> Unter der Kuppel > Cullen
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Lesen Sie Michael S. Cullens Episode aus der Geschichte des Reichstagsgebäudes, beantworten Sie seine Frage und gewinnen Sie eine Reise nach Berlin.
Gegensätze ziehen sich bekanntlich an. Ob das auch für die Hauptdarsteller im Drama um den Reichstagsbau gilt, ist jedoch fraglich. Denn einen gemeinsamen Nenner haben der Architekt Paul Wallot und Kaiser Wilhelm II. nie gefunden. Der eine sah sich als Künstler, der andere sich dazu berufen, in die Angelegenheiten der schönen Künste und der Architektur einzugreifen.
Heftigen Streit gab es um die Kuppel des Reichstagsgebäudes, die Wallot aus ästhetischen Gründen während der Bauarbeiten zurück in die Mitte des Gebäudes verlegen wollte – wie es im ersten Entwurf vorgesehen war. Im Herbst 1888 fragte er bei Wilhelm II. an, der sich etwas später in Wallots Baubüro unterrichten ließ. Für Wallot war das die erste Begegnung mit dem Kaiser, der sich ihm zu dieser Zeit noch „sehr gnädig“ erwies.
Im Januar 1889 aber kam es im Neuen Palais in Potsdam zur Konfrontation. Wallot erklärte, warum er die Kuppel verlegen wolle, und war erstaunt über das Verhalten des Kaisers. Er notierte: „Dem Kaiser aber spielte das Mittun stets eine wichtige Rolle, er glaubte sich berufen, einen Einfluß auf diesen wichtigsten Bau seiner Regierungszeit auszuüben und war offenbar gewohnt, daß die berufenen Architekten ... sich die Kaiserlichen Eingriffe mittelst Blaustift gefallen ließen.“ Wilhelm II. klopfte Wallot väterlich auf die Schulter und begann: „Mein Sohn – das machen wir so ...“ Wallot aber ließ sich den Stift nicht aus der Hand nehmen und fuhr dem Kaiser in die Parade: „Majestät, das geht nicht“. Ein Widerspruch mit Folgen. Wie Wallots Freund, der Maler Eugen Bracht berichtet, war der Architekt damit „ein Feind, geschaffen wie er unversöhnlicher nicht gedacht werden kann.“ Immerhin aber wurde die Kuppel verlegt, sie wurde kleiner und bestand nunmehr aus Stahl und Glas und nicht mehr aus Stein.
Wilhelm war mit dem Bauvorhaben unzufrieden und schrieb an seine Mutter: „Der Reichstagsbau vor dem Brandenburger Tor wird von Tag zu Tag scheußlicher, wo das Baugerüst nun fast ganz verschwunden ist, und in der Reichstags-Bau-Kommission, deren fehlender Geschmack mit einer Neigung zur Geldverschwendung wetteifert, werden heftige Kämpfe zwischen den Mitgliedern ausgetragen, da sie sich nicht entscheiden können, wessen Statuen im Reichs-Treibhaus – wie die Berliner es nennen – aufgestellt werden sollen.“
Einen Höhepunkt erreichte der Kuppelstreit im April 1893, als Wilhelm das Reichstagsgebäude einen „Gipfel der Geschmacklosigkeit“ nannte. Wallot entgegnete ebenso scharf und erklärte, es würde Deutschland schlecht gehen, wenn dieser Mann an der Spitze in militärischen und diplomatischen Sachen so dilettantisch wäre wie in der Kunst. Wilhelm schlug zurück und strich Wallots Namen von einer Liste für Goldmedaillenträger, was ihm wiederum die Namen „Medaillenaberkenner“ eintrug. Auch bei der Schlusssteinlegung konnte sich der Kaiser bissige Bemerkungen nicht verkneifen. Er sprach vom „Reichsaffenhaus“ und verweigerte Wallot den Roten Adlerorden, ein Verdienstorden für Künstler. Wallot nahm es gelassen, er hatte mittlerweile eine Professur in Dresden angenommen.
Fotos: studio kohlmeier,
Picture-Alliance
Erschienen am 15. März 2005
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Jürgen Pöhler aus Stuttgart gewonnen.