Tja und im September muss in Pützchen, dem Geburtstort von Michaela Busch, der berühmte „Pützchens Markt“ oft ohne sie stattfinden. Da fragt man sich allerdings, wie das gut gehen soll.

Text: Kathrin Gerlof
Fotos: studio kohlmeier
Erschienen am 18. April 2005


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